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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Bundesratsverordnung verwiesen. Die Er¬
läuterungen, insbesondere die zur BundeS-
ratsverordnung, geben in dankenswerter
Weise auch Aufschluß über technische Fragen,
die dem Nichtfachmann nicht immer geläufig
sein werden. Vielleicht empfiehlt es sich bei
einer Neuauflage des Werks auch die Vor¬
schriften des Strafgesetzbuchs über fahrlässige
Körperverletzung und Tötung zu kommentieren
und hierbei die den Automobilverkehr be¬
treffenden strafrechtlichen Entscheidungen über
Fahrlässigkeit und ursächlichen Zusammenhang
auch unter diesem Gesichtspunkt zusammenzu¬
stellen.

Der Kommentar ist geeignet, dem Richter
und Verwaltungsbeamten wie dem Anwalt
und gebildeten Laien ein zuverlässiger Führer
zu sein.

Landrichter Simo
Philosophie

DaS Erscheinen der zweiten vervollstän¬
digten Auflage der Reden von Emil Dn Bois-
Reymond in zwei Bänden (Verlag von Veit
u. Co., Leipzig 1912) rückt die Gestalt des
großen Physiologen, der trotz seiner fremd¬
ländischen Abstammung unser war, wieder vor
die Seele derer, die abseits von der speziellen
wissenschaftlichen Arbeit stehend, den Klang
der Namen stiller Forscher nur selten ver¬
nehmen. Emil Du Bois-ReymondI Wem
wäre der Name dieses Mannes fremd ge¬
blieben, als er vor vierzig Jahren in der
Versammlung Deutscher Naturforscher und
Arzte sein "JgnorabimuS" sprach, das zum
geflügelten Worte wurde. Was Materie und
Kraft find, wie sie zu denken vermögen, werden
Wir niemals erkennen, hatte er damals ver¬
kündet und im Anschluß an diese Rede "über
die Grenzen des Naturerkennens", die später
durch eine andere verwandten Inhalts über
"die sieben Welträtsel" ergänzt wurde, hatte
sich eine Diskussion entwickelt, die weit über
die Gelehrtenkreise hinaus lebhaftes Interesse
erregte. Jenes Bekenntnis hatte Du Bois-
Reymond vorteilhaft von der dogmatischen
Zuversicht der Materialisten unterschieden, und
der Materialismus war, da er Unbegreifbar-
keit bekannte, von einer Philosophie zu einem
naturwissenschaftlichen Prinzip herabgesunken.
Das Banner der exakten Forschung, die jeg¬

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lichen transzendenten Einschlag ablehnt, hoch¬
zuhalten, hat Du Bois-Reymond niemals
versäumt und wir können uns davon auch
aus seinen "Reden" überzeugen. Wir brauchen
nur seine Ausführungen über die "Lebens¬
kraft" oder den "Neo-Vitalismus" aufzu¬
schlagen, wo er sogar in recht extremer Weise
der mechanischen Naturerklärung das Wort
redet. Mag manches von dem, was Du Bois-
Reymond in seinen "Reden" niedergelegt hat,
von der Wissenschaft des heutigen Tages über¬
holt und widerlegt worden sein, -- eins werden
wir immer staunend bewundern: die Reg¬
samkeit des Geistes, der zu uns spricht, die
Vielseitigkeit und Gründlichkeit der hier ge¬
offenbarten Arbeit. Derselbe Mann, der in
das Lebenswerk eines Johannes Müller und
eines Hermann Helmholtz eingedrungen ist
und es uns lebhaft vor Augen zu führen weiß,
sucht auch Voltaire, Lamettrie, Maupertins,
Diderot sowie vielen anderen, die seinem eigent¬
lichen Forschungsgebiet fern stehen, gerecht zu
werden und schlägt den Leser in seinen Bann.
Und derselbe Mann weiß über das National¬
gefühl, oder über die Beziehungen der Natur¬
wissenschaft zur bildenden Kunst, über den
deutschen Krieg, über Universitätseinrichtungen,
sowie andere Fragen des öffentlichen Lebens
und der Geschichte fesselnde Worte in glän¬
zender Form zu sagen.

Die neue Ausgabe der "Reden" ist gegen
die erste, die, noch von Du Bois-Reymond
selbst besorgt, seit Jahren vergriffen und im
Buchhandel kaum erhältlich ist, um sechs Reden
und zehn akademische Ansprachen bereichert
worden, die aus der Zeit 1887 bis 189S
stammen. Überdies enthält der erste Band
die Gedächtnisrede auf Du Bois-Reymond,
die der Erlanger Professor Rosenthal in der
Physikalischen und physiologischen Gesellschaft
zu Berlin gehalten hat. Rosenthal feierte
Du Bois-Reymond damals als den letzten
derer, welche um die Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts der experimentellen Naturwissen¬
schaft neue Bahnen eröffneten.

ES ist dankbar zu begrüßen, daß Du Bois-
Reymonds Tochter, Estelle Du Bois ° Rey¬
mond, die "Reden", die zum großen Teil in
der Akademie der Wissenschaften gehalten
Wurden, in der vorliegenden Ausgabe weiten
Kreisen wieder zugänglich gemacht hat und

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Bundesratsverordnung verwiesen. Die Er¬
läuterungen, insbesondere die zur BundeS-
ratsverordnung, geben in dankenswerter
Weise auch Aufschluß über technische Fragen,
die dem Nichtfachmann nicht immer geläufig
sein werden. Vielleicht empfiehlt es sich bei
einer Neuauflage des Werks auch die Vor¬
schriften des Strafgesetzbuchs über fahrlässige
Körperverletzung und Tötung zu kommentieren
und hierbei die den Automobilverkehr be¬
treffenden strafrechtlichen Entscheidungen über
Fahrlässigkeit und ursächlichen Zusammenhang
auch unter diesem Gesichtspunkt zusammenzu¬
stellen.

Der Kommentar ist geeignet, dem Richter
und Verwaltungsbeamten wie dem Anwalt
und gebildeten Laien ein zuverlässiger Führer
zu sein.

Landrichter Simo
Philosophie

DaS Erscheinen der zweiten vervollstän¬
digten Auflage der Reden von Emil Dn Bois-
Reymond in zwei Bänden (Verlag von Veit
u. Co., Leipzig 1912) rückt die Gestalt des
großen Physiologen, der trotz seiner fremd¬
ländischen Abstammung unser war, wieder vor
die Seele derer, die abseits von der speziellen
wissenschaftlichen Arbeit stehend, den Klang
der Namen stiller Forscher nur selten ver¬
nehmen. Emil Du Bois-ReymondI Wem
wäre der Name dieses Mannes fremd ge¬
blieben, als er vor vierzig Jahren in der
Versammlung Deutscher Naturforscher und
Arzte sein „JgnorabimuS" sprach, das zum
geflügelten Worte wurde. Was Materie und
Kraft find, wie sie zu denken vermögen, werden
Wir niemals erkennen, hatte er damals ver¬
kündet und im Anschluß an diese Rede „über
die Grenzen des Naturerkennens", die später
durch eine andere verwandten Inhalts über
„die sieben Welträtsel" ergänzt wurde, hatte
sich eine Diskussion entwickelt, die weit über
die Gelehrtenkreise hinaus lebhaftes Interesse
erregte. Jenes Bekenntnis hatte Du Bois-
Reymond vorteilhaft von der dogmatischen
Zuversicht der Materialisten unterschieden, und
der Materialismus war, da er Unbegreifbar-
keit bekannte, von einer Philosophie zu einem
naturwissenschaftlichen Prinzip herabgesunken.
Das Banner der exakten Forschung, die jeg¬

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lichen transzendenten Einschlag ablehnt, hoch¬
zuhalten, hat Du Bois-Reymond niemals
versäumt und wir können uns davon auch
aus seinen „Reden" überzeugen. Wir brauchen
nur seine Ausführungen über die „Lebens¬
kraft" oder den „Neo-Vitalismus" aufzu¬
schlagen, wo er sogar in recht extremer Weise
der mechanischen Naturerklärung das Wort
redet. Mag manches von dem, was Du Bois-
Reymond in seinen „Reden" niedergelegt hat,
von der Wissenschaft des heutigen Tages über¬
holt und widerlegt worden sein, — eins werden
wir immer staunend bewundern: die Reg¬
samkeit des Geistes, der zu uns spricht, die
Vielseitigkeit und Gründlichkeit der hier ge¬
offenbarten Arbeit. Derselbe Mann, der in
das Lebenswerk eines Johannes Müller und
eines Hermann Helmholtz eingedrungen ist
und es uns lebhaft vor Augen zu führen weiß,
sucht auch Voltaire, Lamettrie, Maupertins,
Diderot sowie vielen anderen, die seinem eigent¬
lichen Forschungsgebiet fern stehen, gerecht zu
werden und schlägt den Leser in seinen Bann.
Und derselbe Mann weiß über das National¬
gefühl, oder über die Beziehungen der Natur¬
wissenschaft zur bildenden Kunst, über den
deutschen Krieg, über Universitätseinrichtungen,
sowie andere Fragen des öffentlichen Lebens
und der Geschichte fesselnde Worte in glän¬
zender Form zu sagen.

Die neue Ausgabe der „Reden" ist gegen
die erste, die, noch von Du Bois-Reymond
selbst besorgt, seit Jahren vergriffen und im
Buchhandel kaum erhältlich ist, um sechs Reden
und zehn akademische Ansprachen bereichert
worden, die aus der Zeit 1887 bis 189S
stammen. Überdies enthält der erste Band
die Gedächtnisrede auf Du Bois-Reymond,
die der Erlanger Professor Rosenthal in der
Physikalischen und physiologischen Gesellschaft
zu Berlin gehalten hat. Rosenthal feierte
Du Bois-Reymond damals als den letzten
derer, welche um die Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts der experimentellen Naturwissen¬
schaft neue Bahnen eröffneten.

ES ist dankbar zu begrüßen, daß Du Bois-
Reymonds Tochter, Estelle Du Bois ° Rey¬
mond, die „Reden", die zum großen Teil in
der Akademie der Wissenschaften gehalten
Wurden, in der vorliegenden Ausgabe weiten
Kreisen wieder zugänglich gemacht hat und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/488>, abgerufen am 15.01.2025.