Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Reichsspiegel

der "Wert" des Terrains kalkuliere und dementsprechend war der Grund und
Boden -- wohlverstanden der unbebaute -- bereits hypothekarisch belastet.
Da erschien eine neue Bauordnung, welche villenartige Bebauung vorschrieb.
In demselben Augenblick war das Terrain entwertet, die hypothekarisch ein¬
getragenen Kapitalien verloren. Der Grundeigentümer hatte schon im voraus
durch Aufnahme von Besitzkredit über die Werte verfügt, welche erst durch die
künftige Erbauung von Häusern geschaffen werden sollten. Derart liegen die
Fälle fast allenthalben, wo es sich um die Erschließung neuer Bauterrains in
den Großstädten handelt. Der Bodenspekulant schöpft den Rahm ab, der spätere
Eigentümer, noch mehr aber die Bauhandwerker, welche Arbeit und Geld für
die Erbauung opfern, sind die Geschlagenen.

Daraus ergibt sich, daß das Problem darin besteht, bei dem Nealkredit
die Elemente des Besitzkredits und des Produktions- beziehungsweise
Meliorationskredits zu trennen und letzterem den Vorzug vor ersterem zu
verschaffen. Denn nur der letztere ist volkswirtschaftlich bedeutsam. Diese Auf¬
gabe wird ohne Reform unseres Hypothekenrechts nicht zu lösen sein und bietet
die größten Schwierigkeiten, die im einzelnen hier nicht dargelegt werden können.
Um so mehr wird es zu begrüßen sein, wenn über diese Fragen eine ein¬
gehende Untersuchung Licht verbreitet. Wir haben mit früheren Enqueten vor¬
zügliche Erfolge erzielt; es sei nur an die Silberkommission, die Börsen- und
die Bankenquete sowie an das große Werk der Kartelluntersuchung erinnert, die




Reichsspiegel

der „Wert" des Terrains kalkuliere und dementsprechend war der Grund und
Boden — wohlverstanden der unbebaute — bereits hypothekarisch belastet.
Da erschien eine neue Bauordnung, welche villenartige Bebauung vorschrieb.
In demselben Augenblick war das Terrain entwertet, die hypothekarisch ein¬
getragenen Kapitalien verloren. Der Grundeigentümer hatte schon im voraus
durch Aufnahme von Besitzkredit über die Werte verfügt, welche erst durch die
künftige Erbauung von Häusern geschaffen werden sollten. Derart liegen die
Fälle fast allenthalben, wo es sich um die Erschließung neuer Bauterrains in
den Großstädten handelt. Der Bodenspekulant schöpft den Rahm ab, der spätere
Eigentümer, noch mehr aber die Bauhandwerker, welche Arbeit und Geld für
die Erbauung opfern, sind die Geschlagenen.

Daraus ergibt sich, daß das Problem darin besteht, bei dem Nealkredit
die Elemente des Besitzkredits und des Produktions- beziehungsweise
Meliorationskredits zu trennen und letzterem den Vorzug vor ersterem zu
verschaffen. Denn nur der letztere ist volkswirtschaftlich bedeutsam. Diese Auf¬
gabe wird ohne Reform unseres Hypothekenrechts nicht zu lösen sein und bietet
die größten Schwierigkeiten, die im einzelnen hier nicht dargelegt werden können.
Um so mehr wird es zu begrüßen sein, wenn über diese Fragen eine ein¬
gehende Untersuchung Licht verbreitet. Wir haben mit früheren Enqueten vor¬
zügliche Erfolge erzielt; es sei nur an die Silberkommission, die Börsen- und
die Bankenquete sowie an das große Werk der Kartelluntersuchung erinnert, die




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323004"/>
            <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2986" prev="#ID_2985"> der &#x201E;Wert" des Terrains kalkuliere und dementsprechend war der Grund und<lb/>
Boden &#x2014; wohlverstanden der unbebaute &#x2014; bereits hypothekarisch belastet.<lb/>
Da erschien eine neue Bauordnung, welche villenartige Bebauung vorschrieb.<lb/>
In demselben Augenblick war das Terrain entwertet, die hypothekarisch ein¬<lb/>
getragenen Kapitalien verloren. Der Grundeigentümer hatte schon im voraus<lb/>
durch Aufnahme von Besitzkredit über die Werte verfügt, welche erst durch die<lb/>
künftige Erbauung von Häusern geschaffen werden sollten. Derart liegen die<lb/>
Fälle fast allenthalben, wo es sich um die Erschließung neuer Bauterrains in<lb/>
den Großstädten handelt. Der Bodenspekulant schöpft den Rahm ab, der spätere<lb/>
Eigentümer, noch mehr aber die Bauhandwerker, welche Arbeit und Geld für<lb/>
die Erbauung opfern, sind die Geschlagenen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2987" next="#ID_2988"> Daraus ergibt sich, daß das Problem darin besteht, bei dem Nealkredit<lb/>
die Elemente des Besitzkredits und des Produktions- beziehungsweise<lb/>
Meliorationskredits zu trennen und letzterem den Vorzug vor ersterem zu<lb/>
verschaffen. Denn nur der letztere ist volkswirtschaftlich bedeutsam. Diese Auf¬<lb/>
gabe wird ohne Reform unseres Hypothekenrechts nicht zu lösen sein und bietet<lb/>
die größten Schwierigkeiten, die im einzelnen hier nicht dargelegt werden können.<lb/>
Um so mehr wird es zu begrüßen sein, wenn über diese Fragen eine ein¬<lb/>
gehende Untersuchung Licht verbreitet. Wir haben mit früheren Enqueten vor¬<lb/>
zügliche Erfolge erzielt; es sei nur an die Silberkommission, die Börsen- und<lb/>
die Bankenquete sowie an das große Werk der Kartelluntersuchung erinnert, die</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0602] Reichsspiegel der „Wert" des Terrains kalkuliere und dementsprechend war der Grund und Boden — wohlverstanden der unbebaute — bereits hypothekarisch belastet. Da erschien eine neue Bauordnung, welche villenartige Bebauung vorschrieb. In demselben Augenblick war das Terrain entwertet, die hypothekarisch ein¬ getragenen Kapitalien verloren. Der Grundeigentümer hatte schon im voraus durch Aufnahme von Besitzkredit über die Werte verfügt, welche erst durch die künftige Erbauung von Häusern geschaffen werden sollten. Derart liegen die Fälle fast allenthalben, wo es sich um die Erschließung neuer Bauterrains in den Großstädten handelt. Der Bodenspekulant schöpft den Rahm ab, der spätere Eigentümer, noch mehr aber die Bauhandwerker, welche Arbeit und Geld für die Erbauung opfern, sind die Geschlagenen. Daraus ergibt sich, daß das Problem darin besteht, bei dem Nealkredit die Elemente des Besitzkredits und des Produktions- beziehungsweise Meliorationskredits zu trennen und letzterem den Vorzug vor ersterem zu verschaffen. Denn nur der letztere ist volkswirtschaftlich bedeutsam. Diese Auf¬ gabe wird ohne Reform unseres Hypothekenrechts nicht zu lösen sein und bietet die größten Schwierigkeiten, die im einzelnen hier nicht dargelegt werden können. Um so mehr wird es zu begrüßen sein, wenn über diese Fragen eine ein¬ gehende Untersuchung Licht verbreitet. Wir haben mit früheren Enqueten vor¬ zügliche Erfolge erzielt; es sei nur an die Silberkommission, die Börsen- und die Bankenquete sowie an das große Werk der Kartelluntersuchung erinnert, die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/602
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/602>, abgerufen am 15.01.2025.