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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

kindliche Unerfahrenheit kann glauben, daß im Ernstfalle Gold und Silber,
daheim wohlverwahrt, sicherer seien als im Tresor einer Bank oder Sparkasse
oder daß bares Geld dem Besitz von Staatspapieren vorzuziehen sei. Im
Kriegsfalle sind die Bestände der Banken völkerrechtlich genau so geschützt wie
jedes andere Privateigentum. Auch die Neichsbank ist immun, denn sie ist
keine Staatsanstalt. Man hat absichtlich, auch aus diesem Grunde, ihr den
Charakter eines privaten Unternehmens gewahrt, den übrigens mit Ausnahme
der russischen Staatsbank auch alle sonstigen zentralen Notenbanken haben.
Man darf sich dabei erinnern, daß im Jahre 1870 während der Invasion
durch eine vorschnelle Maßregel einer deutschen Armeeleitung die Bestände der
Bank von Frankreich bei einer Niederlassung mit Beschlag belegt wurden, aber
selbstverständlich sofort wieder freigegeben werden mußten. Es ist also nicht
der geringste Grund zu solchen Besorgnissen vorhanden. Und was den Besitz
von Effekten, insbesondere Staatspapieren anlangt, so wird im Kriegsfalle durch
Einrichtung von Kriegslombardkassen und ähnliche Maßregeln dafür Sorge
getragen, daß Staatsanleihen zu Geld gemacht werden können. Deshalb ist
der Besitz von Staatspapieren eine vollkommene Bürgschaft für die Liquidität
im Ernstfall.

Die ungünstige Gestaltring der wirtschaftlichen Verhältnisse im letzten Quartal
machte sich für die Banken besonders fühlbar. Ohne die Rückschläge des Herbstes
wäre das Jahr ein äußerst gewinnreiches geworden; jetzt werden an vielen
Stellen Verluste eintreten, wo man auf Gewinn gerechnet hatte. Allerdings
wird -- mit einer Ausnahme -- diese Veränderung der Sachlage sich nicht
in einem Rückgang der Dividende äußern. Unsere Großbanken sind gefestigt
genug und verfügen über ausreichende stille Reserven, um etwaige Ausfälle
nicht auf das Erträgnis einwirken zu lassen. Aber trotzdem wird der Abstand
zwischen dem erhofften und dem erzielten Gewinnergebnis ein recht beträchtlicher
sein. Denn die großen Konjunkturgewinne des Emissions- und Konsortial-
geschäfts fehlen für das zweite Halbjahr fast völlig; es sind ferner fast bei
allen Instituten Debitorenverluste entstanden, die erhöhte Abschreibungen fordern.
Auf der anderen Seite wird freilich das Zinsenkonto erhebliche Mehrertragnisse
bringen und auch das Provisionsergebnis wird durch das lebhafte Börsengeschäfte
während der Haussezeit sich günstig gestaltet haben. Die am wenigsten erfreuliche
Seite der Bankbilanzen ist zweifellos in den Engagements zu erblicken, welche
direkt oder indirekt mit dem Berliner Jmmobilienmarkt zusammenhängen.
Auf diesen Beteiligungen ruhen zum Teil große Verluste und neue stehen noch
in Aussicht. Erst dieser Tage ist ja bekannt geworden, daß die gesamten Berliner
Großbanken der Firma Zielenziger einen Lombardvorschuß von 2 Millionen
Mark auf Aktien der Terraingesellschaft Müllerstraße gewährt haben, die, als
der künstlich getriebene Kurs sich nicht mehr halten ließ, einen Kurssturz von
60 Prozent erlitten. Verluste im Immobiliengeschäft sind denn auch die Ursache,
warum der Schaaffhausensche Bankverein -- die oben erwähnte Aus-


Reichsspiegel

kindliche Unerfahrenheit kann glauben, daß im Ernstfalle Gold und Silber,
daheim wohlverwahrt, sicherer seien als im Tresor einer Bank oder Sparkasse
oder daß bares Geld dem Besitz von Staatspapieren vorzuziehen sei. Im
Kriegsfalle sind die Bestände der Banken völkerrechtlich genau so geschützt wie
jedes andere Privateigentum. Auch die Neichsbank ist immun, denn sie ist
keine Staatsanstalt. Man hat absichtlich, auch aus diesem Grunde, ihr den
Charakter eines privaten Unternehmens gewahrt, den übrigens mit Ausnahme
der russischen Staatsbank auch alle sonstigen zentralen Notenbanken haben.
Man darf sich dabei erinnern, daß im Jahre 1870 während der Invasion
durch eine vorschnelle Maßregel einer deutschen Armeeleitung die Bestände der
Bank von Frankreich bei einer Niederlassung mit Beschlag belegt wurden, aber
selbstverständlich sofort wieder freigegeben werden mußten. Es ist also nicht
der geringste Grund zu solchen Besorgnissen vorhanden. Und was den Besitz
von Effekten, insbesondere Staatspapieren anlangt, so wird im Kriegsfalle durch
Einrichtung von Kriegslombardkassen und ähnliche Maßregeln dafür Sorge
getragen, daß Staatsanleihen zu Geld gemacht werden können. Deshalb ist
der Besitz von Staatspapieren eine vollkommene Bürgschaft für die Liquidität
im Ernstfall.

Die ungünstige Gestaltring der wirtschaftlichen Verhältnisse im letzten Quartal
machte sich für die Banken besonders fühlbar. Ohne die Rückschläge des Herbstes
wäre das Jahr ein äußerst gewinnreiches geworden; jetzt werden an vielen
Stellen Verluste eintreten, wo man auf Gewinn gerechnet hatte. Allerdings
wird — mit einer Ausnahme — diese Veränderung der Sachlage sich nicht
in einem Rückgang der Dividende äußern. Unsere Großbanken sind gefestigt
genug und verfügen über ausreichende stille Reserven, um etwaige Ausfälle
nicht auf das Erträgnis einwirken zu lassen. Aber trotzdem wird der Abstand
zwischen dem erhofften und dem erzielten Gewinnergebnis ein recht beträchtlicher
sein. Denn die großen Konjunkturgewinne des Emissions- und Konsortial-
geschäfts fehlen für das zweite Halbjahr fast völlig; es sind ferner fast bei
allen Instituten Debitorenverluste entstanden, die erhöhte Abschreibungen fordern.
Auf der anderen Seite wird freilich das Zinsenkonto erhebliche Mehrertragnisse
bringen und auch das Provisionsergebnis wird durch das lebhafte Börsengeschäfte
während der Haussezeit sich günstig gestaltet haben. Die am wenigsten erfreuliche
Seite der Bankbilanzen ist zweifellos in den Engagements zu erblicken, welche
direkt oder indirekt mit dem Berliner Jmmobilienmarkt zusammenhängen.
Auf diesen Beteiligungen ruhen zum Teil große Verluste und neue stehen noch
in Aussicht. Erst dieser Tage ist ja bekannt geworden, daß die gesamten Berliner
Großbanken der Firma Zielenziger einen Lombardvorschuß von 2 Millionen
Mark auf Aktien der Terraingesellschaft Müllerstraße gewährt haben, die, als
der künstlich getriebene Kurs sich nicht mehr halten ließ, einen Kurssturz von
60 Prozent erlitten. Verluste im Immobiliengeschäft sind denn auch die Ursache,
warum der Schaaffhausensche Bankverein — die oben erwähnte Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/599>, abgerufen am 15.01.2025.