Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel der Wechselverkehr mit den Ländern des Balkanbundes infolge der Mora¬ Bedenklicher als diese unmittelbaren Nachteile des Krieges ist die Be¬ Die alles frühere Maß übersteigende Beschäftigung unserer Montanindustrie Reichsspiegel der Wechselverkehr mit den Ländern des Balkanbundes infolge der Mora¬ Bedenklicher als diese unmittelbaren Nachteile des Krieges ist die Be¬ Die alles frühere Maß übersteigende Beschäftigung unserer Montanindustrie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322897"/> <fw type="header" place="top"> Reichsspiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2494" prev="#ID_2493"> der Wechselverkehr mit den Ländern des Balkanbundes infolge der Mora¬<lb/> torien gestört und die Lage der Gläubiger gefährdet ist. Denn nach geltendem<lb/> Recht wird der Protest eines fälligen Wechsels durch das Moratorium ver¬<lb/> hindert, während der Regreß gegen den inländischen Wechselverpflichteten, für<lb/> den das Moratorium nicht gilt, von der Beibringung des Protestes abhängig<lb/> ist und in der Frist von wenigen Monaten verjährt. Der Wechselgläubiger ist<lb/> also in einer prekären Lage. Österreich-Ungarn will durch ein Notgesetz helfen,<lb/> indem es im Einklang mit den Beschlüssen der Haager internationalen<lb/> Wechselkonferenz den Gläubiger von der Beibringung des Protestes ent¬<lb/> bindet und den Regreß aufrecht erhält. Ein gleiches Vorgehen haben für<lb/> Deutschland die Ältesten der Kaufmannschaft zu Berlin bei der Reichsregierung<lb/> in Antrag gebracht und es steht zu hoffen, daß diesem Antrage, für den alle<lb/> Gründe der Billigkeit und des Rechtes sprechen, alsbald stattgegeben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2495"> Bedenklicher als diese unmittelbaren Nachteile des Krieges ist die Be¬<lb/> unruhigung, von der angesichts der politischen Unsicherheit die kleinen Sparer<lb/> ergriffen sind. Wie zuzeiten der Marokkoaffäre drängen sich wieder die Ein¬<lb/> leger an den Schaltern der Sparkassen, besonders in Ostpreußen und Schlesien,<lb/> und fordern aus Furcht vor feindlicher Invasion ihre Spargroschen zurück, um<lb/> sie nach Väter Sitte im Strumpf verschwinden zu lassen. Ein Beruhigungs¬<lb/> telegramm des Reichskanzlers an den Oberpräsidenten von Ostpreußen<lb/> mußte dazu dienen, diese übergroße Ängstlichkeit der kleinen Leute zu ver¬<lb/> scheuchen. Ähnliches wird auch wieder aus Frankreich gemeldet. Dieses Ver¬<lb/> halten des Sparpublikums in kritischer Zeit beweist, wie dringend erforderlich<lb/> es ist, sür die Liquidität der Sparkassen besser zu sorgen als es bisher geschehen<lb/> ist. Denn was soll geschehen, wenn einmal wirklich der Feind an den Grenzen<lb/> steht? Es war in der Tat hohe Zeit, das Gesetz über die Anlagen der<lb/> Sparkassen, dieses so viel umstrittene und so angefochtene, in den Hafen zu<lb/> bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2496" next="#ID_2497"> Die alles frühere Maß übersteigende Beschäftigung unserer Montanindustrie<lb/> hat zu schweren Verkehrsstockungen im Ruhrgebiet geführt. Alljährlich, wenn<lb/> der lebhaftere Geschäftsgang der Herbstmonate einsetzt und zugleich die Land¬<lb/> wirtschaft für Nübentransporte erhöhte Ansprüche an den Frachtverkehr stellt,<lb/> pflegt im Jndustrierevier ein Wagenmangel aufzutreten. Die Eisenbahn¬<lb/> verwaltung kann nicht so viel leere Güterwagen stellen, als von den Zechen<lb/> täglich für den Kohlenversand angefordert werden. Dies wird von der Industrie<lb/> stets als ein schwerer Mißstand empfunden, denn die Kohlenförderung ist auf<lb/> sofortige Verladung eingestellt. Ein Lagern der Kohle bedeutet eine Einbuße<lb/> an Arbeit, Zeit, Geld und Qualität und kann bei bedeutender Förderung auch<lb/> schon aus räumlichen Gründen nicht erfolgen. Kann daher die tägliche Förde¬<lb/> rung nicht zum Versand gebracht werden, so müssen die Zechen sie einschränken<lb/> oder einstellen. Das bedeutet natürlich eine gewaltige Einbuße an Absatz und<lb/> Gewinn, an der auch die Bergarbeiter durch Lohnausfall stark beteiligt sind.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
Reichsspiegel
der Wechselverkehr mit den Ländern des Balkanbundes infolge der Mora¬
torien gestört und die Lage der Gläubiger gefährdet ist. Denn nach geltendem
Recht wird der Protest eines fälligen Wechsels durch das Moratorium ver¬
hindert, während der Regreß gegen den inländischen Wechselverpflichteten, für
den das Moratorium nicht gilt, von der Beibringung des Protestes abhängig
ist und in der Frist von wenigen Monaten verjährt. Der Wechselgläubiger ist
also in einer prekären Lage. Österreich-Ungarn will durch ein Notgesetz helfen,
indem es im Einklang mit den Beschlüssen der Haager internationalen
Wechselkonferenz den Gläubiger von der Beibringung des Protestes ent¬
bindet und den Regreß aufrecht erhält. Ein gleiches Vorgehen haben für
Deutschland die Ältesten der Kaufmannschaft zu Berlin bei der Reichsregierung
in Antrag gebracht und es steht zu hoffen, daß diesem Antrage, für den alle
Gründe der Billigkeit und des Rechtes sprechen, alsbald stattgegeben wird.
Bedenklicher als diese unmittelbaren Nachteile des Krieges ist die Be¬
unruhigung, von der angesichts der politischen Unsicherheit die kleinen Sparer
ergriffen sind. Wie zuzeiten der Marokkoaffäre drängen sich wieder die Ein¬
leger an den Schaltern der Sparkassen, besonders in Ostpreußen und Schlesien,
und fordern aus Furcht vor feindlicher Invasion ihre Spargroschen zurück, um
sie nach Väter Sitte im Strumpf verschwinden zu lassen. Ein Beruhigungs¬
telegramm des Reichskanzlers an den Oberpräsidenten von Ostpreußen
mußte dazu dienen, diese übergroße Ängstlichkeit der kleinen Leute zu ver¬
scheuchen. Ähnliches wird auch wieder aus Frankreich gemeldet. Dieses Ver¬
halten des Sparpublikums in kritischer Zeit beweist, wie dringend erforderlich
es ist, sür die Liquidität der Sparkassen besser zu sorgen als es bisher geschehen
ist. Denn was soll geschehen, wenn einmal wirklich der Feind an den Grenzen
steht? Es war in der Tat hohe Zeit, das Gesetz über die Anlagen der
Sparkassen, dieses so viel umstrittene und so angefochtene, in den Hafen zu
bringen.
Die alles frühere Maß übersteigende Beschäftigung unserer Montanindustrie
hat zu schweren Verkehrsstockungen im Ruhrgebiet geführt. Alljährlich, wenn
der lebhaftere Geschäftsgang der Herbstmonate einsetzt und zugleich die Land¬
wirtschaft für Nübentransporte erhöhte Ansprüche an den Frachtverkehr stellt,
pflegt im Jndustrierevier ein Wagenmangel aufzutreten. Die Eisenbahn¬
verwaltung kann nicht so viel leere Güterwagen stellen, als von den Zechen
täglich für den Kohlenversand angefordert werden. Dies wird von der Industrie
stets als ein schwerer Mißstand empfunden, denn die Kohlenförderung ist auf
sofortige Verladung eingestellt. Ein Lagern der Kohle bedeutet eine Einbuße
an Arbeit, Zeit, Geld und Qualität und kann bei bedeutender Förderung auch
schon aus räumlichen Gründen nicht erfolgen. Kann daher die tägliche Förde¬
rung nicht zum Versand gebracht werden, so müssen die Zechen sie einschränken
oder einstellen. Das bedeutet natürlich eine gewaltige Einbuße an Absatz und
Gewinn, an der auch die Bergarbeiter durch Lohnausfall stark beteiligt sind.
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