Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Karl Salz er "Immer noch ein bißchen Freigeisterei im BlutI" sagt der Pfarrer, indem "Herr Pfarrer, Sie haben heut kein Glück: ein Füllchen hat keine Hörner, Dem Pfarrer wird das Gespräch ungemütlich, und er gibt ihm eine andere "Eine Bitte meinerseits, Herr Holtner! Die Schwestern sind mal wieder "soso!" sagt Hannes Holtner, "da haben also die armen Nönnchen mal O, da ist der Pfarrer in allen Nöten diesem Freigeist gegenüber. So überhört "Nicht wahr, Herr Holtner, ich hab' keine Fehlbitt getan? Ich selber kann Dabei sieht er an seinem fadenscheinigen Talar hinunter, und in seiner .Den Hannes Holtner packt das Mitleid. Denn es ist bekannt, daß der alte "Gewiß, Herr Pfarrer, es soll net fehlen. Der Bub kann morgen ein paar Da winkt der Pfarrer ab, und die beiden gehen auseinander. Karl ist unterdessen beim Häuslein der Hungels-Grek angelangt. Es ist ein Karl sieht es von weitem, wie sie die Läden verrammelt. Er überlegt sich, Karl Salz er „Immer noch ein bißchen Freigeisterei im BlutI" sagt der Pfarrer, indem „Herr Pfarrer, Sie haben heut kein Glück: ein Füllchen hat keine Hörner, Dem Pfarrer wird das Gespräch ungemütlich, und er gibt ihm eine andere „Eine Bitte meinerseits, Herr Holtner! Die Schwestern sind mal wieder „soso!" sagt Hannes Holtner, „da haben also die armen Nönnchen mal O, da ist der Pfarrer in allen Nöten diesem Freigeist gegenüber. So überhört „Nicht wahr, Herr Holtner, ich hab' keine Fehlbitt getan? Ich selber kann Dabei sieht er an seinem fadenscheinigen Talar hinunter, und in seiner .Den Hannes Holtner packt das Mitleid. Denn es ist bekannt, daß der alte „Gewiß, Herr Pfarrer, es soll net fehlen. Der Bub kann morgen ein paar Da winkt der Pfarrer ab, und die beiden gehen auseinander. Karl ist unterdessen beim Häuslein der Hungels-Grek angelangt. Es ist ein Karl sieht es von weitem, wie sie die Läden verrammelt. Er überlegt sich, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322788"/> <fw type="header" place="top"> Karl Salz er</fw><lb/> <p xml:id="ID_1860"> „Immer noch ein bißchen Freigeisterei im BlutI" sagt der Pfarrer, indem<lb/> er mit dem Stocke droht, „ja, ja, Freigeisterei. Unter der Bauernjuvpe guckt's<lb/> immer noch heraus: Schwarz-Rot-Gold. Ja, ja, Freigeisterei, Schwarz-Rot-Gold.<lb/> Wird aber alles schon gut ausgehen, die Grek ist ein willig und gehorsam Schäfchen.<lb/> Karl Salzer ist ein jung Füllchen, rennt sich die Hörner schon noch ab, jung FüllchenI"</p><lb/> <p xml:id="ID_1861"> „Herr Pfarrer, Sie haben heut kein Glück: ein Füllchen hat keine Hörner,<lb/> ein Füllchen kann nur die Beine oder das Genick brechen, und das wär' schad'<lb/> auf alle Fällei"</p><lb/> <p xml:id="ID_1862"> Dem Pfarrer wird das Gespräch ungemütlich, und er gibt ihm eine andere<lb/> Wendung:</p><lb/> <p xml:id="ID_1863"> „Eine Bitte meinerseits, Herr Holtner! Die Schwestern sind mal wieder<lb/> übel dran mit ihrem Küchenvorrat; wenig zu essen, sehr wenig zu essen. Bauern<lb/> denken zu wenig an die Schwestern, denken zu wenig dran. Wollen Sie nicht<lb/> mal ein bißchen aushelfen, ein bißchen gründlich aushelfen? Ihre Schwester schickt<lb/> ja alle vierzehn Tag einen Korb voll hinauf; sehr anerkennenswert! Aber alle<lb/> Bauern, die es können, sollten es so machen, alle!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1864"> „soso!" sagt Hannes Holtner, „da haben also die armen Nönnchen mal<lb/> wieder nix zu essen. Bei jedem Dreck rufen die Bauern die Nonnen, aber ver¬<lb/> hungern täten sie sie lassen. Das wär' auch so ein Predigtthema, Herr Pfarrer,<lb/> oder haben Sie Angst, die Bauern täten nachher aus Trutz garnix mehr bringen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1865"> O, da ist der Pfarrer in allen Nöten diesem Freigeist gegenüber. So überhört<lb/> er denn die Frage Hannes Hvltners geflissentlich und bettelt noch einmal:</p><lb/> <p xml:id="ID_1866"> „Nicht wahr, Herr Holtner, ich hab' keine Fehlbitt getan? Ich selber kann<lb/> gar nichts mehr tun, gar nichts mehr; auf Wochen hinaus nicht. Ich kann mich<lb/> nicht ganz entäußern!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1867"> Dabei sieht er an seinem fadenscheinigen Talar hinunter, und in seiner<lb/> Stimme ist ein Weh.</p><lb/> <p xml:id="ID_1868"> .Den Hannes Holtner packt das Mitleid. Denn es ist bekannt, daß der alte<lb/> Pfarrer von Spelzheim den letzten Bissen aus dem Munde und das letzte Hemd<lb/> vom Leibe geben würde, und daß er einmal nicht Schätze hinterlassen wird, die<lb/> der Rost und die Motten verzehren. Er ist sehr mildtätig, der alte Pfarrer, wenn<lb/> er auch nicht immer konsequent und auch nicht immer feinfühlend ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1869"> „Gewiß, Herr Pfarrer, es soll net fehlen. Der Bub kann morgen ein paar<lb/> Korb voll neue Kartoffeln und ein paar Korb voll Kraut hinauffahren. Und<lb/> wenn bei Ihnen etwas fehlen sollt. . .!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1870"> Da winkt der Pfarrer ab, und die beiden gehen auseinander.</p><lb/> <p xml:id="ID_1871"> Karl ist unterdessen beim Häuslein der Hungels-Grek angelangt. Es ist ein<lb/> niedriges Hüttchen. Die Fensterchen sind der Erde so nahe, daß man bequem<lb/> hineinsehen kann, und auch bequem hineinsteigen könnte, wie Grek immer fürchtet.<lb/> Denn sie ist doch noch jungfräulich. Eine Jungfrau von dreiundfünfzig Jahren.<lb/> Sie schließt ihre Läden immer gut zu, wenn es zu dunkeln beginnt. Gott bewahre<lb/> sie vor einem Angriff.</p><lb/> <p xml:id="ID_1872" next="#ID_1873"> Karl sieht es von weitem, wie sie die Läden verrammelt. Er überlegt sich,<lb/> wie er die Grek anreden soll. Es kommt ihm komisch vor, die Unverheiratete Base<lb/> zu nennen, wie das den verheirateten Weibern gegenüber der Brauch ist. Zu einem<lb/> Junggesellen kann man ja wohl Vetter sagen, aber zu einer alten Jungfer Base?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0386]
Karl Salz er
„Immer noch ein bißchen Freigeisterei im BlutI" sagt der Pfarrer, indem
er mit dem Stocke droht, „ja, ja, Freigeisterei. Unter der Bauernjuvpe guckt's
immer noch heraus: Schwarz-Rot-Gold. Ja, ja, Freigeisterei, Schwarz-Rot-Gold.
Wird aber alles schon gut ausgehen, die Grek ist ein willig und gehorsam Schäfchen.
Karl Salzer ist ein jung Füllchen, rennt sich die Hörner schon noch ab, jung FüllchenI"
„Herr Pfarrer, Sie haben heut kein Glück: ein Füllchen hat keine Hörner,
ein Füllchen kann nur die Beine oder das Genick brechen, und das wär' schad'
auf alle Fällei"
Dem Pfarrer wird das Gespräch ungemütlich, und er gibt ihm eine andere
Wendung:
„Eine Bitte meinerseits, Herr Holtner! Die Schwestern sind mal wieder
übel dran mit ihrem Küchenvorrat; wenig zu essen, sehr wenig zu essen. Bauern
denken zu wenig an die Schwestern, denken zu wenig dran. Wollen Sie nicht
mal ein bißchen aushelfen, ein bißchen gründlich aushelfen? Ihre Schwester schickt
ja alle vierzehn Tag einen Korb voll hinauf; sehr anerkennenswert! Aber alle
Bauern, die es können, sollten es so machen, alle!"
„soso!" sagt Hannes Holtner, „da haben also die armen Nönnchen mal
wieder nix zu essen. Bei jedem Dreck rufen die Bauern die Nonnen, aber ver¬
hungern täten sie sie lassen. Das wär' auch so ein Predigtthema, Herr Pfarrer,
oder haben Sie Angst, die Bauern täten nachher aus Trutz garnix mehr bringen?"
O, da ist der Pfarrer in allen Nöten diesem Freigeist gegenüber. So überhört
er denn die Frage Hannes Hvltners geflissentlich und bettelt noch einmal:
„Nicht wahr, Herr Holtner, ich hab' keine Fehlbitt getan? Ich selber kann
gar nichts mehr tun, gar nichts mehr; auf Wochen hinaus nicht. Ich kann mich
nicht ganz entäußern!"
Dabei sieht er an seinem fadenscheinigen Talar hinunter, und in seiner
Stimme ist ein Weh.
.Den Hannes Holtner packt das Mitleid. Denn es ist bekannt, daß der alte
Pfarrer von Spelzheim den letzten Bissen aus dem Munde und das letzte Hemd
vom Leibe geben würde, und daß er einmal nicht Schätze hinterlassen wird, die
der Rost und die Motten verzehren. Er ist sehr mildtätig, der alte Pfarrer, wenn
er auch nicht immer konsequent und auch nicht immer feinfühlend ist.
„Gewiß, Herr Pfarrer, es soll net fehlen. Der Bub kann morgen ein paar
Korb voll neue Kartoffeln und ein paar Korb voll Kraut hinauffahren. Und
wenn bei Ihnen etwas fehlen sollt. . .!"
Da winkt der Pfarrer ab, und die beiden gehen auseinander.
Karl ist unterdessen beim Häuslein der Hungels-Grek angelangt. Es ist ein
niedriges Hüttchen. Die Fensterchen sind der Erde so nahe, daß man bequem
hineinsehen kann, und auch bequem hineinsteigen könnte, wie Grek immer fürchtet.
Denn sie ist doch noch jungfräulich. Eine Jungfrau von dreiundfünfzig Jahren.
Sie schließt ihre Läden immer gut zu, wenn es zu dunkeln beginnt. Gott bewahre
sie vor einem Angriff.
Karl sieht es von weitem, wie sie die Läden verrammelt. Er überlegt sich,
wie er die Grek anreden soll. Es kommt ihm komisch vor, die Unverheiratete Base
zu nennen, wie das den verheirateten Weibern gegenüber der Brauch ist. Zu einem
Junggesellen kann man ja wohl Vetter sagen, aber zu einer alten Jungfer Base?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |