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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Amerika am Bau seiner Handelsflotte

Gegenwärtig ist die nordamerikanische Handelsflagge aus dem inter¬
nationalen Verkehr fast verschwunden. Einstmals folgte sie an Größe der
englischen auf den Fersen. Da kamen zwei für sie verderbliche Ereignisse: der
Bürgerkrieg, der eine Anzahl nordamerikanischer Schiffe den Raubkreuzern der
Südstaaten ("Alabama", "Shenandoah") zum Opfer fallen ließ und noch weit
mehr zum Verkauf an Engländer trieb; sodann der Übergang von: Holzbau
zum Eisenbau, der die Amerikaner des großen, in ihren Eichenwäldern steckenden
natürlichen Vorteils beraubte; das billigste Eisen hatten aber die Engländer. Der
Bürgerkrieg endete mit dem Siege der Nordstaaten, die das englische Eisen durch
hohe Schutzzölle fernhielten; da damit der Schiffsbau verteuert und es für die
amerikanischen Reeber vorteilhafter wurde, ihre Schiffe im Ausland zu kaufen,
so verboten die Nordstaaten die Aufnahme fremder Schiffe unter die amerikanische
Flagge. Die heimischen Schiffe wurden aber so teuer, daß sie überall die
Möglichkeit des Wettbewerbs verloren. Um nun den amerikanischen Reedern
eine Entschädigung zu gewähren, verlieh man ihren Fahrzeuge" das gesetzliche
Monopol auf die gesamte Küstenfahrt, und verstand darunter die Fahrt zwischen zwei
beliebigen Häfen unter amerikanischer Herrschaft, selbst wenn sie so weit voneinander
entfernt waren wie New Vork und Honolulu. Auch die Küstenfahrt auf den
fünf großen Süßwasserseen durfte nur von nordamerikanischen Schiffen betrieben
worden. Diese Fahrzeuge sowie die Seefischer und (wovon hier ab¬
gesehen werden kann) einige besondere Ausnahmeschiffe machen die amerikanische
Handelsflotte aus. Unter den Segelschiffen rangieren die nordamerikanischen,
nachdem die englischen fast den Platz geräumt haben, an erster Stelle; unter
den Dampfern an dritter, denn nur die englischen und deutschen gehen ihnen voraus.

Aber aus dem internationalen Ozeanverkehr sind die einst so stolzen
Sternenbannerschiffe sogut wie verschwunden. Die Amerikaner haben seit einer
langen Reihe von Jahren versucht, diesem Mangel dadurch abzuhelfen, daß sie
ganz außerordentlich hohe Staatsunterstützungen für Postdampfer und für andere
Dampfer nach dem Maße der Größe und Schnelligkeit aussetzten. Es hat
ihnen noch weniger genützt als den Franzosen, die den gleichen Weg beschritten
und doch den kühnen Wagemut der englischen, deutschen, norwegischen Reeber
und Schiffer nicht ersetzen konnten. Lange stritt man sich über noch immer
weiter gehende Subventionen. Der Süden und die inneren Staaten wollten
jedoch nicht mitgehen; sie sagten: wir können mit eigenen Schiffen gar nicht
besser bedient werden als jetzt durch die fremden; letztere verlangen aber keine
Geldopfer von uns. Allmählich, namentlich infolge der Spannung mit Japan,
ist eine andere Anschauung zur Herrschaft gelangt: nicht nur bei den
Republikanern, sondern auch bei den Demokraten, namentlich in den am Golf
von Mexiko gelegenen Staaten, die sich vom Panamakanal einen ihnen besonders
nützlichen Verkehr versprechen.

Wie sehr die Übernahme des Baues des Panamakanals durch die Ver¬
einigten Staaten von der Stellungnahme gegen Japan beeinflußt ist, braucht


Amerika am Bau seiner Handelsflotte

Gegenwärtig ist die nordamerikanische Handelsflagge aus dem inter¬
nationalen Verkehr fast verschwunden. Einstmals folgte sie an Größe der
englischen auf den Fersen. Da kamen zwei für sie verderbliche Ereignisse: der
Bürgerkrieg, der eine Anzahl nordamerikanischer Schiffe den Raubkreuzern der
Südstaaten („Alabama", „Shenandoah") zum Opfer fallen ließ und noch weit
mehr zum Verkauf an Engländer trieb; sodann der Übergang von: Holzbau
zum Eisenbau, der die Amerikaner des großen, in ihren Eichenwäldern steckenden
natürlichen Vorteils beraubte; das billigste Eisen hatten aber die Engländer. Der
Bürgerkrieg endete mit dem Siege der Nordstaaten, die das englische Eisen durch
hohe Schutzzölle fernhielten; da damit der Schiffsbau verteuert und es für die
amerikanischen Reeber vorteilhafter wurde, ihre Schiffe im Ausland zu kaufen,
so verboten die Nordstaaten die Aufnahme fremder Schiffe unter die amerikanische
Flagge. Die heimischen Schiffe wurden aber so teuer, daß sie überall die
Möglichkeit des Wettbewerbs verloren. Um nun den amerikanischen Reedern
eine Entschädigung zu gewähren, verlieh man ihren Fahrzeuge« das gesetzliche
Monopol auf die gesamte Küstenfahrt, und verstand darunter die Fahrt zwischen zwei
beliebigen Häfen unter amerikanischer Herrschaft, selbst wenn sie so weit voneinander
entfernt waren wie New Vork und Honolulu. Auch die Küstenfahrt auf den
fünf großen Süßwasserseen durfte nur von nordamerikanischen Schiffen betrieben
worden. Diese Fahrzeuge sowie die Seefischer und (wovon hier ab¬
gesehen werden kann) einige besondere Ausnahmeschiffe machen die amerikanische
Handelsflotte aus. Unter den Segelschiffen rangieren die nordamerikanischen,
nachdem die englischen fast den Platz geräumt haben, an erster Stelle; unter
den Dampfern an dritter, denn nur die englischen und deutschen gehen ihnen voraus.

Aber aus dem internationalen Ozeanverkehr sind die einst so stolzen
Sternenbannerschiffe sogut wie verschwunden. Die Amerikaner haben seit einer
langen Reihe von Jahren versucht, diesem Mangel dadurch abzuhelfen, daß sie
ganz außerordentlich hohe Staatsunterstützungen für Postdampfer und für andere
Dampfer nach dem Maße der Größe und Schnelligkeit aussetzten. Es hat
ihnen noch weniger genützt als den Franzosen, die den gleichen Weg beschritten
und doch den kühnen Wagemut der englischen, deutschen, norwegischen Reeber
und Schiffer nicht ersetzen konnten. Lange stritt man sich über noch immer
weiter gehende Subventionen. Der Süden und die inneren Staaten wollten
jedoch nicht mitgehen; sie sagten: wir können mit eigenen Schiffen gar nicht
besser bedient werden als jetzt durch die fremden; letztere verlangen aber keine
Geldopfer von uns. Allmählich, namentlich infolge der Spannung mit Japan,
ist eine andere Anschauung zur Herrschaft gelangt: nicht nur bei den
Republikanern, sondern auch bei den Demokraten, namentlich in den am Golf
von Mexiko gelegenen Staaten, die sich vom Panamakanal einen ihnen besonders
nützlichen Verkehr versprechen.

Wie sehr die Übernahme des Baues des Panamakanals durch die Ver¬
einigten Staaten von der Stellungnahme gegen Japan beeinflußt ist, braucht


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[0605] Amerika am Bau seiner Handelsflotte Gegenwärtig ist die nordamerikanische Handelsflagge aus dem inter¬ nationalen Verkehr fast verschwunden. Einstmals folgte sie an Größe der englischen auf den Fersen. Da kamen zwei für sie verderbliche Ereignisse: der Bürgerkrieg, der eine Anzahl nordamerikanischer Schiffe den Raubkreuzern der Südstaaten („Alabama", „Shenandoah") zum Opfer fallen ließ und noch weit mehr zum Verkauf an Engländer trieb; sodann der Übergang von: Holzbau zum Eisenbau, der die Amerikaner des großen, in ihren Eichenwäldern steckenden natürlichen Vorteils beraubte; das billigste Eisen hatten aber die Engländer. Der Bürgerkrieg endete mit dem Siege der Nordstaaten, die das englische Eisen durch hohe Schutzzölle fernhielten; da damit der Schiffsbau verteuert und es für die amerikanischen Reeber vorteilhafter wurde, ihre Schiffe im Ausland zu kaufen, so verboten die Nordstaaten die Aufnahme fremder Schiffe unter die amerikanische Flagge. Die heimischen Schiffe wurden aber so teuer, daß sie überall die Möglichkeit des Wettbewerbs verloren. Um nun den amerikanischen Reedern eine Entschädigung zu gewähren, verlieh man ihren Fahrzeuge« das gesetzliche Monopol auf die gesamte Küstenfahrt, und verstand darunter die Fahrt zwischen zwei beliebigen Häfen unter amerikanischer Herrschaft, selbst wenn sie so weit voneinander entfernt waren wie New Vork und Honolulu. Auch die Küstenfahrt auf den fünf großen Süßwasserseen durfte nur von nordamerikanischen Schiffen betrieben worden. Diese Fahrzeuge sowie die Seefischer und (wovon hier ab¬ gesehen werden kann) einige besondere Ausnahmeschiffe machen die amerikanische Handelsflotte aus. Unter den Segelschiffen rangieren die nordamerikanischen, nachdem die englischen fast den Platz geräumt haben, an erster Stelle; unter den Dampfern an dritter, denn nur die englischen und deutschen gehen ihnen voraus. Aber aus dem internationalen Ozeanverkehr sind die einst so stolzen Sternenbannerschiffe sogut wie verschwunden. Die Amerikaner haben seit einer langen Reihe von Jahren versucht, diesem Mangel dadurch abzuhelfen, daß sie ganz außerordentlich hohe Staatsunterstützungen für Postdampfer und für andere Dampfer nach dem Maße der Größe und Schnelligkeit aussetzten. Es hat ihnen noch weniger genützt als den Franzosen, die den gleichen Weg beschritten und doch den kühnen Wagemut der englischen, deutschen, norwegischen Reeber und Schiffer nicht ersetzen konnten. Lange stritt man sich über noch immer weiter gehende Subventionen. Der Süden und die inneren Staaten wollten jedoch nicht mitgehen; sie sagten: wir können mit eigenen Schiffen gar nicht besser bedient werden als jetzt durch die fremden; letztere verlangen aber keine Geldopfer von uns. Allmählich, namentlich infolge der Spannung mit Japan, ist eine andere Anschauung zur Herrschaft gelangt: nicht nur bei den Republikanern, sondern auch bei den Demokraten, namentlich in den am Golf von Mexiko gelegenen Staaten, die sich vom Panamakanal einen ihnen besonders nützlichen Verkehr versprechen. Wie sehr die Übernahme des Baues des Panamakanals durch die Ver¬ einigten Staaten von der Stellungnahme gegen Japan beeinflußt ist, braucht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/605>, abgerufen am 15.01.2025.