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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache
p. Sommer- von Amtsgerichtsrat a, T>,

^ ^- ^ >-M! as nützen die schönsten Abhandlungen über unsere Gesetzessprache,
wenn alles beim alten bleibt? Zwei Punkte muß man bei dem
Bestreben, die Gesetzessprache zu verbessern, im Auge behalten.
! Einmal, daß sich soziale Gebilde, und dazu rechne ich hier auch
^die Sprache, nur langsam und allmählich und nur innerhalb
gewisser Grenzen durch Maßnahmen irgendwelcher Art beeinflussen lassen,
daß man also niemals in kurzer Zeit große und in jedem Falle nur begrenzte
Erfolge erwarten kann. Sodann zweitens, daß man nicht von einer einzigen
Maßnahme Besserung erwarten darf, sondern nur von einer Vereinigung
einer ganzen Reihe verschiedener Mittel. So wie es falsch ist, bei einer Krankheit
zu glauben, daß man nur ein bestimmtes Heilmittel anzuwenden brauche, um
sofort die Gesundheit wiederzuerlangen, wie vielmehr nur ein planmäßiges,
gesundheitförderndes Gesamtverhalten allmählich zur Genesung führen kann, so
ist auch für die Heilung der Gebrechen unserer Gesetzessprache eine planmäßige
sprachliche Erziehung die Hauptsache. Daß fast alles, was bisher zur Hebung
unserer Gesetzessprache geschehen ist, ein Verdienst des Sprachvereins ist, und
daß ihm auch bei den nachfolgenden Vorschlägen die Führerrolle zugedacht ist,
brauche ich nicht erst zu betonen.

Bei der Prüfung der einzelnen Vorschläge ist wohl zu unterscheiden zwischen
solchen Maßregeln, die der deutschen Sprachwissenschaft zugute kommen würden,
und solchen, die geeignet erscheinen, das Gefühl sür die Schönheit unserer Gesetzes¬
sprache in die breiten Massen des Volkes zu tragen. Diesen Gesichtspunkt hat
man meines Erachtens bei einigen bisher gemachten Vorschlägen nicht genügend
berücksichtigt. So wird z. B. von verschiedenen Seiten (Trautmann: "Der Staat
und die deutsche Sprache", 1911, S. 21) die Forderung erhoben, ein Reichs¬
sprachamt einzurichten, das in ähnlicher Weise wie in Frankreich die französische
Akademie für die deutsche Sprache zu wirken habe. Nach den Erörterungen
über den Gegenstand auf den Hauptversammlungen des Sprachvereins 1887
in Dresden und 1903 in Breslau hat dieser Vorschlag keine Aussicht, die Unter¬
stützung des Sprachvereins zu finden. Ich kann mich dieser ablehnenden Haltung,
auch soweit die Hebung der Gesetzessprache in Frage kommt, nur anschließen.
Wie Behaghel mit Recht hervorgehoben hat, mag eine derartige Körperschaft




Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache
p. Sommer- von Amtsgerichtsrat a, T>,

^ ^- ^ >-M! as nützen die schönsten Abhandlungen über unsere Gesetzessprache,
wenn alles beim alten bleibt? Zwei Punkte muß man bei dem
Bestreben, die Gesetzessprache zu verbessern, im Auge behalten.
! Einmal, daß sich soziale Gebilde, und dazu rechne ich hier auch
^die Sprache, nur langsam und allmählich und nur innerhalb
gewisser Grenzen durch Maßnahmen irgendwelcher Art beeinflussen lassen,
daß man also niemals in kurzer Zeit große und in jedem Falle nur begrenzte
Erfolge erwarten kann. Sodann zweitens, daß man nicht von einer einzigen
Maßnahme Besserung erwarten darf, sondern nur von einer Vereinigung
einer ganzen Reihe verschiedener Mittel. So wie es falsch ist, bei einer Krankheit
zu glauben, daß man nur ein bestimmtes Heilmittel anzuwenden brauche, um
sofort die Gesundheit wiederzuerlangen, wie vielmehr nur ein planmäßiges,
gesundheitförderndes Gesamtverhalten allmählich zur Genesung führen kann, so
ist auch für die Heilung der Gebrechen unserer Gesetzessprache eine planmäßige
sprachliche Erziehung die Hauptsache. Daß fast alles, was bisher zur Hebung
unserer Gesetzessprache geschehen ist, ein Verdienst des Sprachvereins ist, und
daß ihm auch bei den nachfolgenden Vorschlägen die Führerrolle zugedacht ist,
brauche ich nicht erst zu betonen.

Bei der Prüfung der einzelnen Vorschläge ist wohl zu unterscheiden zwischen
solchen Maßregeln, die der deutschen Sprachwissenschaft zugute kommen würden,
und solchen, die geeignet erscheinen, das Gefühl sür die Schönheit unserer Gesetzes¬
sprache in die breiten Massen des Volkes zu tragen. Diesen Gesichtspunkt hat
man meines Erachtens bei einigen bisher gemachten Vorschlägen nicht genügend
berücksichtigt. So wird z. B. von verschiedenen Seiten (Trautmann: „Der Staat
und die deutsche Sprache", 1911, S. 21) die Forderung erhoben, ein Reichs¬
sprachamt einzurichten, das in ähnlicher Weise wie in Frankreich die französische
Akademie für die deutsche Sprache zu wirken habe. Nach den Erörterungen
über den Gegenstand auf den Hauptversammlungen des Sprachvereins 1887
in Dresden und 1903 in Breslau hat dieser Vorschlag keine Aussicht, die Unter¬
stützung des Sprachvereins zu finden. Ich kann mich dieser ablehnenden Haltung,
auch soweit die Hebung der Gesetzessprache in Frage kommt, nur anschließen.
Wie Behaghel mit Recht hervorgehoben hat, mag eine derartige Körperschaft


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[0415] [Abbildung] Maßregeln zur Verbesserung der Gesetzessprache p. Sommer- von Amtsgerichtsrat a, T>, ^ ^- ^ >-M! as nützen die schönsten Abhandlungen über unsere Gesetzessprache, wenn alles beim alten bleibt? Zwei Punkte muß man bei dem Bestreben, die Gesetzessprache zu verbessern, im Auge behalten. ! Einmal, daß sich soziale Gebilde, und dazu rechne ich hier auch ^die Sprache, nur langsam und allmählich und nur innerhalb gewisser Grenzen durch Maßnahmen irgendwelcher Art beeinflussen lassen, daß man also niemals in kurzer Zeit große und in jedem Falle nur begrenzte Erfolge erwarten kann. Sodann zweitens, daß man nicht von einer einzigen Maßnahme Besserung erwarten darf, sondern nur von einer Vereinigung einer ganzen Reihe verschiedener Mittel. So wie es falsch ist, bei einer Krankheit zu glauben, daß man nur ein bestimmtes Heilmittel anzuwenden brauche, um sofort die Gesundheit wiederzuerlangen, wie vielmehr nur ein planmäßiges, gesundheitförderndes Gesamtverhalten allmählich zur Genesung führen kann, so ist auch für die Heilung der Gebrechen unserer Gesetzessprache eine planmäßige sprachliche Erziehung die Hauptsache. Daß fast alles, was bisher zur Hebung unserer Gesetzessprache geschehen ist, ein Verdienst des Sprachvereins ist, und daß ihm auch bei den nachfolgenden Vorschlägen die Führerrolle zugedacht ist, brauche ich nicht erst zu betonen. Bei der Prüfung der einzelnen Vorschläge ist wohl zu unterscheiden zwischen solchen Maßregeln, die der deutschen Sprachwissenschaft zugute kommen würden, und solchen, die geeignet erscheinen, das Gefühl sür die Schönheit unserer Gesetzes¬ sprache in die breiten Massen des Volkes zu tragen. Diesen Gesichtspunkt hat man meines Erachtens bei einigen bisher gemachten Vorschlägen nicht genügend berücksichtigt. So wird z. B. von verschiedenen Seiten (Trautmann: „Der Staat und die deutsche Sprache", 1911, S. 21) die Forderung erhoben, ein Reichs¬ sprachamt einzurichten, das in ähnlicher Weise wie in Frankreich die französische Akademie für die deutsche Sprache zu wirken habe. Nach den Erörterungen über den Gegenstand auf den Hauptversammlungen des Sprachvereins 1887 in Dresden und 1903 in Breslau hat dieser Vorschlag keine Aussicht, die Unter¬ stützung des Sprachvereins zu finden. Ich kann mich dieser ablehnenden Haltung, auch soweit die Hebung der Gesetzessprache in Frage kommt, nur anschließen. Wie Behaghel mit Recht hervorgehoben hat, mag eine derartige Körperschaft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/415>, abgerufen am 15.01.2025.