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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Gleiches Wahlrecht?
In der l. Klasse wählen die 393 "Gelehrten"......... 14 Vertreter,
" " II. " " " 860 Teilnehmer des Kaufmannskonvents 40 "
" " III. " " " 237 Mitglieder des Gewerbekonvents, . 20
" " VII. " " " zur Kaminer für Landwirtschaft wahl¬
berechtigten Bürger.............. 8 "

die Privilegierten insgesamt also 82, von denen entsprechend der wirtschaftlichen
Bedeutung der Hansestadt, 60 (d. i. 40 Prozent aller Abgeordneten) auf Handel
und Gewerbe beziehungsweise Industrie entfallen.

"Die Bedeutung der Abgliederung der Gelehrten, Kaufleute, Gewerbe¬
treibenden und Landwirte in besonderen Wahlklassen mit bestimmten Vertreter¬
stellen für die Gegenwart liegt darin, daß sie eine Gewähr gibt, daß in der
Bürgerschaft stets in hinreichender Zahl jene Berufsstände vertreten sind und
Mitglieder, deren Fähigkeiten und Erfahrungen eine ersprießliche Mitarbeit
besonders auch an den Verwaltungsaufgaben der Bürgerschaft sichern" (Bollmann,
"Verfassung und Verwaltung der freien Hansestadt Bremen", 13. Band der
Bibliothek des öffentlichen Rechts).

Die IV., V., VI. und VIII. Klasse sind die des allgemeinen gleichen Wahl¬
rechts, mit Ausschluß der in den ständischen Klassen wahlberechtigten Bürger.
Ihrer Gliederung liegt nur der Wohnsitz des Wählers zugrunde. So wählt

in der IV. Klasse die Stadt Bremen . . . ö2 Vertreter,
" " V. " " " Vegesack ... 4
" " VI. " " " Bremerhaven . 8 "
" " VIll. " das Landgebiet .... 4 "
Zusammen 68 Abgeordnete.

An der Hand des Jahrbuchs für bremische Statistik läßt sich nun leicht
die Anrechnung in Pluralstimmen vollziehen, so daß ein Vergleich mit der
Wirkung des Reichswahlrechts möglich wird.

Das mindeste Wahlrecht haben die Bürger im 1. Bezirk der VIII. Klasse,
wo 992 Wahlberechtigte auf 2 Abgeordnete kommen, also 1:496. Dagegen
werden 393 Gelehrte durch 14 Abgeordnete vertreten ---- 1: 23. Das Wahlrecht
des Gelehrten ist demnach ^ : - 496 : 28 ein 18faches. Innerhalb
der Klassen des allgemeinen Wahlrechts schneidet die V. am besten ab, die mit
^ ein 6faches (496 : 78) Wahlrecht besitzt. Die Spannung von 1:6 ist groß,
aber was will sie besagen gegen 1:25 im Reich?

Ein staatsrechtliches Kuriosum bildet das scheinbar ungeheuerliche Über¬
gewicht der III. Klasse: auf 12 Wähler ein Abgeordneter, das hieße ein 41faches
^4^^ Wahlrecht. Solche Annahme wäre ein Trugschluß, da das Wahlrecht zur
III. Klasse, die die Vertretung aller Gewerbetreibenden umfaßt, den Charakter
des indirekten trägt. Man bemerke wohl, daß in der VII. Klasse die zur Kammer
für Landwirtschaft wahlberechtigten Bürger direkt ihre Vertreter wählen. Dem-


Gleiches Wahlrecht?
In der l. Klasse wählen die 393 „Gelehrten"......... 14 Vertreter,
„ „ II. „ „ „ 860 Teilnehmer des Kaufmannskonvents 40 „
„ „ III. „ „ „ 237 Mitglieder des Gewerbekonvents, . 20
„ „ VII. „ „ „ zur Kaminer für Landwirtschaft wahl¬
berechtigten Bürger.............. 8 „

die Privilegierten insgesamt also 82, von denen entsprechend der wirtschaftlichen
Bedeutung der Hansestadt, 60 (d. i. 40 Prozent aller Abgeordneten) auf Handel
und Gewerbe beziehungsweise Industrie entfallen.

„Die Bedeutung der Abgliederung der Gelehrten, Kaufleute, Gewerbe¬
treibenden und Landwirte in besonderen Wahlklassen mit bestimmten Vertreter¬
stellen für die Gegenwart liegt darin, daß sie eine Gewähr gibt, daß in der
Bürgerschaft stets in hinreichender Zahl jene Berufsstände vertreten sind und
Mitglieder, deren Fähigkeiten und Erfahrungen eine ersprießliche Mitarbeit
besonders auch an den Verwaltungsaufgaben der Bürgerschaft sichern" (Bollmann,
„Verfassung und Verwaltung der freien Hansestadt Bremen", 13. Band der
Bibliothek des öffentlichen Rechts).

Die IV., V., VI. und VIII. Klasse sind die des allgemeinen gleichen Wahl¬
rechts, mit Ausschluß der in den ständischen Klassen wahlberechtigten Bürger.
Ihrer Gliederung liegt nur der Wohnsitz des Wählers zugrunde. So wählt

in der IV. Klasse die Stadt Bremen . . . ö2 Vertreter,
„ „ V. „ „ „ Vegesack ... 4
„ „ VI. „ „ „ Bremerhaven . 8 „
„ „ VIll. „ das Landgebiet .... 4 „
Zusammen 68 Abgeordnete.

An der Hand des Jahrbuchs für bremische Statistik läßt sich nun leicht
die Anrechnung in Pluralstimmen vollziehen, so daß ein Vergleich mit der
Wirkung des Reichswahlrechts möglich wird.

Das mindeste Wahlrecht haben die Bürger im 1. Bezirk der VIII. Klasse,
wo 992 Wahlberechtigte auf 2 Abgeordnete kommen, also 1:496. Dagegen
werden 393 Gelehrte durch 14 Abgeordnete vertreten ---- 1: 23. Das Wahlrecht
des Gelehrten ist demnach ^ : - 496 : 28 ein 18faches. Innerhalb
der Klassen des allgemeinen Wahlrechts schneidet die V. am besten ab, die mit
^ ein 6faches (496 : 78) Wahlrecht besitzt. Die Spannung von 1:6 ist groß,
aber was will sie besagen gegen 1:25 im Reich?

Ein staatsrechtliches Kuriosum bildet das scheinbar ungeheuerliche Über¬
gewicht der III. Klasse: auf 12 Wähler ein Abgeordneter, das hieße ein 41faches
^4^^ Wahlrecht. Solche Annahme wäre ein Trugschluß, da das Wahlrecht zur
III. Klasse, die die Vertretung aller Gewerbetreibenden umfaßt, den Charakter
des indirekten trägt. Man bemerke wohl, daß in der VII. Klasse die zur Kammer
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[0411] Gleiches Wahlrecht? In der l. Klasse wählen die 393 „Gelehrten"......... 14 Vertreter, „ „ II. „ „ „ 860 Teilnehmer des Kaufmannskonvents 40 „ „ „ III. „ „ „ 237 Mitglieder des Gewerbekonvents, . 20 „ „ VII. „ „ „ zur Kaminer für Landwirtschaft wahl¬ berechtigten Bürger.............. 8 „ die Privilegierten insgesamt also 82, von denen entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung der Hansestadt, 60 (d. i. 40 Prozent aller Abgeordneten) auf Handel und Gewerbe beziehungsweise Industrie entfallen. „Die Bedeutung der Abgliederung der Gelehrten, Kaufleute, Gewerbe¬ treibenden und Landwirte in besonderen Wahlklassen mit bestimmten Vertreter¬ stellen für die Gegenwart liegt darin, daß sie eine Gewähr gibt, daß in der Bürgerschaft stets in hinreichender Zahl jene Berufsstände vertreten sind und Mitglieder, deren Fähigkeiten und Erfahrungen eine ersprießliche Mitarbeit besonders auch an den Verwaltungsaufgaben der Bürgerschaft sichern" (Bollmann, „Verfassung und Verwaltung der freien Hansestadt Bremen", 13. Band der Bibliothek des öffentlichen Rechts). Die IV., V., VI. und VIII. Klasse sind die des allgemeinen gleichen Wahl¬ rechts, mit Ausschluß der in den ständischen Klassen wahlberechtigten Bürger. Ihrer Gliederung liegt nur der Wohnsitz des Wählers zugrunde. So wählt in der IV. Klasse die Stadt Bremen . . . ö2 Vertreter, „ „ V. „ „ „ Vegesack ... 4 „ „ VI. „ „ „ Bremerhaven . 8 „ „ „ VIll. „ das Landgebiet .... 4 „ Zusammen 68 Abgeordnete. An der Hand des Jahrbuchs für bremische Statistik läßt sich nun leicht die Anrechnung in Pluralstimmen vollziehen, so daß ein Vergleich mit der Wirkung des Reichswahlrechts möglich wird. Das mindeste Wahlrecht haben die Bürger im 1. Bezirk der VIII. Klasse, wo 992 Wahlberechtigte auf 2 Abgeordnete kommen, also 1:496. Dagegen werden 393 Gelehrte durch 14 Abgeordnete vertreten ---- 1: 23. Das Wahlrecht des Gelehrten ist demnach ^ : - 496 : 28 ein 18faches. Innerhalb der Klassen des allgemeinen Wahlrechts schneidet die V. am besten ab, die mit ^ ein 6faches (496 : 78) Wahlrecht besitzt. Die Spannung von 1:6 ist groß, aber was will sie besagen gegen 1:25 im Reich? Ein staatsrechtliches Kuriosum bildet das scheinbar ungeheuerliche Über¬ gewicht der III. Klasse: auf 12 Wähler ein Abgeordneter, das hieße ein 41faches ^4^^ Wahlrecht. Solche Annahme wäre ein Trugschluß, da das Wahlrecht zur III. Klasse, die die Vertretung aller Gewerbetreibenden umfaßt, den Charakter des indirekten trägt. Man bemerke wohl, daß in der VII. Klasse die zur Kammer für Landwirtschaft wahlberechtigten Bürger direkt ihre Vertreter wählen. Dem-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/411>, abgerufen am 15.01.2025.