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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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durch unmerkliche Korrekturen aufs leichteste abänderungsfähig, sie würde im Ge¬
schäftsleben zu den gröblichsten Unredlichkeiten naheliegenden Anlaß bieten, Mi߬
verständnissen jeglichen Vorschub leisten, das Prozessieren vermehren und so für
den Kaufmann wie im allgemeinen schriftlichen Verkehr eine Quelle unerträg¬
licher Geschäftsschwierigkeiten anstatt der vorgespiegelten Erleichterungen werden.
Die Kurzschrift kann daher im Geschäftsleben für Handel und Gewerbe immer
nur Diktatschrift bleiben, die in Buchstabenschrift übertragen werden muß. Auch
die Versuche nach stenographischen Manuskript zu setzen, haben sich nicht bewährt.
In zahlreichen Geschäften spielt die Schreibmaschine eine viel größere Rolle als
die Stenographie. Man kann behaupten, das wahre natürliche Schreibhilfs¬
mittel der Zukunft ist die Schreibmaschine.

Handschrift und Maschinenschrift treten in Wettbewerb aber nicht Langschrift
und Kurzschrift. Neuerdings tritt mit der Kurzschrift das Grammophon als
Sprechmaschine in Konkurrenz und scheint sich in großen Betrieben rasch einzu¬
bürgern. Diese Maschine ersetzt den Diktatstenographen; also selbst die steno¬
graphische Diktatpraxis, ein Beruf, der heute Tausende beschäftigt, wird bereits
durch die Maschine eingeschränkt und in dem Maße abgelöst, wie die Maschinen
vervollkommnet und billiger werden. Der Maschinenschreiber bringt die voll¬
gesprochenen Walzen auf seinen Apparat, hört den Inhalt Satz für Satz ab und
bringt ihn dabei gleich mittels Schreibmaschine zu Papier.

Was wollen nun die Stenographieeiferer? Sie wollen den Verkehr, der
seit neuester Zeit gefördert und erleichtert wird durch Maschinenschrift, belasten,
belästigen, verundeutlichen, erschweren durch Stenographie und zwar indem sie
behaupten, die Stenographie sei ein dringendes Bedürfnis; sie ist aber nicht nur
kein Bedürfnis, sondern es fehlen ihr auch alle Eigenschaften ein solches zu werden!

Die Forderung einer Einheitsstenogrnphie ist gestellt, weil die verschiedenen
Stenographieschulen sich streiten. Wer sind denn die Streiter? Es sind abgesehen
von den Führern die Zeitschriften, die Vereins- und Vergnügungsstenographisten.
Eine Einigung oder Einheitsschrift ist weder nützlich noch notwendig. Im
Gegenteil, gerade der Streit der Systeme hat im letzten Jahrzehnt ihre Leistungen
für die Parlamente gehoben.

Nur ein Teil der Konferenzteilnehmer hat wirklichen, tieferen Einblick in
die Bedingungen, die eine Redezeichenknnst erfüllen muß. Der Streit mit
Herren, die niemals im Parlamentskampf als Stenographen gestanden haben,
ist völlig fruchtlos. Die bloße Tatsache, daß die ersehnte Einheitsstenographie
zweien Herren soll dienen können, macht ihre Ersindbarkeit zu einem unerreich¬
baren Ideal.




durch unmerkliche Korrekturen aufs leichteste abänderungsfähig, sie würde im Ge¬
schäftsleben zu den gröblichsten Unredlichkeiten naheliegenden Anlaß bieten, Mi߬
verständnissen jeglichen Vorschub leisten, das Prozessieren vermehren und so für
den Kaufmann wie im allgemeinen schriftlichen Verkehr eine Quelle unerträg¬
licher Geschäftsschwierigkeiten anstatt der vorgespiegelten Erleichterungen werden.
Die Kurzschrift kann daher im Geschäftsleben für Handel und Gewerbe immer
nur Diktatschrift bleiben, die in Buchstabenschrift übertragen werden muß. Auch
die Versuche nach stenographischen Manuskript zu setzen, haben sich nicht bewährt.
In zahlreichen Geschäften spielt die Schreibmaschine eine viel größere Rolle als
die Stenographie. Man kann behaupten, das wahre natürliche Schreibhilfs¬
mittel der Zukunft ist die Schreibmaschine.

Handschrift und Maschinenschrift treten in Wettbewerb aber nicht Langschrift
und Kurzschrift. Neuerdings tritt mit der Kurzschrift das Grammophon als
Sprechmaschine in Konkurrenz und scheint sich in großen Betrieben rasch einzu¬
bürgern. Diese Maschine ersetzt den Diktatstenographen; also selbst die steno¬
graphische Diktatpraxis, ein Beruf, der heute Tausende beschäftigt, wird bereits
durch die Maschine eingeschränkt und in dem Maße abgelöst, wie die Maschinen
vervollkommnet und billiger werden. Der Maschinenschreiber bringt die voll¬
gesprochenen Walzen auf seinen Apparat, hört den Inhalt Satz für Satz ab und
bringt ihn dabei gleich mittels Schreibmaschine zu Papier.

Was wollen nun die Stenographieeiferer? Sie wollen den Verkehr, der
seit neuester Zeit gefördert und erleichtert wird durch Maschinenschrift, belasten,
belästigen, verundeutlichen, erschweren durch Stenographie und zwar indem sie
behaupten, die Stenographie sei ein dringendes Bedürfnis; sie ist aber nicht nur
kein Bedürfnis, sondern es fehlen ihr auch alle Eigenschaften ein solches zu werden!

Die Forderung einer Einheitsstenogrnphie ist gestellt, weil die verschiedenen
Stenographieschulen sich streiten. Wer sind denn die Streiter? Es sind abgesehen
von den Führern die Zeitschriften, die Vereins- und Vergnügungsstenographisten.
Eine Einigung oder Einheitsschrift ist weder nützlich noch notwendig. Im
Gegenteil, gerade der Streit der Systeme hat im letzten Jahrzehnt ihre Leistungen
für die Parlamente gehoben.

Nur ein Teil der Konferenzteilnehmer hat wirklichen, tieferen Einblick in
die Bedingungen, die eine Redezeichenknnst erfüllen muß. Der Streit mit
Herren, die niemals im Parlamentskampf als Stenographen gestanden haben,
ist völlig fruchtlos. Die bloße Tatsache, daß die ersehnte Einheitsstenographie
zweien Herren soll dienen können, macht ihre Ersindbarkeit zu einem unerreich¬
baren Ideal.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/52>, abgerufen am 15.01.2025.