Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Hemmnisse innerer Kolonisation Diener und Beamte sowie die erforderliche Zahl von Arbeitern, gegen Auferlegung Hemmnisse innerer Kolonisation Diener und Beamte sowie die erforderliche Zahl von Arbeitern, gegen Auferlegung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322859"/> <fw type="header" place="top"> Hemmnisse innerer Kolonisation</fw><lb/> <p xml:id="ID_2299" prev="#ID_2298"> Diener und Beamte sowie die erforderliche Zahl von Arbeitern, gegen Auferlegung<lb/> einer jährlichen Grundrente, auf eigener Scholle sich ansiedeln zu lassen. Eventuell<lb/> kann ihnen dies bezüglich ihrer Arbeiter durch Gesetz vorgeschrieben werden.<lb/> Sie werden voraussichtlich dadurch mehr Einnahmen haben, als durch den Rein¬<lb/> ertrag, den ihnen diese abgeschriebenen Flächen vorher gebracht haben. Ja, ich<lb/> halte es für wahrscheinlich, daß, wenn man obiges Gesetz auch auf die Ab¬<lb/> schreibung von Kossätenstellen, also Wirtschaften von vielleicht bis 10 Hektar<lb/> Umfang, ausdehnen wollte, dann die einzelnen Fideikommißherrschaften Teile<lb/> ihrer Güter in derartige Wirtschaften umwandeln werden; sie erhielten dann<lb/> viel leichter und zuverlässiger die jährlichen Einkünfte als jetzt. Sind doch die<lb/> Landlords, denen das Gebiet von London gehört, ähnlich vorgegangen. Sie<lb/> haben die in der Stadt gelegenen Flächen in Erbbaurecht gegeben und ziehen<lb/> ihre Grundrenten von den Erobauberechtigten ein. Meine Vorschlüge unter¬<lb/> scheiden sich allerdings von dem englischen Rechtszustand dadurch, daß nach<lb/> meiner Ansicht der Ansiedler ein volles Eigentum erlangen muß, nicht bloß ein<lb/> solches, welches nach Ablauf von bestimmten Jahren (in England nach neun¬<lb/> undneunzig Jahren) wieder an den Grundherrn zurückfällt. Wie die Geschichte<lb/> uns lehrt, wird dieser Rückfall an den Grundherrn doch auf die Dauer nicht<lb/> durchgeführt. Er führt allmählich zum vollen Eigentum. Jedenfalls sind die<lb/> Erbpachtverhältnisse, die in früheren Jahrhunderten in Preußen geschaffen worden<lb/> sind, durch die seit 1848 einsetzende Gesetzgebung in volles Eigentum verwandelt<lb/> worden. Ähnliches ist in anderen Ländern geschehen. Nimmt man also die<lb/> Lehren der Geschichte sich zur Richtschnur, so kann es sich, wenn man die An-<lb/> siedlungen fördern will, nur um Überlassung zu freiem vollen Eigentum handeln<lb/> und darf nur die Auferlegung einer Grundrente zugelassen werden, die, wie<lb/> das Bürgerliche Gesetzbuch in Z 1202 Abs. 2 vorschreibt, seitens des Ver¬<lb/> pflichteten nach längstens dreißig Jahren gegen eine Kapitalzahlung abgelöst<lb/> werden kann. Diese Frist ist für Preußen auf zwanzig Jahre herabgesetzt. — —<lb/> Im vorstehenden ist nur die Beseitigung der für Ansiedlungen zurzeit noch<lb/> bestehenden rechtlichen Hindernisse erörtert. Daß daneben noch vielfache Schritte<lb/> zu unternehmen sind, um die Ansiedlungen ganz allgemein zu fördern, ist<lb/> selbstverständlich. Es ist eine ungeheure mosaikartige Kleinarbeit zu leisten, —<lb/> an hundert Punkten sind die Hebel anzusetzen, soll etwas Ersprießliches, Dauerndes<lb/> geleistet werden. Insbesondere dürften zur Kapitalbeschaffung in jeder Provinz<lb/> Pfandbriesinstitute für Häuser nach dem Vorbilde des Berliner Pfandbriefamts<lb/> ins Leben zu rufen sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0457]
Hemmnisse innerer Kolonisation
Diener und Beamte sowie die erforderliche Zahl von Arbeitern, gegen Auferlegung
einer jährlichen Grundrente, auf eigener Scholle sich ansiedeln zu lassen. Eventuell
kann ihnen dies bezüglich ihrer Arbeiter durch Gesetz vorgeschrieben werden.
Sie werden voraussichtlich dadurch mehr Einnahmen haben, als durch den Rein¬
ertrag, den ihnen diese abgeschriebenen Flächen vorher gebracht haben. Ja, ich
halte es für wahrscheinlich, daß, wenn man obiges Gesetz auch auf die Ab¬
schreibung von Kossätenstellen, also Wirtschaften von vielleicht bis 10 Hektar
Umfang, ausdehnen wollte, dann die einzelnen Fideikommißherrschaften Teile
ihrer Güter in derartige Wirtschaften umwandeln werden; sie erhielten dann
viel leichter und zuverlässiger die jährlichen Einkünfte als jetzt. Sind doch die
Landlords, denen das Gebiet von London gehört, ähnlich vorgegangen. Sie
haben die in der Stadt gelegenen Flächen in Erbbaurecht gegeben und ziehen
ihre Grundrenten von den Erobauberechtigten ein. Meine Vorschlüge unter¬
scheiden sich allerdings von dem englischen Rechtszustand dadurch, daß nach
meiner Ansicht der Ansiedler ein volles Eigentum erlangen muß, nicht bloß ein
solches, welches nach Ablauf von bestimmten Jahren (in England nach neun¬
undneunzig Jahren) wieder an den Grundherrn zurückfällt. Wie die Geschichte
uns lehrt, wird dieser Rückfall an den Grundherrn doch auf die Dauer nicht
durchgeführt. Er führt allmählich zum vollen Eigentum. Jedenfalls sind die
Erbpachtverhältnisse, die in früheren Jahrhunderten in Preußen geschaffen worden
sind, durch die seit 1848 einsetzende Gesetzgebung in volles Eigentum verwandelt
worden. Ähnliches ist in anderen Ländern geschehen. Nimmt man also die
Lehren der Geschichte sich zur Richtschnur, so kann es sich, wenn man die An-
siedlungen fördern will, nur um Überlassung zu freiem vollen Eigentum handeln
und darf nur die Auferlegung einer Grundrente zugelassen werden, die, wie
das Bürgerliche Gesetzbuch in Z 1202 Abs. 2 vorschreibt, seitens des Ver¬
pflichteten nach längstens dreißig Jahren gegen eine Kapitalzahlung abgelöst
werden kann. Diese Frist ist für Preußen auf zwanzig Jahre herabgesetzt. — —
Im vorstehenden ist nur die Beseitigung der für Ansiedlungen zurzeit noch
bestehenden rechtlichen Hindernisse erörtert. Daß daneben noch vielfache Schritte
zu unternehmen sind, um die Ansiedlungen ganz allgemein zu fördern, ist
selbstverständlich. Es ist eine ungeheure mosaikartige Kleinarbeit zu leisten, —
an hundert Punkten sind die Hebel anzusetzen, soll etwas Ersprießliches, Dauerndes
geleistet werden. Insbesondere dürften zur Kapitalbeschaffung in jeder Provinz
Pfandbriesinstitute für Häuser nach dem Vorbilde des Berliner Pfandbriefamts
ins Leben zu rufen sein.
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