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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

sein werde, vielfache Fragen zu stellen, welche seinen Kollegen überflüssig scheinen
könnten. Er hob dabei insonderheit hervor, daß nach Spezialinstruktion, die
seine Regierung ihm erteilt, auf ihm eine Verantwortlichkeit für den Inhalt des
Firmans selbst ruhen könne, und er daher entschiedener Erklärungen bedürfen
werde, daß ihm keine Gelegenheit und kein Recht zugestanden worden sei, seine
Stimme hierbei geltend zu machen.

In dieser Hinsicht hatte mir Sir Henry Bulwer allerdings vertraulich und
im allgemeinen schon vorher eröffnet, daß seine Regierung Lord Stratford
angewiesen hatte, dafür zu sorgen, daß der britische Kommissär und mit ihm
die übrigen Kommissäre der Mächte zur Teilnahme an der Diskussion des
Firmans zugezogen würden, und daß seine Regierung gegen ihn selbst voraus¬
gesetzt habe, daß man den Firman nicht ohne Zuziehung und Anhörung der
Kommissäre redigieren werde, und jetzt hat mir derselbe die ihm in Abschrift
mitgeteilte Depesche der englischen Regierung an Lord Stratford zu lesen
gegeben, welche in dieser Hinsicht allerdings die positivsten Befehle und eine
weitläufige Auseinandersetzung der Gründe enthält, weshalb die englische
Regierung dieses für wünschenswert halten müsse.

Wie die Sache hiernach lag, und da ähnliche vertrauliche Mitteilungen
von Sir Henry Bulwer in mehr oder weniger umfassender Weise bereits auch
meinen Kollegen gemacht worden waren, so konnten wir ihm nur sagen, daß
wir uns in dieser Hinsicht insofern auf einem anderen Standpunkt befänden,
als unsere Regierungen uns eine Mitverantwortung für den Inhalt des Firmans
nicht aufgelegt hätten, und daß wir uns daher auch nicht berechtigt glaubten,
andere als einige erläuternde Auskünfte zu verlangen, die im ganzen nur auf
eine Wiederholung der Erklärungen hinausliefen, welche die Pforte bereits den
Repräsentanten selbst gegeben habe, z. B. über die Zulässigkeit der Diskussion
der Unionsfrage in den Diwans und über diejenige von Wahlprogrammen und
deren Druck, sowie über einige mehr untergeordnete Punkte. Er könne daher
bei weitergehenden Observationen und bei einer etwa seinerseits zu verlangenden
Diskussion der Fundamente, auf denen die Redaktion des Firmans und die
Komposition der darin angeordneten Volksversammlung beruht, um so weniger
auf unsere Teilnahme rechnen, als wir, die wir von dem Gange der Verhand¬
lungen, den Motiven und dabei sonst zur Berücksichtigung gekommenen Um¬
ständen von unserem Gesandten unterrichtet seien, die ihrerseits auch den
Ansichten und Meinungen der Kommissäre jede zulässige Berücksichtigung geschenkt
und solche zur Geltung zu bringen gesucht hätten, die Überzeugung aussprechen
müßten, daß der Firman in der projektierten Redaktion trotz aller unvermeidlich
gewesenen vagen Stellen die instruktionsmäßige Aktion der Kommission nicht
behindern werde, und daß überhaupt bei so verschiedenen entgegengesetzten
Interessen etwas Besseres nicht zustande zu bringen gewesen sei.

Diese im Schoße der Kommission stattgehabten Äußerungen werden vielleicht
einiges Licht auf die skandalösen Vorgänge werfen, welche daraufhin in der


An der Wiege des Königreichs Rumänien

sein werde, vielfache Fragen zu stellen, welche seinen Kollegen überflüssig scheinen
könnten. Er hob dabei insonderheit hervor, daß nach Spezialinstruktion, die
seine Regierung ihm erteilt, auf ihm eine Verantwortlichkeit für den Inhalt des
Firmans selbst ruhen könne, und er daher entschiedener Erklärungen bedürfen
werde, daß ihm keine Gelegenheit und kein Recht zugestanden worden sei, seine
Stimme hierbei geltend zu machen.

In dieser Hinsicht hatte mir Sir Henry Bulwer allerdings vertraulich und
im allgemeinen schon vorher eröffnet, daß seine Regierung Lord Stratford
angewiesen hatte, dafür zu sorgen, daß der britische Kommissär und mit ihm
die übrigen Kommissäre der Mächte zur Teilnahme an der Diskussion des
Firmans zugezogen würden, und daß seine Regierung gegen ihn selbst voraus¬
gesetzt habe, daß man den Firman nicht ohne Zuziehung und Anhörung der
Kommissäre redigieren werde, und jetzt hat mir derselbe die ihm in Abschrift
mitgeteilte Depesche der englischen Regierung an Lord Stratford zu lesen
gegeben, welche in dieser Hinsicht allerdings die positivsten Befehle und eine
weitläufige Auseinandersetzung der Gründe enthält, weshalb die englische
Regierung dieses für wünschenswert halten müsse.

Wie die Sache hiernach lag, und da ähnliche vertrauliche Mitteilungen
von Sir Henry Bulwer in mehr oder weniger umfassender Weise bereits auch
meinen Kollegen gemacht worden waren, so konnten wir ihm nur sagen, daß
wir uns in dieser Hinsicht insofern auf einem anderen Standpunkt befänden,
als unsere Regierungen uns eine Mitverantwortung für den Inhalt des Firmans
nicht aufgelegt hätten, und daß wir uns daher auch nicht berechtigt glaubten,
andere als einige erläuternde Auskünfte zu verlangen, die im ganzen nur auf
eine Wiederholung der Erklärungen hinausliefen, welche die Pforte bereits den
Repräsentanten selbst gegeben habe, z. B. über die Zulässigkeit der Diskussion
der Unionsfrage in den Diwans und über diejenige von Wahlprogrammen und
deren Druck, sowie über einige mehr untergeordnete Punkte. Er könne daher
bei weitergehenden Observationen und bei einer etwa seinerseits zu verlangenden
Diskussion der Fundamente, auf denen die Redaktion des Firmans und die
Komposition der darin angeordneten Volksversammlung beruht, um so weniger
auf unsere Teilnahme rechnen, als wir, die wir von dem Gange der Verhand¬
lungen, den Motiven und dabei sonst zur Berücksichtigung gekommenen Um¬
ständen von unserem Gesandten unterrichtet seien, die ihrerseits auch den
Ansichten und Meinungen der Kommissäre jede zulässige Berücksichtigung geschenkt
und solche zur Geltung zu bringen gesucht hätten, die Überzeugung aussprechen
müßten, daß der Firman in der projektierten Redaktion trotz aller unvermeidlich
gewesenen vagen Stellen die instruktionsmäßige Aktion der Kommission nicht
behindern werde, und daß überhaupt bei so verschiedenen entgegengesetzten
Interessen etwas Besseres nicht zustande zu bringen gewesen sei.

Diese im Schoße der Kommission stattgehabten Äußerungen werden vielleicht
einiges Licht auf die skandalösen Vorgänge werfen, welche daraufhin in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/425>, abgerufen am 15.01.2025.