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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache

Es ist möglich, daß in den Bestimmungen über den Vorbereitungsdienst
der Referendare bereits Vorschriften der unter Ur. 1 gedachten Art enthalten
sind; gehandhabt werden sie jedenfalls in Preußen nicht.

Ebenso müßte für die Befähigungszeugnisse, die die Landgerichtspräsidenten
und die höheren Vorgesetzten über die ihnen unterstellten höheren Justizbeamten
alle zwei Jahre zu erstatten haben, vorgeschrieben werden, daß darin der
Fähigkeit des Beamten, sich in seiner Muttersprache auszudrücken, ausdrücklich
Erwähnung getan würde. Natürlich müßten derartige Zeugnisse individuell
gehalten sein und nicht, wie man das jetzt häufig findet, in einer starren und
darum nichtssagenden Formel bestehen. Wenn auch für die Beförderung in
höhere Stellen, namentlich für die Berufung ins Ministerium, immer in erster
Linie juristische Fähigkeiten den Ausschlag geben werden, so müßte doch gezeigt
werden, daß man höheren Orts daneben Wert auf Gewandtheit im sprachlichen
Ausdruck legt, was bis jetzt leider ganz und gar nicht der Fall ist.

Was nun die Gesetzentwürfe anlangt, so wäre -- ebenfalls durch Vor¬
stellungen bei den Justizverwaltungen -- anzustreben, daß in der Begründung
jedes Gesetzes ein besonderer Abschnitt der sprachlichen Ausgestaltung des Ent¬
wurfs gewidmet würde; daß der Verfasser seine Ziele und seine Absichten nach
dieser Richtung darzulegen hätte. Es ist auffallend, daß sich, soviel mir
wenigstens bekannt geworden ist, bis jetzt in keinem einzigen Gesetz eine der¬
artige sprachliche Begründung findet, nicht einmal beim Bürgerlichen Gesetzbuche.
Überall, wo die Motive desselben die sprachliche Ausdrucksweise erwähnen, ist
lediglich die rechtliche Bedeutung eines Wortes oder einer Redewendung Gegen¬
stand der Erörterung, aber nicht die sprachliche Richtigkeit oder Schönheit. So
finden wir z. B. im vierten Bande der Motive Auslassungen darüber, weshalb
der Ausdruck "Abkömmlinge" gebraucht worden ist (S. 31); ebenso (S. 161)
darüber, weshalb man "Güterverwaltnngsgemeinschaft" und nicht "Güter¬
einheit", "Gütervereinigung" oder "Güterverbindung" gesagt hat; ferner
(S. 874) darüber, weshalb man den unehelichen Vater mit diesem Namen
bezeichnet und ihn nicht "Erzeuger" oder "schwangerer" genannt hat*). Oft
ist von dem Sprachgebrauch!! des Gesetzbuches die Rede, aber stets hat diese
Bezeichnung nnr den obenerwähnten, auf die rechtliche Seite sich beziehenden Sinn.

Ein großer Teil der sprachlichen Unebenheiten in unseren Reichsgesetzen
ist weniger auf mangelndes Können als auf Gedankenlosigkeit und Gleich¬
gültigkeit gegen den sprachlichen Ausdruck zurückzuführen. Es sei gestattet,
nachstehend einige Beispiele anzuführen, wie längst veraltete Ausdrücke immer
wieder von Gesetz zu Gesetz weitergejchleppt werden, obwohl es bei einiger
Aufmerksamkeit ein Leichtes wäre, sie durch sprachlich richtigere oder reinere
Wortfassungen zu ersetzen. Das recht entbehrliche Fremdwort "Register" findet
sich in unserer Gesetzessprache an zahlreichen Stellen. Wir haben ein Handels-



*) Weitere Äußerungen über sprachliche Wendungen finden sich Band IV S. 34, 36,
96, 296, 33ö, 1124.
Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache

Es ist möglich, daß in den Bestimmungen über den Vorbereitungsdienst
der Referendare bereits Vorschriften der unter Ur. 1 gedachten Art enthalten
sind; gehandhabt werden sie jedenfalls in Preußen nicht.

Ebenso müßte für die Befähigungszeugnisse, die die Landgerichtspräsidenten
und die höheren Vorgesetzten über die ihnen unterstellten höheren Justizbeamten
alle zwei Jahre zu erstatten haben, vorgeschrieben werden, daß darin der
Fähigkeit des Beamten, sich in seiner Muttersprache auszudrücken, ausdrücklich
Erwähnung getan würde. Natürlich müßten derartige Zeugnisse individuell
gehalten sein und nicht, wie man das jetzt häufig findet, in einer starren und
darum nichtssagenden Formel bestehen. Wenn auch für die Beförderung in
höhere Stellen, namentlich für die Berufung ins Ministerium, immer in erster
Linie juristische Fähigkeiten den Ausschlag geben werden, so müßte doch gezeigt
werden, daß man höheren Orts daneben Wert auf Gewandtheit im sprachlichen
Ausdruck legt, was bis jetzt leider ganz und gar nicht der Fall ist.

Was nun die Gesetzentwürfe anlangt, so wäre — ebenfalls durch Vor¬
stellungen bei den Justizverwaltungen — anzustreben, daß in der Begründung
jedes Gesetzes ein besonderer Abschnitt der sprachlichen Ausgestaltung des Ent¬
wurfs gewidmet würde; daß der Verfasser seine Ziele und seine Absichten nach
dieser Richtung darzulegen hätte. Es ist auffallend, daß sich, soviel mir
wenigstens bekannt geworden ist, bis jetzt in keinem einzigen Gesetz eine der¬
artige sprachliche Begründung findet, nicht einmal beim Bürgerlichen Gesetzbuche.
Überall, wo die Motive desselben die sprachliche Ausdrucksweise erwähnen, ist
lediglich die rechtliche Bedeutung eines Wortes oder einer Redewendung Gegen¬
stand der Erörterung, aber nicht die sprachliche Richtigkeit oder Schönheit. So
finden wir z. B. im vierten Bande der Motive Auslassungen darüber, weshalb
der Ausdruck „Abkömmlinge" gebraucht worden ist (S. 31); ebenso (S. 161)
darüber, weshalb man „Güterverwaltnngsgemeinschaft" und nicht „Güter¬
einheit", „Gütervereinigung" oder „Güterverbindung" gesagt hat; ferner
(S. 874) darüber, weshalb man den unehelichen Vater mit diesem Namen
bezeichnet und ihn nicht „Erzeuger" oder „schwangerer" genannt hat*). Oft
ist von dem Sprachgebrauch!! des Gesetzbuches die Rede, aber stets hat diese
Bezeichnung nnr den obenerwähnten, auf die rechtliche Seite sich beziehenden Sinn.

Ein großer Teil der sprachlichen Unebenheiten in unseren Reichsgesetzen
ist weniger auf mangelndes Können als auf Gedankenlosigkeit und Gleich¬
gültigkeit gegen den sprachlichen Ausdruck zurückzuführen. Es sei gestattet,
nachstehend einige Beispiele anzuführen, wie längst veraltete Ausdrücke immer
wieder von Gesetz zu Gesetz weitergejchleppt werden, obwohl es bei einiger
Aufmerksamkeit ein Leichtes wäre, sie durch sprachlich richtigere oder reinere
Wortfassungen zu ersetzen. Das recht entbehrliche Fremdwort „Register" findet
sich in unserer Gesetzessprache an zahlreichen Stellen. Wir haben ein Handels-



*) Weitere Äußerungen über sprachliche Wendungen finden sich Band IV S. 34, 36,
96, 296, 33ö, 1124.
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[0418] Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache Es ist möglich, daß in den Bestimmungen über den Vorbereitungsdienst der Referendare bereits Vorschriften der unter Ur. 1 gedachten Art enthalten sind; gehandhabt werden sie jedenfalls in Preußen nicht. Ebenso müßte für die Befähigungszeugnisse, die die Landgerichtspräsidenten und die höheren Vorgesetzten über die ihnen unterstellten höheren Justizbeamten alle zwei Jahre zu erstatten haben, vorgeschrieben werden, daß darin der Fähigkeit des Beamten, sich in seiner Muttersprache auszudrücken, ausdrücklich Erwähnung getan würde. Natürlich müßten derartige Zeugnisse individuell gehalten sein und nicht, wie man das jetzt häufig findet, in einer starren und darum nichtssagenden Formel bestehen. Wenn auch für die Beförderung in höhere Stellen, namentlich für die Berufung ins Ministerium, immer in erster Linie juristische Fähigkeiten den Ausschlag geben werden, so müßte doch gezeigt werden, daß man höheren Orts daneben Wert auf Gewandtheit im sprachlichen Ausdruck legt, was bis jetzt leider ganz und gar nicht der Fall ist. Was nun die Gesetzentwürfe anlangt, so wäre — ebenfalls durch Vor¬ stellungen bei den Justizverwaltungen — anzustreben, daß in der Begründung jedes Gesetzes ein besonderer Abschnitt der sprachlichen Ausgestaltung des Ent¬ wurfs gewidmet würde; daß der Verfasser seine Ziele und seine Absichten nach dieser Richtung darzulegen hätte. Es ist auffallend, daß sich, soviel mir wenigstens bekannt geworden ist, bis jetzt in keinem einzigen Gesetz eine der¬ artige sprachliche Begründung findet, nicht einmal beim Bürgerlichen Gesetzbuche. Überall, wo die Motive desselben die sprachliche Ausdrucksweise erwähnen, ist lediglich die rechtliche Bedeutung eines Wortes oder einer Redewendung Gegen¬ stand der Erörterung, aber nicht die sprachliche Richtigkeit oder Schönheit. So finden wir z. B. im vierten Bande der Motive Auslassungen darüber, weshalb der Ausdruck „Abkömmlinge" gebraucht worden ist (S. 31); ebenso (S. 161) darüber, weshalb man „Güterverwaltnngsgemeinschaft" und nicht „Güter¬ einheit", „Gütervereinigung" oder „Güterverbindung" gesagt hat; ferner (S. 874) darüber, weshalb man den unehelichen Vater mit diesem Namen bezeichnet und ihn nicht „Erzeuger" oder „schwangerer" genannt hat*). Oft ist von dem Sprachgebrauch!! des Gesetzbuches die Rede, aber stets hat diese Bezeichnung nnr den obenerwähnten, auf die rechtliche Seite sich beziehenden Sinn. Ein großer Teil der sprachlichen Unebenheiten in unseren Reichsgesetzen ist weniger auf mangelndes Können als auf Gedankenlosigkeit und Gleich¬ gültigkeit gegen den sprachlichen Ausdruck zurückzuführen. Es sei gestattet, nachstehend einige Beispiele anzuführen, wie längst veraltete Ausdrücke immer wieder von Gesetz zu Gesetz weitergejchleppt werden, obwohl es bei einiger Aufmerksamkeit ein Leichtes wäre, sie durch sprachlich richtigere oder reinere Wortfassungen zu ersetzen. Das recht entbehrliche Fremdwort „Register" findet sich in unserer Gesetzessprache an zahlreichen Stellen. Wir haben ein Handels- *) Weitere Äußerungen über sprachliche Wendungen finden sich Band IV S. 34, 36, 96, 296, 33ö, 1124.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/418>, abgerufen am 15.01.2025.