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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache

zwischen "Sachverständigen" und "Laien" unterscheiden. (Vgl. Zeitschrift des
Sprachvereins November 1909.)

Wenn ich nun im folgenden mit eigenen Vorschlägen hervortrete, so gehe
ich hierbei von der Erwägung aus, daß die Frage der Gesetzessprache in erster
Linie eine Frage der Juristensprache ist. Denn Juristen verfassen fast aus¬
nahmslos unsere Gesetzentwürfe, wenn auch oft unter Beihilfe sachkundiger
Fachleute. Das Gesetzesdeutsch kann sich nicht bessern, wenn sich nicht zuvor
das Juristendeutsch bessert; wenn nicht die Sprache der Rechtspflege, namentlich
der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft, vollkommener wird. Die zahlreichen
Anregungen, die der Sprachverein auf diesem Gebiete den Behörden gegeben
hat, sind durchweg sehr wohlwollend aufgenommen worden, aber wenn man die
Sache bei Lichte besieht, so ist dieses Wohlwollen mehr platonischer als werk¬
tätiger Art. Gewiß ist manches erreicht worden, aber in der Hauptsache wird
man finden, daß die Vorgesetzten Verfügungen über Verfügungen erlassen zur
Pflege unserer Muttersprache, daß aber wenig oder gar nichts geschieht, um die
Durchführung dieser Verfügungen zu sichern. Fast ausnahmslos beziehen sich
übrigens diese Verfügungen auf die Schriftsprache, während die mündliche Aus¬
drucksweise meines Wissens kaum je Erwähnung findet. Die eingehendsten
Vorschriften werden darüber gegeben, wie unsere jungen Juristen für ihren
künftigen Beruf herangebildet werden sollen, aber nirgends finden wir An¬
weisungen darüber, was geschehen soll, damit ihr Sprachgefühl geläutert werde.
Die Zeugnisse sprechen sich über die Fortschritte in jedem noch so unbedeutenden
Tienstzweig aus, aber uur selten findet sich eine Äußerung darüber, welche
Sprachgewandtheit der Referendar sich erworben hat. Es werden besondere
Übungen abgehalten, in denen die kunstvollsten Urteilsentwürfe angefertigt
werden, aber ich habe noch niemals gehört, daß einer der Leiter derartiger
Übungen statt eines Urteilsentwurfs den Referendaren die Aufgabe gestellt habe,
sich über die Sprache eines Gesetzes zu äußern und etwa das Gesetz oder einen
Teil desselben in einer sprachlich besseren Form niederzuschreiben. Ich glaube,
daß mancher Referendar, der in seinen Personalakten die üblichen glänzenden
Zeugnisse hat, sehr in Verlegenheit wäre, wenn ihm eine solche Aufgabe gestellt
würde. Selbst die sprachliche Fassung der Urteilsentwürfe bildet recht selten
den Gegenstand von Besprechungen zwischen Richter und Referendar. Ich
schlage daher vor, daß der Sprachverein bei den Justizverwaltungen der Bundes¬
staaten vorstellig werde, daß Verfügungen erlassen werden, die etwa folgenden
Inhalt haben sollen:

1. Die Zeugnisse der Vorgesetzten müssen sich darüber aussprechen, ob der
Referendar Sprachgefühl besitzt und ob er sich hinreichende Gewandtheit im
schriftlichen und mündlichen Ausdruck angeeignet hat.

2. Es sollen neben der Anfertigung von Urteilsentwürfen den Referendaren
auch Aufgaben gestellt werden aus dem Gebiete der Gesetzessprache und der
Sprache der Rechtspflege.


Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache

zwischen „Sachverständigen" und „Laien" unterscheiden. (Vgl. Zeitschrift des
Sprachvereins November 1909.)

Wenn ich nun im folgenden mit eigenen Vorschlägen hervortrete, so gehe
ich hierbei von der Erwägung aus, daß die Frage der Gesetzessprache in erster
Linie eine Frage der Juristensprache ist. Denn Juristen verfassen fast aus¬
nahmslos unsere Gesetzentwürfe, wenn auch oft unter Beihilfe sachkundiger
Fachleute. Das Gesetzesdeutsch kann sich nicht bessern, wenn sich nicht zuvor
das Juristendeutsch bessert; wenn nicht die Sprache der Rechtspflege, namentlich
der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft, vollkommener wird. Die zahlreichen
Anregungen, die der Sprachverein auf diesem Gebiete den Behörden gegeben
hat, sind durchweg sehr wohlwollend aufgenommen worden, aber wenn man die
Sache bei Lichte besieht, so ist dieses Wohlwollen mehr platonischer als werk¬
tätiger Art. Gewiß ist manches erreicht worden, aber in der Hauptsache wird
man finden, daß die Vorgesetzten Verfügungen über Verfügungen erlassen zur
Pflege unserer Muttersprache, daß aber wenig oder gar nichts geschieht, um die
Durchführung dieser Verfügungen zu sichern. Fast ausnahmslos beziehen sich
übrigens diese Verfügungen auf die Schriftsprache, während die mündliche Aus¬
drucksweise meines Wissens kaum je Erwähnung findet. Die eingehendsten
Vorschriften werden darüber gegeben, wie unsere jungen Juristen für ihren
künftigen Beruf herangebildet werden sollen, aber nirgends finden wir An¬
weisungen darüber, was geschehen soll, damit ihr Sprachgefühl geläutert werde.
Die Zeugnisse sprechen sich über die Fortschritte in jedem noch so unbedeutenden
Tienstzweig aus, aber uur selten findet sich eine Äußerung darüber, welche
Sprachgewandtheit der Referendar sich erworben hat. Es werden besondere
Übungen abgehalten, in denen die kunstvollsten Urteilsentwürfe angefertigt
werden, aber ich habe noch niemals gehört, daß einer der Leiter derartiger
Übungen statt eines Urteilsentwurfs den Referendaren die Aufgabe gestellt habe,
sich über die Sprache eines Gesetzes zu äußern und etwa das Gesetz oder einen
Teil desselben in einer sprachlich besseren Form niederzuschreiben. Ich glaube,
daß mancher Referendar, der in seinen Personalakten die üblichen glänzenden
Zeugnisse hat, sehr in Verlegenheit wäre, wenn ihm eine solche Aufgabe gestellt
würde. Selbst die sprachliche Fassung der Urteilsentwürfe bildet recht selten
den Gegenstand von Besprechungen zwischen Richter und Referendar. Ich
schlage daher vor, daß der Sprachverein bei den Justizverwaltungen der Bundes¬
staaten vorstellig werde, daß Verfügungen erlassen werden, die etwa folgenden
Inhalt haben sollen:

1. Die Zeugnisse der Vorgesetzten müssen sich darüber aussprechen, ob der
Referendar Sprachgefühl besitzt und ob er sich hinreichende Gewandtheit im
schriftlichen und mündlichen Ausdruck angeeignet hat.

2. Es sollen neben der Anfertigung von Urteilsentwürfen den Referendaren
auch Aufgaben gestellt werden aus dem Gebiete der Gesetzessprache und der
Sprache der Rechtspflege.


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[0417] Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache zwischen „Sachverständigen" und „Laien" unterscheiden. (Vgl. Zeitschrift des Sprachvereins November 1909.) Wenn ich nun im folgenden mit eigenen Vorschlägen hervortrete, so gehe ich hierbei von der Erwägung aus, daß die Frage der Gesetzessprache in erster Linie eine Frage der Juristensprache ist. Denn Juristen verfassen fast aus¬ nahmslos unsere Gesetzentwürfe, wenn auch oft unter Beihilfe sachkundiger Fachleute. Das Gesetzesdeutsch kann sich nicht bessern, wenn sich nicht zuvor das Juristendeutsch bessert; wenn nicht die Sprache der Rechtspflege, namentlich der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft, vollkommener wird. Die zahlreichen Anregungen, die der Sprachverein auf diesem Gebiete den Behörden gegeben hat, sind durchweg sehr wohlwollend aufgenommen worden, aber wenn man die Sache bei Lichte besieht, so ist dieses Wohlwollen mehr platonischer als werk¬ tätiger Art. Gewiß ist manches erreicht worden, aber in der Hauptsache wird man finden, daß die Vorgesetzten Verfügungen über Verfügungen erlassen zur Pflege unserer Muttersprache, daß aber wenig oder gar nichts geschieht, um die Durchführung dieser Verfügungen zu sichern. Fast ausnahmslos beziehen sich übrigens diese Verfügungen auf die Schriftsprache, während die mündliche Aus¬ drucksweise meines Wissens kaum je Erwähnung findet. Die eingehendsten Vorschriften werden darüber gegeben, wie unsere jungen Juristen für ihren künftigen Beruf herangebildet werden sollen, aber nirgends finden wir An¬ weisungen darüber, was geschehen soll, damit ihr Sprachgefühl geläutert werde. Die Zeugnisse sprechen sich über die Fortschritte in jedem noch so unbedeutenden Tienstzweig aus, aber uur selten findet sich eine Äußerung darüber, welche Sprachgewandtheit der Referendar sich erworben hat. Es werden besondere Übungen abgehalten, in denen die kunstvollsten Urteilsentwürfe angefertigt werden, aber ich habe noch niemals gehört, daß einer der Leiter derartiger Übungen statt eines Urteilsentwurfs den Referendaren die Aufgabe gestellt habe, sich über die Sprache eines Gesetzes zu äußern und etwa das Gesetz oder einen Teil desselben in einer sprachlich besseren Form niederzuschreiben. Ich glaube, daß mancher Referendar, der in seinen Personalakten die üblichen glänzenden Zeugnisse hat, sehr in Verlegenheit wäre, wenn ihm eine solche Aufgabe gestellt würde. Selbst die sprachliche Fassung der Urteilsentwürfe bildet recht selten den Gegenstand von Besprechungen zwischen Richter und Referendar. Ich schlage daher vor, daß der Sprachverein bei den Justizverwaltungen der Bundes¬ staaten vorstellig werde, daß Verfügungen erlassen werden, die etwa folgenden Inhalt haben sollen: 1. Die Zeugnisse der Vorgesetzten müssen sich darüber aussprechen, ob der Referendar Sprachgefühl besitzt und ob er sich hinreichende Gewandtheit im schriftlichen und mündlichen Ausdruck angeeignet hat. 2. Es sollen neben der Anfertigung von Urteilsentwürfen den Referendaren auch Aufgaben gestellt werden aus dem Gebiete der Gesetzessprache und der Sprache der Rechtspflege.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/417>, abgerufen am 15.01.2025.