Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Drei Aönige heimrat Wecken die Feder führten, offen aus, daß man darin das Symptom Die Schärfe, mit der hier König Wilhelm in Gemeinschaft mit dem Habs¬ Drei Aönige heimrat Wecken die Feder führten, offen aus, daß man darin das Symptom Die Schärfe, mit der hier König Wilhelm in Gemeinschaft mit dem Habs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0623" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323025"/> <fw type="header" place="top"> Drei Aönige</fw><lb/> <p xml:id="ID_3042" prev="#ID_3041"> heimrat Wecken die Feder führten, offen aus, daß man darin das Symptom<lb/> eines tieferliegenden Übels zu erkennen habe, das zur offenen Wunde zu<lb/> werden drohe. „Dieses Übel ist die falsche Auffassung der absoluten Herrschaft<lb/> der Majorität am Bundestag, eine Doktrin, welche der Mehrheit der Stimmen<lb/> scheinbar eine große Macht beilegt, in Wirklichkeit aber, wenn sie auf die<lb/> Spitze getrieben wird, den Bund zum Untergange führt!" Er verwahrte sich<lb/> dagegen im Namen Preußens, aber auch Österreichs! „Welchen Wert," fährt<lb/> er fort, „welche Bedeutung hätte der Bund noch für Deutschland, wenn Preußen<lb/> und Östreich ihre Selbständigkeit, ihr nationales Bewußtsein aufgeben sollen?<lb/> Wie könnten Preußen und Ostreich, wenn ihr nationales und militärisches<lb/> Gefühl gebrochen wäre, dem Bunde noch eine Stütze gewähren? Würde ein<lb/> deutscher Bund, in welchem Preußen und Östreich nicht führten, sondern ge¬<lb/> horchten, dem Auslande gegenüber noch das nötige Ansehen haben?"</p><lb/> <p xml:id="ID_3043"> Die Schärfe, mit der hier König Wilhelm in Gemeinschaft mit dem Habs¬<lb/> burgischen Nebenbuhler gegen die Mittelstaaten auftrat, er kehrte sie zwei Jahre<lb/> darauf gegen dieses selbe Österreich, das nunmehr mit Sachsen zusammenging.<lb/> Die zwei Freunde wechselten vor dem Ausbruch des Kampfes noch einige<lb/> Briefe! Jeder fühlte sich von der Gegenseite bedroht und angegriffen. Eine<lb/> Versöhnung war unmöglich. Sie redeten aneinander vorbei, beide im Voll¬<lb/> gefühl ihres Rechtes und ihrer staatlichen Pflicht. König Johann hat die<lb/> schwere Entscheidung von Königgrätz mit edler Resignation auf sich genommen.<lb/> Die Worte, die er vor Beginn der Friedensverhandlungen an den Sieger richtete,<lb/> sind in ihren Versprechen, aber auch in ihren Hoffnungen erfüllt worden: „Das<lb/> Schicksal der Schlachten hat gegen uns entschieden. Ich erkenne in ihm eine<lb/> höhere Waldung und werde mit Redlichkeit in Alles eingehen, was die Lage<lb/> der Dinge mit sich bringt. Dies gilt ins Besondere von dem neu zu gestaltenden<lb/> Bundesverhältnis und der näheren Verbindung mit Preußen. Dabei hege ich<lb/> die zuversichtliche Hoffnung, daß Du keine Anforderungen an mich stellen wirst,<lb/> welche mein Land, das so treu zu mir gestanden hat, mit unbilligen Lasten<lb/> beschweren und seinen Wohlstand zu Grunde richten würde, und ebensowenig<lb/> mir etwas zumuthen wirst, was den wesentlichen Bedingungen eines selbständigen<lb/> Fürsten widerspricht. Im umgekehrten Falle würde die neue Verbindung das<lb/> unvermeidliche bittere Gefühl, das jeder Besiegte in sich trägt, noch schürfen<lb/> und den Keim neuer Zerwürfnisse in sich tragen." In solcher Gesinnung ist<lb/> er dem Kriege mit Frankreich entgegengegangen, in dem sein Sohn Albert an<lb/> führender Stelle ankämpfte. Er hat sie auch ins deutsche Reich hinüber¬<lb/> getragen. König Wilhelm und König Johann sind beide über die früheren<lb/> Gegensätze hinausgewachsen und haben sich in den gemeinsamen Aufgaben des<lb/> neugegründeten Bundesstaates wieder zusammengefunden. Auch ihr persönlichstes<lb/> Verhältnis hat in diesen Jahren eine besondere Wärme und Zartheit wieder¬<lb/> gewonnen, die bis zum Tode Johanns keine Trübung mehr erfahren hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0623]
Drei Aönige
heimrat Wecken die Feder führten, offen aus, daß man darin das Symptom
eines tieferliegenden Übels zu erkennen habe, das zur offenen Wunde zu
werden drohe. „Dieses Übel ist die falsche Auffassung der absoluten Herrschaft
der Majorität am Bundestag, eine Doktrin, welche der Mehrheit der Stimmen
scheinbar eine große Macht beilegt, in Wirklichkeit aber, wenn sie auf die
Spitze getrieben wird, den Bund zum Untergange führt!" Er verwahrte sich
dagegen im Namen Preußens, aber auch Österreichs! „Welchen Wert," fährt
er fort, „welche Bedeutung hätte der Bund noch für Deutschland, wenn Preußen
und Östreich ihre Selbständigkeit, ihr nationales Bewußtsein aufgeben sollen?
Wie könnten Preußen und Ostreich, wenn ihr nationales und militärisches
Gefühl gebrochen wäre, dem Bunde noch eine Stütze gewähren? Würde ein
deutscher Bund, in welchem Preußen und Östreich nicht führten, sondern ge¬
horchten, dem Auslande gegenüber noch das nötige Ansehen haben?"
Die Schärfe, mit der hier König Wilhelm in Gemeinschaft mit dem Habs¬
burgischen Nebenbuhler gegen die Mittelstaaten auftrat, er kehrte sie zwei Jahre
darauf gegen dieses selbe Österreich, das nunmehr mit Sachsen zusammenging.
Die zwei Freunde wechselten vor dem Ausbruch des Kampfes noch einige
Briefe! Jeder fühlte sich von der Gegenseite bedroht und angegriffen. Eine
Versöhnung war unmöglich. Sie redeten aneinander vorbei, beide im Voll¬
gefühl ihres Rechtes und ihrer staatlichen Pflicht. König Johann hat die
schwere Entscheidung von Königgrätz mit edler Resignation auf sich genommen.
Die Worte, die er vor Beginn der Friedensverhandlungen an den Sieger richtete,
sind in ihren Versprechen, aber auch in ihren Hoffnungen erfüllt worden: „Das
Schicksal der Schlachten hat gegen uns entschieden. Ich erkenne in ihm eine
höhere Waldung und werde mit Redlichkeit in Alles eingehen, was die Lage
der Dinge mit sich bringt. Dies gilt ins Besondere von dem neu zu gestaltenden
Bundesverhältnis und der näheren Verbindung mit Preußen. Dabei hege ich
die zuversichtliche Hoffnung, daß Du keine Anforderungen an mich stellen wirst,
welche mein Land, das so treu zu mir gestanden hat, mit unbilligen Lasten
beschweren und seinen Wohlstand zu Grunde richten würde, und ebensowenig
mir etwas zumuthen wirst, was den wesentlichen Bedingungen eines selbständigen
Fürsten widerspricht. Im umgekehrten Falle würde die neue Verbindung das
unvermeidliche bittere Gefühl, das jeder Besiegte in sich trägt, noch schürfen
und den Keim neuer Zerwürfnisse in sich tragen." In solcher Gesinnung ist
er dem Kriege mit Frankreich entgegengegangen, in dem sein Sohn Albert an
führender Stelle ankämpfte. Er hat sie auch ins deutsche Reich hinüber¬
getragen. König Wilhelm und König Johann sind beide über die früheren
Gegensätze hinausgewachsen und haben sich in den gemeinsamen Aufgaben des
neugegründeten Bundesstaates wieder zusammengefunden. Auch ihr persönlichstes
Verhältnis hat in diesen Jahren eine besondere Wärme und Zartheit wieder¬
gewonnen, die bis zum Tode Johanns keine Trübung mehr erfahren hat.
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