Habsburgischen Großmacht bereitete sich vor. Es galt die Entscheidung, ob der kleindeutsche Gedanke oder der großdeutsche siegen werde, ob Preußen in dem neu zu schaffenden Bunde die Stelle zufiel, die seiner wirklichen Stärke entsprach. Auf der einen Seite das Preußen Friedrich Wilhelms, der persönlich an der Habsburgischen Monarchie hing und eigentlich nicht ihren Ausschluß wollte, aber sich doch zugleich von dem Machttrieb seines Staates und dem Ehrgeiz, der zum Teil ihn selber beseelte, in die klemdeutsche Bahn treiben ließ, ohne sich ganz und völlig zuverlässig dieser Politik hinzugeben. Auf der anderen Seite das Österreich des Fürsten Schwarzenberg mit seiner bunten und viel¬ gestaltigen Ländermasse, das sich aus Deutschland nicht verdrängen lassen und die Leitung behalten wollte. Johann war zwischen die zwei Parteien gestellt. Als die ersten Noten Anfangs des Jahres 1849 die Gegensätze offenbarten, erfüllte ihn dies mit Kummer. Er hatte auf ein einmütiges Vorgehen Österreichs und Preußens gehofft und gab nun seiner Enttäuschung Ausdruck. "Ich fürchte, das Endresultat würde entweder eine Zertrennung Deutschlands oder ein gänzliches Scheitern des Verfassungswerkes seyn, was ich für das Schlimmste halte, da es uns über kurz oder lang eine neue, schlimmere Revo¬ lution bringen würde. Ich vertraue indes auf Dein edles Patriotisches Herz, daß Du alles thun wirst, um womöglich beide oder doch, eines jener Extreme zu vermeiden."
Fast jede einzelne Entwicklungsstufe der deutschen Frage in den folgenden Monaten wird durch den Briefwechsel Johanns und Friedrich Wilhelms beleuchtet. Der sächsische Prinz hat wiederholt seine Stimme für das Zusammengehen Preußens mit Österreich erhoben. Man mag dabei mitunter, wie es natürlich ist, bei seinem vermittelnden Standpunkt, jene letzte Klarheit vermissen, die nur die schroffere Haltung eines Entweder--Oder hätte verleihen können. Aber es wäre unbillig, von ihm Ergebnisse erwarten zu wollen, die erst die Geschichte der nächsten Jahrzehnte in blutigen Kämpfen entschieden hat; wohnten doch auch in der Brust seines königlichen Freundes, der in viel höherem Maße zum Handeln berufen war, zwei Seelen, die miteinander in Zwiespalt lagen. Johann widerstrebte der kleindeutschen Lösung, sein dynastisches Selbstgefühl mochte in seiner wachsenden Abneigung gegen das Frankfurter Parlament mit¬ reden, aus dessen Bann die deutschen Staaten, wie er forderte, erlöst werden müßten. Er schalt auf Gagern, und als Preußen dessen Plan eines engeren und weiteren Bundes durch die Unionsbestrebungen aufnahm, verteidigte Johann die sächsische Regierung, die zusammen mit der hannoverschen sich nur für gebunden ansehen wollte, falls sich sämtliche deutsche Staaten außer Österreich anschließen würden. Johann sprach -- in Übereinstimmung mit seinem regierenden Bruder -- als Vertreter seiner sächsischen Heimat, die, wie er betonte, der tat¬ sächlichen Mediatisierung durch Preußen zum Opfer fiel, wenn ihr nicht das Gegengewicht der süddeutschen Staaten zur Seite bliebe. Einen auf Nord- und Mitteldeutschland beschränkten Bund unter preußischer Führung verurteilte er als
Drei Könige
Habsburgischen Großmacht bereitete sich vor. Es galt die Entscheidung, ob der kleindeutsche Gedanke oder der großdeutsche siegen werde, ob Preußen in dem neu zu schaffenden Bunde die Stelle zufiel, die seiner wirklichen Stärke entsprach. Auf der einen Seite das Preußen Friedrich Wilhelms, der persönlich an der Habsburgischen Monarchie hing und eigentlich nicht ihren Ausschluß wollte, aber sich doch zugleich von dem Machttrieb seines Staates und dem Ehrgeiz, der zum Teil ihn selber beseelte, in die klemdeutsche Bahn treiben ließ, ohne sich ganz und völlig zuverlässig dieser Politik hinzugeben. Auf der anderen Seite das Österreich des Fürsten Schwarzenberg mit seiner bunten und viel¬ gestaltigen Ländermasse, das sich aus Deutschland nicht verdrängen lassen und die Leitung behalten wollte. Johann war zwischen die zwei Parteien gestellt. Als die ersten Noten Anfangs des Jahres 1849 die Gegensätze offenbarten, erfüllte ihn dies mit Kummer. Er hatte auf ein einmütiges Vorgehen Österreichs und Preußens gehofft und gab nun seiner Enttäuschung Ausdruck. „Ich fürchte, das Endresultat würde entweder eine Zertrennung Deutschlands oder ein gänzliches Scheitern des Verfassungswerkes seyn, was ich für das Schlimmste halte, da es uns über kurz oder lang eine neue, schlimmere Revo¬ lution bringen würde. Ich vertraue indes auf Dein edles Patriotisches Herz, daß Du alles thun wirst, um womöglich beide oder doch, eines jener Extreme zu vermeiden."
Fast jede einzelne Entwicklungsstufe der deutschen Frage in den folgenden Monaten wird durch den Briefwechsel Johanns und Friedrich Wilhelms beleuchtet. Der sächsische Prinz hat wiederholt seine Stimme für das Zusammengehen Preußens mit Österreich erhoben. Man mag dabei mitunter, wie es natürlich ist, bei seinem vermittelnden Standpunkt, jene letzte Klarheit vermissen, die nur die schroffere Haltung eines Entweder—Oder hätte verleihen können. Aber es wäre unbillig, von ihm Ergebnisse erwarten zu wollen, die erst die Geschichte der nächsten Jahrzehnte in blutigen Kämpfen entschieden hat; wohnten doch auch in der Brust seines königlichen Freundes, der in viel höherem Maße zum Handeln berufen war, zwei Seelen, die miteinander in Zwiespalt lagen. Johann widerstrebte der kleindeutschen Lösung, sein dynastisches Selbstgefühl mochte in seiner wachsenden Abneigung gegen das Frankfurter Parlament mit¬ reden, aus dessen Bann die deutschen Staaten, wie er forderte, erlöst werden müßten. Er schalt auf Gagern, und als Preußen dessen Plan eines engeren und weiteren Bundes durch die Unionsbestrebungen aufnahm, verteidigte Johann die sächsische Regierung, die zusammen mit der hannoverschen sich nur für gebunden ansehen wollte, falls sich sämtliche deutsche Staaten außer Österreich anschließen würden. Johann sprach — in Übereinstimmung mit seinem regierenden Bruder — als Vertreter seiner sächsischen Heimat, die, wie er betonte, der tat¬ sächlichen Mediatisierung durch Preußen zum Opfer fiel, wenn ihr nicht das Gegengewicht der süddeutschen Staaten zur Seite bliebe. Einen auf Nord- und Mitteldeutschland beschränkten Bund unter preußischer Führung verurteilte er als
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Drei Könige
Habsburgischen Großmacht bereitete sich vor. Es galt die Entscheidung, ob der
kleindeutsche Gedanke oder der großdeutsche siegen werde, ob Preußen in dem
neu zu schaffenden Bunde die Stelle zufiel, die seiner wirklichen Stärke entsprach.
Auf der einen Seite das Preußen Friedrich Wilhelms, der persönlich an der
Habsburgischen Monarchie hing und eigentlich nicht ihren Ausschluß wollte, aber
sich doch zugleich von dem Machttrieb seines Staates und dem Ehrgeiz, der
zum Teil ihn selber beseelte, in die klemdeutsche Bahn treiben ließ, ohne
sich ganz und völlig zuverlässig dieser Politik hinzugeben. Auf der anderen
Seite das Österreich des Fürsten Schwarzenberg mit seiner bunten und viel¬
gestaltigen Ländermasse, das sich aus Deutschland nicht verdrängen lassen und
die Leitung behalten wollte. Johann war zwischen die zwei Parteien gestellt.
Als die ersten Noten Anfangs des Jahres 1849 die Gegensätze offenbarten,
erfüllte ihn dies mit Kummer. Er hatte auf ein einmütiges Vorgehen
Österreichs und Preußens gehofft und gab nun seiner Enttäuschung Ausdruck.
„Ich fürchte, das Endresultat würde entweder eine Zertrennung Deutschlands
oder ein gänzliches Scheitern des Verfassungswerkes seyn, was ich für das
Schlimmste halte, da es uns über kurz oder lang eine neue, schlimmere Revo¬
lution bringen würde. Ich vertraue indes auf Dein edles Patriotisches Herz,
daß Du alles thun wirst, um womöglich beide oder doch, eines jener Extreme
zu vermeiden."
Fast jede einzelne Entwicklungsstufe der deutschen Frage in den folgenden
Monaten wird durch den Briefwechsel Johanns und Friedrich Wilhelms beleuchtet.
Der sächsische Prinz hat wiederholt seine Stimme für das Zusammengehen
Preußens mit Österreich erhoben. Man mag dabei mitunter, wie es natürlich
ist, bei seinem vermittelnden Standpunkt, jene letzte Klarheit vermissen, die nur
die schroffere Haltung eines Entweder—Oder hätte verleihen können. Aber es
wäre unbillig, von ihm Ergebnisse erwarten zu wollen, die erst die Geschichte
der nächsten Jahrzehnte in blutigen Kämpfen entschieden hat; wohnten doch
auch in der Brust seines königlichen Freundes, der in viel höherem Maße zum
Handeln berufen war, zwei Seelen, die miteinander in Zwiespalt lagen.
Johann widerstrebte der kleindeutschen Lösung, sein dynastisches Selbstgefühl
mochte in seiner wachsenden Abneigung gegen das Frankfurter Parlament mit¬
reden, aus dessen Bann die deutschen Staaten, wie er forderte, erlöst werden
müßten. Er schalt auf Gagern, und als Preußen dessen Plan eines engeren
und weiteren Bundes durch die Unionsbestrebungen aufnahm, verteidigte Johann
die sächsische Regierung, die zusammen mit der hannoverschen sich nur für
gebunden ansehen wollte, falls sich sämtliche deutsche Staaten außer Österreich
anschließen würden. Johann sprach — in Übereinstimmung mit seinem regierenden
Bruder — als Vertreter seiner sächsischen Heimat, die, wie er betonte, der tat¬
sächlichen Mediatisierung durch Preußen zum Opfer fiel, wenn ihr nicht das
Gegengewicht der süddeutschen Staaten zur Seite bliebe. Einen auf Nord- und
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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/617>, abgerufen am 26.01.2025.
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