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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Hemmnisse innerer Kolonisation

In einer von ihnen wird er sicher hängen bleiben und zwar recht lange dann,
wenn er gerade keinen ihm wohlwollenden Amtsvorsteher trifft. Bei einem
solchen Gesetzeszustand gibt es für die private aus eigener Initiative betriebene
Ansiedlung des kleinen Mannes auf dem Lande keinen Raum. Da ist das
Bauen in größeren Städten erheblich leichter.- da gibt es einen Bebauungs¬
plan -- also ist die Ansiedlungsgenehmigung überflüssig --, da sind ganze
Straßensysteme von weitblickenden, nach Vergrößerung strebenden Städten schon
im voraus fertiggestellt, so daß man ohne weiteres daran sich aufbauen kann.
Angesichts dieses gesetzlichen Zustandes braucht man sich auch nicht über die
Tatsache zu wundern, daß Neubauten vorzüglich in unseren Städten erfolgen,
wenn nicht auch noch andere Gründe für die Erscheinung vorhanden wären.

Noch nachteiliger für Neuansiedlungen auf dem Lande wirkt der Umstand,
daß unsere Grundstücke auch auf dem Lande meist reich an Hypotheken sind
und der Gutsbesitzer einen Morgen seinem Kutscher, der sich anbauen will,
nicht zu eigen auslassen kann, weil er die Genehmigung seiner Hypotheken¬
gläubiger dazu nicht zu erlangen vermag. Dazu kommt, daß. wenn eine solche
Entpfändungserklärung von einem Hypothekengläubiger abgegeben werden soll,
zuvor der Katasterbeamte aus der Kreisstadt kommen und für den Morgen eine
besondere Handzeichnung fertigen oder richtiger ihn in das Kataster aufnehmen
und an Ort und Stelle vermessen und versteinen muß. Alles dies erfordert
recht viel Zeit, Verdruß und Umstände, ganz abgesehen von den Kosten. Auch
hier muß Wandel geschaffen werden. Es ginge sehr wohl an, die Genehmigung
der Hypothekengläubiger durch ein Unschädlichkeitsattest seitens der Behörde zu
ersetzen. Es fragt sich nur, wi? dies zu bewerkstelligen wäre, ohne daß die
Sicherheit der Hypothekengläubiger darunter litte.

Dr. Schiele-Naumburg, der für die Erleichterung von Neuansiedlungen
unermüdlich tätig ist, schlägt vor, jedem Gutsbesitzer die Abschreibung von einem
Fünfzigste! seiner Gutsfläche ohne Befragung der Hypothekengläubiger zu ge¬
nehmigen, sofern auf der abgeschriebenen Fläche eine Ansiedlung erfolgt. Denn
durch diese Neuansiedlung und die dort wohnenden Menschen (Arbeitskraft)
würde das Restgut im Wert gesteigert, so daß eine Gefahr für die Hypotheken-
gläubiger nicht bestehe.

Ich gehe soweit nicht. Ich meine, man könnte die Rechte der Hypotheken-
gläubiger noch besser dadurch wahren, daß man die pfandfreie Abschreibung
überhaupt nur bei einem Rentenkauf zuläßt. Wenn also der Gutsbesitzer sich
für die Parzelle kein Kapital, sondern nur eine Rente ausbedinge, die als
Rentenlast auf der abgeschriebenen Parzelle an erster Stelle eingetragen wird
und auf dem Gute auf dem Titel des Grundbuchblattes als Zubehör vermerkt
wird, so werden die Hypothekengläubiger voraussichtlich von da ab sogar ein
besseres Pfand besitzen, denn die Rente wird meist mehr betragen, als dÄ



*) Schriften des Zentralverbandes der Haus- und Grundbesitzervereine g, Heft, Is. Band.
Hemmnisse innerer Kolonisation

In einer von ihnen wird er sicher hängen bleiben und zwar recht lange dann,
wenn er gerade keinen ihm wohlwollenden Amtsvorsteher trifft. Bei einem
solchen Gesetzeszustand gibt es für die private aus eigener Initiative betriebene
Ansiedlung des kleinen Mannes auf dem Lande keinen Raum. Da ist das
Bauen in größeren Städten erheblich leichter.- da gibt es einen Bebauungs¬
plan — also ist die Ansiedlungsgenehmigung überflüssig —, da sind ganze
Straßensysteme von weitblickenden, nach Vergrößerung strebenden Städten schon
im voraus fertiggestellt, so daß man ohne weiteres daran sich aufbauen kann.
Angesichts dieses gesetzlichen Zustandes braucht man sich auch nicht über die
Tatsache zu wundern, daß Neubauten vorzüglich in unseren Städten erfolgen,
wenn nicht auch noch andere Gründe für die Erscheinung vorhanden wären.

Noch nachteiliger für Neuansiedlungen auf dem Lande wirkt der Umstand,
daß unsere Grundstücke auch auf dem Lande meist reich an Hypotheken sind
und der Gutsbesitzer einen Morgen seinem Kutscher, der sich anbauen will,
nicht zu eigen auslassen kann, weil er die Genehmigung seiner Hypotheken¬
gläubiger dazu nicht zu erlangen vermag. Dazu kommt, daß. wenn eine solche
Entpfändungserklärung von einem Hypothekengläubiger abgegeben werden soll,
zuvor der Katasterbeamte aus der Kreisstadt kommen und für den Morgen eine
besondere Handzeichnung fertigen oder richtiger ihn in das Kataster aufnehmen
und an Ort und Stelle vermessen und versteinen muß. Alles dies erfordert
recht viel Zeit, Verdruß und Umstände, ganz abgesehen von den Kosten. Auch
hier muß Wandel geschaffen werden. Es ginge sehr wohl an, die Genehmigung
der Hypothekengläubiger durch ein Unschädlichkeitsattest seitens der Behörde zu
ersetzen. Es fragt sich nur, wi? dies zu bewerkstelligen wäre, ohne daß die
Sicherheit der Hypothekengläubiger darunter litte.

Dr. Schiele-Naumburg, der für die Erleichterung von Neuansiedlungen
unermüdlich tätig ist, schlägt vor, jedem Gutsbesitzer die Abschreibung von einem
Fünfzigste! seiner Gutsfläche ohne Befragung der Hypothekengläubiger zu ge¬
nehmigen, sofern auf der abgeschriebenen Fläche eine Ansiedlung erfolgt. Denn
durch diese Neuansiedlung und die dort wohnenden Menschen (Arbeitskraft)
würde das Restgut im Wert gesteigert, so daß eine Gefahr für die Hypotheken-
gläubiger nicht bestehe.

Ich gehe soweit nicht. Ich meine, man könnte die Rechte der Hypotheken-
gläubiger noch besser dadurch wahren, daß man die pfandfreie Abschreibung
überhaupt nur bei einem Rentenkauf zuläßt. Wenn also der Gutsbesitzer sich
für die Parzelle kein Kapital, sondern nur eine Rente ausbedinge, die als
Rentenlast auf der abgeschriebenen Parzelle an erster Stelle eingetragen wird
und auf dem Gute auf dem Titel des Grundbuchblattes als Zubehör vermerkt
wird, so werden die Hypothekengläubiger voraussichtlich von da ab sogar ein
besseres Pfand besitzen, denn die Rente wird meist mehr betragen, als dÄ



*) Schriften des Zentralverbandes der Haus- und Grundbesitzervereine g, Heft, Is. Band.
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[0454] Hemmnisse innerer Kolonisation In einer von ihnen wird er sicher hängen bleiben und zwar recht lange dann, wenn er gerade keinen ihm wohlwollenden Amtsvorsteher trifft. Bei einem solchen Gesetzeszustand gibt es für die private aus eigener Initiative betriebene Ansiedlung des kleinen Mannes auf dem Lande keinen Raum. Da ist das Bauen in größeren Städten erheblich leichter.- da gibt es einen Bebauungs¬ plan — also ist die Ansiedlungsgenehmigung überflüssig —, da sind ganze Straßensysteme von weitblickenden, nach Vergrößerung strebenden Städten schon im voraus fertiggestellt, so daß man ohne weiteres daran sich aufbauen kann. Angesichts dieses gesetzlichen Zustandes braucht man sich auch nicht über die Tatsache zu wundern, daß Neubauten vorzüglich in unseren Städten erfolgen, wenn nicht auch noch andere Gründe für die Erscheinung vorhanden wären. Noch nachteiliger für Neuansiedlungen auf dem Lande wirkt der Umstand, daß unsere Grundstücke auch auf dem Lande meist reich an Hypotheken sind und der Gutsbesitzer einen Morgen seinem Kutscher, der sich anbauen will, nicht zu eigen auslassen kann, weil er die Genehmigung seiner Hypotheken¬ gläubiger dazu nicht zu erlangen vermag. Dazu kommt, daß. wenn eine solche Entpfändungserklärung von einem Hypothekengläubiger abgegeben werden soll, zuvor der Katasterbeamte aus der Kreisstadt kommen und für den Morgen eine besondere Handzeichnung fertigen oder richtiger ihn in das Kataster aufnehmen und an Ort und Stelle vermessen und versteinen muß. Alles dies erfordert recht viel Zeit, Verdruß und Umstände, ganz abgesehen von den Kosten. Auch hier muß Wandel geschaffen werden. Es ginge sehr wohl an, die Genehmigung der Hypothekengläubiger durch ein Unschädlichkeitsattest seitens der Behörde zu ersetzen. Es fragt sich nur, wi? dies zu bewerkstelligen wäre, ohne daß die Sicherheit der Hypothekengläubiger darunter litte. Dr. Schiele-Naumburg, der für die Erleichterung von Neuansiedlungen unermüdlich tätig ist, schlägt vor, jedem Gutsbesitzer die Abschreibung von einem Fünfzigste! seiner Gutsfläche ohne Befragung der Hypothekengläubiger zu ge¬ nehmigen, sofern auf der abgeschriebenen Fläche eine Ansiedlung erfolgt. Denn durch diese Neuansiedlung und die dort wohnenden Menschen (Arbeitskraft) würde das Restgut im Wert gesteigert, so daß eine Gefahr für die Hypotheken- gläubiger nicht bestehe. Ich gehe soweit nicht. Ich meine, man könnte die Rechte der Hypotheken- gläubiger noch besser dadurch wahren, daß man die pfandfreie Abschreibung überhaupt nur bei einem Rentenkauf zuläßt. Wenn also der Gutsbesitzer sich für die Parzelle kein Kapital, sondern nur eine Rente ausbedinge, die als Rentenlast auf der abgeschriebenen Parzelle an erster Stelle eingetragen wird und auf dem Gute auf dem Titel des Grundbuchblattes als Zubehör vermerkt wird, so werden die Hypothekengläubiger voraussichtlich von da ab sogar ein besseres Pfand besitzen, denn die Rente wird meist mehr betragen, als dÄ *) Schriften des Zentralverbandes der Haus- und Grundbesitzervereine g, Heft, Is. Band.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/454>, abgerufen am 15.01.2025.