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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Kirche

Schließlich: die Einheit der geistlichen und weltlichen Gewalt wurde im
byzantinischen Staat nicht ohne die schwersten Erschütterungen durchgesetzt.
Die Bewegung des Bildersturmes ist noch immer eines der rätselvollsten Pro¬
bleme. Die Ursachen dieser gewaltigen Episode der byzantinischen Geschichte
sind gewiß verschiedenartig, eines aber darf man nicht vergessen: die Abneigung
gegen die Verehrung von Bildern im Kultus ist nie hellenistisch gewesen. Im
Gegenteil, die starke Ausbildung des Bilderdienstes war sicherlich erst eine Folge
der Wirkung des Hellenismus auf das Christentum. Der Mohammedanismus
aber verabscheute den Bilderdienst, und von Kleinasien her, wo in jahrzehnte¬
langem Verkehr Christentum und Islam sich an den Grenzen nicht durch¬
drangen, aber kennen lernten, ging die Bewegung aus. Das Mönchtum hat
mit hingebenden Heroismus in diesem Kampfe von anderthalb Jahrhunderten
die Sache des Christentums gegen die Staatsgewalt geführt, die anfangs allzu
geneigt schien, diesen Bestrebungen nachzugeben; das Mönchtum hat dabei die
Unterstützung des römischen Bischofs gefunden. Allmählich aber entwickelte sich
der Streit zwischen der Staatsgewalt und den Klosterleuten zu etwas Größerem,
aus der Frage um die Verehrung der Bilder wurde die Frage um die Freiheit der
Kirche vom Staate. Der Abt Theodoros von Studion ist der letzte große Vor¬
kämpfer der Kirchenfreiheit gewesen, die er verfochten hat im Verein mit dem
römischen Papste. Allein er unterlag. Der Islam wurde in seiner Wirkung
auf die religiöse Kultur des Reiches beseitigt, die Bilderverehrung im vollen
Umfange durch das Versöhnungsdekret von 843 wiederhergestellt und vom
Staate übernommen; allein von Freiheit der Kirche ist seitdem in der östlichen
Welt nie wieder die Rede gewesen, Staat und Kirche schlössen ihren Bund für
immer.

Davon war das römische Papsttum des Westens ausgeschlossen. Im
siebenten Jahrhundert hatte das Kaisertum seine Macht rücksichtslos gebraucht,
die Theologie der Kirche nach Belieben festgesetzt; der widerstrebende Martin
der Erste war in Rom verhaftet worden, nach Konstantinopel gebracht und
endete im Exil. Kein Wunder, daß das Papsttum mit allen Mitteln danach
strebte, sich dieser Zentralgewalt zu entledigen. Anderseits wurde gerade wegen
seiner Verbindung mit dem Kaisertum des Westens das Papsttum selbst als
fremde, antinationale Macht angesehen und immer empfindlicher wurde das
erstarkte Nationalgefühl der Byzantiner gegen den Anspruch des Papstes, in
Glaubenssachen oberste Autorität zu sein. Durch die Gewalttätigkeit des Kaisers
Basileios wurde zwar der große Photios abgesetzt, die äußerliche Einheit noch
gewahrt, allein Bulgarien von Rom getrennt und der griechischen Kirche ein¬
verleibt. Das Schisma ist nicht sogleich eingetreten, eine äußerliche Verbindung
hat noch zweihundert Jahre bestanden, befördert durch das Sinken der Kaiscr-
gewalt im Westen, die dem östlichen Reiche noch einmal die Hoffnung auf Ge¬
winnung von Italien gab. Aber als sie mit Otto dem Großen wieder erstarkt
war, erfolgte die stärkere Anlehnung des Papsttums an das westliche Kaisertum


Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Kirche

Schließlich: die Einheit der geistlichen und weltlichen Gewalt wurde im
byzantinischen Staat nicht ohne die schwersten Erschütterungen durchgesetzt.
Die Bewegung des Bildersturmes ist noch immer eines der rätselvollsten Pro¬
bleme. Die Ursachen dieser gewaltigen Episode der byzantinischen Geschichte
sind gewiß verschiedenartig, eines aber darf man nicht vergessen: die Abneigung
gegen die Verehrung von Bildern im Kultus ist nie hellenistisch gewesen. Im
Gegenteil, die starke Ausbildung des Bilderdienstes war sicherlich erst eine Folge
der Wirkung des Hellenismus auf das Christentum. Der Mohammedanismus
aber verabscheute den Bilderdienst, und von Kleinasien her, wo in jahrzehnte¬
langem Verkehr Christentum und Islam sich an den Grenzen nicht durch¬
drangen, aber kennen lernten, ging die Bewegung aus. Das Mönchtum hat
mit hingebenden Heroismus in diesem Kampfe von anderthalb Jahrhunderten
die Sache des Christentums gegen die Staatsgewalt geführt, die anfangs allzu
geneigt schien, diesen Bestrebungen nachzugeben; das Mönchtum hat dabei die
Unterstützung des römischen Bischofs gefunden. Allmählich aber entwickelte sich
der Streit zwischen der Staatsgewalt und den Klosterleuten zu etwas Größerem,
aus der Frage um die Verehrung der Bilder wurde die Frage um die Freiheit der
Kirche vom Staate. Der Abt Theodoros von Studion ist der letzte große Vor¬
kämpfer der Kirchenfreiheit gewesen, die er verfochten hat im Verein mit dem
römischen Papste. Allein er unterlag. Der Islam wurde in seiner Wirkung
auf die religiöse Kultur des Reiches beseitigt, die Bilderverehrung im vollen
Umfange durch das Versöhnungsdekret von 843 wiederhergestellt und vom
Staate übernommen; allein von Freiheit der Kirche ist seitdem in der östlichen
Welt nie wieder die Rede gewesen, Staat und Kirche schlössen ihren Bund für
immer.

Davon war das römische Papsttum des Westens ausgeschlossen. Im
siebenten Jahrhundert hatte das Kaisertum seine Macht rücksichtslos gebraucht,
die Theologie der Kirche nach Belieben festgesetzt; der widerstrebende Martin
der Erste war in Rom verhaftet worden, nach Konstantinopel gebracht und
endete im Exil. Kein Wunder, daß das Papsttum mit allen Mitteln danach
strebte, sich dieser Zentralgewalt zu entledigen. Anderseits wurde gerade wegen
seiner Verbindung mit dem Kaisertum des Westens das Papsttum selbst als
fremde, antinationale Macht angesehen und immer empfindlicher wurde das
erstarkte Nationalgefühl der Byzantiner gegen den Anspruch des Papstes, in
Glaubenssachen oberste Autorität zu sein. Durch die Gewalttätigkeit des Kaisers
Basileios wurde zwar der große Photios abgesetzt, die äußerliche Einheit noch
gewahrt, allein Bulgarien von Rom getrennt und der griechischen Kirche ein¬
verleibt. Das Schisma ist nicht sogleich eingetreten, eine äußerliche Verbindung
hat noch zweihundert Jahre bestanden, befördert durch das Sinken der Kaiscr-
gewalt im Westen, die dem östlichen Reiche noch einmal die Hoffnung auf Ge¬
winnung von Italien gab. Aber als sie mit Otto dem Großen wieder erstarkt
war, erfolgte die stärkere Anlehnung des Papsttums an das westliche Kaisertum


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[0364] Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Kirche Schließlich: die Einheit der geistlichen und weltlichen Gewalt wurde im byzantinischen Staat nicht ohne die schwersten Erschütterungen durchgesetzt. Die Bewegung des Bildersturmes ist noch immer eines der rätselvollsten Pro¬ bleme. Die Ursachen dieser gewaltigen Episode der byzantinischen Geschichte sind gewiß verschiedenartig, eines aber darf man nicht vergessen: die Abneigung gegen die Verehrung von Bildern im Kultus ist nie hellenistisch gewesen. Im Gegenteil, die starke Ausbildung des Bilderdienstes war sicherlich erst eine Folge der Wirkung des Hellenismus auf das Christentum. Der Mohammedanismus aber verabscheute den Bilderdienst, und von Kleinasien her, wo in jahrzehnte¬ langem Verkehr Christentum und Islam sich an den Grenzen nicht durch¬ drangen, aber kennen lernten, ging die Bewegung aus. Das Mönchtum hat mit hingebenden Heroismus in diesem Kampfe von anderthalb Jahrhunderten die Sache des Christentums gegen die Staatsgewalt geführt, die anfangs allzu geneigt schien, diesen Bestrebungen nachzugeben; das Mönchtum hat dabei die Unterstützung des römischen Bischofs gefunden. Allmählich aber entwickelte sich der Streit zwischen der Staatsgewalt und den Klosterleuten zu etwas Größerem, aus der Frage um die Verehrung der Bilder wurde die Frage um die Freiheit der Kirche vom Staate. Der Abt Theodoros von Studion ist der letzte große Vor¬ kämpfer der Kirchenfreiheit gewesen, die er verfochten hat im Verein mit dem römischen Papste. Allein er unterlag. Der Islam wurde in seiner Wirkung auf die religiöse Kultur des Reiches beseitigt, die Bilderverehrung im vollen Umfange durch das Versöhnungsdekret von 843 wiederhergestellt und vom Staate übernommen; allein von Freiheit der Kirche ist seitdem in der östlichen Welt nie wieder die Rede gewesen, Staat und Kirche schlössen ihren Bund für immer. Davon war das römische Papsttum des Westens ausgeschlossen. Im siebenten Jahrhundert hatte das Kaisertum seine Macht rücksichtslos gebraucht, die Theologie der Kirche nach Belieben festgesetzt; der widerstrebende Martin der Erste war in Rom verhaftet worden, nach Konstantinopel gebracht und endete im Exil. Kein Wunder, daß das Papsttum mit allen Mitteln danach strebte, sich dieser Zentralgewalt zu entledigen. Anderseits wurde gerade wegen seiner Verbindung mit dem Kaisertum des Westens das Papsttum selbst als fremde, antinationale Macht angesehen und immer empfindlicher wurde das erstarkte Nationalgefühl der Byzantiner gegen den Anspruch des Papstes, in Glaubenssachen oberste Autorität zu sein. Durch die Gewalttätigkeit des Kaisers Basileios wurde zwar der große Photios abgesetzt, die äußerliche Einheit noch gewahrt, allein Bulgarien von Rom getrennt und der griechischen Kirche ein¬ verleibt. Das Schisma ist nicht sogleich eingetreten, eine äußerliche Verbindung hat noch zweihundert Jahre bestanden, befördert durch das Sinken der Kaiscr- gewalt im Westen, die dem östlichen Reiche noch einmal die Hoffnung auf Ge¬ winnung von Italien gab. Aber als sie mit Otto dem Großen wieder erstarkt war, erfolgte die stärkere Anlehnung des Papsttums an das westliche Kaisertum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/364>, abgerufen am 15.01.2025.