Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Erbschaftssteuer und Lrbrechtsreform werden. Dennoch ist es unerläßlich, im Gesamtinteresse des Staates und Wenn Schott weiter geltend macht, die Erhebung der Steuer müsse in Auch für die Änderung des Erbrechts selbst, für ein Erbrecht des Reiches, "Die Richtigkeit dieses Gedankens," ruft er aus, "ist nicht zu bestreiten Erbschaftssteuer und Lrbrechtsreform werden. Dennoch ist es unerläßlich, im Gesamtinteresse des Staates und Wenn Schott weiter geltend macht, die Erhebung der Steuer müsse in Auch für die Änderung des Erbrechts selbst, für ein Erbrecht des Reiches, „Die Richtigkeit dieses Gedankens," ruft er aus, „ist nicht zu bestreiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322903"/> <fw type="header" place="top"> Erbschaftssteuer und Lrbrechtsreform</fw><lb/> <p xml:id="ID_2508" prev="#ID_2507"> werden. Dennoch ist es unerläßlich, im Gesamtinteresse des Staates und<lb/> Reiches. Bei der Erbschaftssteuer insbesondere handelt es sich um eine Ma߬<lb/> nahme der ausgleichenden Gerechtigkeit. Die besitzenden Klassen sind in klarer<lb/> Erkenntnis der ihnen obliegenden Pflichten entschlossen, einen Teil ihres Erbes<lb/> der Gesamtheit zum Opfer zu bringen, damit die Minderbemittelten nicht immer<lb/> wieder in Anspruch genommen, sondern möglichst von drückenden Lasten befreit<lb/> werden. Das erscheint mir als ein Vorgang von hoher geschichtlicher Bedeutung,<lb/> als ein Sieg menschenfreundlicher und staatserhaltender Gesinnung über die<lb/> natürliche Selbstsucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2509"> Wenn Schott weiter geltend macht, die Erhebung der Steuer müsse in<lb/> manchen Fällen zu großer Härte führen, wie bei schwerer Erkrankung, Erwerbs¬<lb/> unfähigkeit des Erben, so muß man zugeben, daß derartige Übelstände nach<lb/> dem Hinscheiden des Gatten, des Vaters sich in höherem Grade fühlbar machen<lb/> werden, als bei anderen Steuern. Aus dieser Erwägung läßt sich indessen<lb/> nicht folgern, daß der ganze Steuergedanke ungerechtfertigt sei, sondern nur,<lb/> daß man sich bemühen muß, sür jene bedauerlichen Fälle Abhilfe zu schaffen.<lb/> Ich habe wiederholt eine Gesetzesbestimmung dahin vorgeschlagen, daß auf<lb/> Alurag in allen Fällen Stundung, Ermäßigung und nötigenfalls völlige Befreiung<lb/> von der Steuer zu bewilligen ist. in denen festgestellt wird, daß aus besonderen<lb/> Gründen die Erhebung der Erbschaftssteuer eine ungerechtfertigte Härte in sich<lb/> schließen würde. Bringt man ein solches Sicherheitsventil an, so findet das<lb/> Bedenken seine Erledigung, das oft und nicht ohne Grund gegen die Steuer<lb/> vorgebracht worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2510"> Auch für die Änderung des Erbrechts selbst, für ein Erbrecht des Reiches,<lb/> hat Schott wenig übrig, obwohl der Plan, die entfernteren Verwandten in<lb/> Ermangelung eines Testaments als Erben auszuschalten und die Reichskasse an<lb/> ihre Stelle zu setzen, auch bei den Gegnern der Erbschaftssteuer zahlreiche An¬<lb/> hänger gefunden hat. Handelt es sich doch bei diesem Vorschlag überhaupt<lb/> nicht um nahe Angehörige, sondern um entferntere Verwandte, und auch nur<lb/> dann, wenn sie nicht testamentarisch vom Erblasser eingesetzt sind. Ein grund¬<lb/> sätzlicher Gegner der Reform ist freilich auch Schott nicht. Er gibt zu, daß<lb/> es unmoralisch ist, wenn lachende Erben, die der Verstorbene nicht gekannt<lb/> und an die er nicht gedacht hat, die oft erst unter Schwierigkeiten aufgefunden<lb/> werden, plötzlich wie in der Lotterie den unverdienten Gewinn einer Erbschaft<lb/> machen, während viele fleißige Leute darben und der Staat in finanziellen<lb/> Nöten steckt; bei einer Beschränkung des Erbrechts könnten ungezählte Millionen<lb/> erübrigt und in besserer Weise zur Erfüllung sozialer Aufgaben verwendet werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2511" next="#ID_2512"> „Die Richtigkeit dieses Gedankens," ruft er aus, „ist nicht zu bestreiten<lb/> und wurde, soviel ich sehe, auch von keiner Seite bestritten." Dennoch bekämpft<lb/> er die Reform und tadelt die Regierung, daß sie den Entwurf von 1903 ein¬<lb/> gebracht habe, weil ihm das öffentliche Erbrecht zu weit ausgedehnt erscheint.<lb/> Meinerseits habe ich befürwortet, die Erbrechtsgrenze unmittelbar hinter den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
Erbschaftssteuer und Lrbrechtsreform
werden. Dennoch ist es unerläßlich, im Gesamtinteresse des Staates und
Reiches. Bei der Erbschaftssteuer insbesondere handelt es sich um eine Ma߬
nahme der ausgleichenden Gerechtigkeit. Die besitzenden Klassen sind in klarer
Erkenntnis der ihnen obliegenden Pflichten entschlossen, einen Teil ihres Erbes
der Gesamtheit zum Opfer zu bringen, damit die Minderbemittelten nicht immer
wieder in Anspruch genommen, sondern möglichst von drückenden Lasten befreit
werden. Das erscheint mir als ein Vorgang von hoher geschichtlicher Bedeutung,
als ein Sieg menschenfreundlicher und staatserhaltender Gesinnung über die
natürliche Selbstsucht.
Wenn Schott weiter geltend macht, die Erhebung der Steuer müsse in
manchen Fällen zu großer Härte führen, wie bei schwerer Erkrankung, Erwerbs¬
unfähigkeit des Erben, so muß man zugeben, daß derartige Übelstände nach
dem Hinscheiden des Gatten, des Vaters sich in höherem Grade fühlbar machen
werden, als bei anderen Steuern. Aus dieser Erwägung läßt sich indessen
nicht folgern, daß der ganze Steuergedanke ungerechtfertigt sei, sondern nur,
daß man sich bemühen muß, sür jene bedauerlichen Fälle Abhilfe zu schaffen.
Ich habe wiederholt eine Gesetzesbestimmung dahin vorgeschlagen, daß auf
Alurag in allen Fällen Stundung, Ermäßigung und nötigenfalls völlige Befreiung
von der Steuer zu bewilligen ist. in denen festgestellt wird, daß aus besonderen
Gründen die Erhebung der Erbschaftssteuer eine ungerechtfertigte Härte in sich
schließen würde. Bringt man ein solches Sicherheitsventil an, so findet das
Bedenken seine Erledigung, das oft und nicht ohne Grund gegen die Steuer
vorgebracht worden ist.
Auch für die Änderung des Erbrechts selbst, für ein Erbrecht des Reiches,
hat Schott wenig übrig, obwohl der Plan, die entfernteren Verwandten in
Ermangelung eines Testaments als Erben auszuschalten und die Reichskasse an
ihre Stelle zu setzen, auch bei den Gegnern der Erbschaftssteuer zahlreiche An¬
hänger gefunden hat. Handelt es sich doch bei diesem Vorschlag überhaupt
nicht um nahe Angehörige, sondern um entferntere Verwandte, und auch nur
dann, wenn sie nicht testamentarisch vom Erblasser eingesetzt sind. Ein grund¬
sätzlicher Gegner der Reform ist freilich auch Schott nicht. Er gibt zu, daß
es unmoralisch ist, wenn lachende Erben, die der Verstorbene nicht gekannt
und an die er nicht gedacht hat, die oft erst unter Schwierigkeiten aufgefunden
werden, plötzlich wie in der Lotterie den unverdienten Gewinn einer Erbschaft
machen, während viele fleißige Leute darben und der Staat in finanziellen
Nöten steckt; bei einer Beschränkung des Erbrechts könnten ungezählte Millionen
erübrigt und in besserer Weise zur Erfüllung sozialer Aufgaben verwendet werden.
„Die Richtigkeit dieses Gedankens," ruft er aus, „ist nicht zu bestreiten
und wurde, soviel ich sehe, auch von keiner Seite bestritten." Dennoch bekämpft
er die Reform und tadelt die Regierung, daß sie den Entwurf von 1903 ein¬
gebracht habe, weil ihm das öffentliche Erbrecht zu weit ausgedehnt erscheint.
Meinerseits habe ich befürwortet, die Erbrechtsgrenze unmittelbar hinter den
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