Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche als Patriarch die Geschicke der russischen Kirche bestimmt, seit 1657 war er Der Primat des Papstes ist in der Tat die stärkste Ursache der Kirchen¬ Es ist nötig, in die Jahrhunderte der mittelalterlichen Geschichte zurück¬ Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche als Patriarch die Geschicke der russischen Kirche bestimmt, seit 1657 war er Der Primat des Papstes ist in der Tat die stärkste Ursache der Kirchen¬ Es ist nötig, in die Jahrhunderte der mittelalterlichen Geschichte zurück¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322763"/> <fw type="header" place="top"> Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche</fw><lb/> <p xml:id="ID_1739" prev="#ID_1738"> als Patriarch die Geschicke der russischen Kirche bestimmt, seit 1657 war er<lb/> nicht mehr vom Patriarchen in Konstantinopel bestätigt worden; aber Peter der<lb/> Große machte dem russischen Patriarchat durch die Einrichtung des Svnods<lb/> ein Ende.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1740"> Der Primat des Papstes ist in der Tat die stärkste Ursache der Kirchen¬<lb/> trennung geworden, das unüberwindliche Hindernis der Union. Die orthodoxe<lb/> Kirche hält an der Institution der alten Kirche fest, daß die Patriarchate ein¬<lb/> ander gleich an Rechten seien, höchstens dem Bischöfe Roms ein gewisser Vorrang<lb/> an Ehren zukomme als dem Nachfolger des Fürsten der Apostel. Nun ist aber<lb/> seit dem neunten Jahrhundert die Würde des Papstes so gewaltig erhoben<lb/> worden, seine Stellung als oberster Hirte der gesamten christlichen Welt so sicher<lb/> festgestellt, durch das Unfehlbarkeitsdogma in letzter Folgerichtigkeit fo über jede<lb/> kirchliche Organisation und jede andere priesterliche Würde erhoben worden, daß<lb/> ein Nachgeben in diesem Punkte von seiten der Griechen nichts anderes sein<lb/> kann als vollkommene Unterwerfung unter die Entscheidung Roms in allen kirch¬<lb/> lichen Fragen. Hier ist jedes Entgegenkommen von seiten der römischen Kirche<lb/> völlig ausgeschlossen, weil jeder Versuch die Grundlagen der katholischen Kirche<lb/> sofort zertrümmern müßte. Daneben bildet der Anspruch der päpstlichen Kurie<lb/> auf den Primat so sehr und so ausschließlich den Ausgangspunkt des Streites,<lb/> daß die orthodoxe Kirche die Geschichte eines Jahrtausends verleugnen müßte,<lb/> wenn sie hier nachgeben wollte. Sie müßte die namenlosen Qualen von<lb/> Tausenden ihrer Glaubensgenossen, die Zerstörung Konstantinopels durch die<lb/> Kreuzfahrer, den Untergang des griechischen byzantinischen Reiches und der<lb/> nationalen Selbständigkeit gut heißen, wenn sie jemals den päpstlichen Primat<lb/> anerkennen wollte; denn aus Abscheu gegen diese Herrschaft haben sie ja all jenes<lb/> Unheil erlitten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1741" next="#ID_1742"> Es ist nötig, in die Jahrhunderte der mittelalterlichen Geschichte zurück¬<lb/> zugehen, um das vollständig zu verstehen. Es mag eine sehr folgerichtige<lb/> Konstruktion sein, mit der die heute dogmatisch fixierte Stellung des Papsttums<lb/> aus den Anfängen der christlichen Kirche und ihren dogmatischen Grundlagen<lb/> entwickelt wird. Zweifellose Tatsache, unverrückbar geschichtliche Wahrheit bleibt<lb/> daneben, daß es bis zum neunten Jahrhundert kein Dogma von einem päpst¬<lb/> lichen Primat gegeben hat. Man mag alle Ehrentitel häufen, die von Kaisern<lb/> und Fürsten, von Bischöfen und Patriarchen den Päpsten in den ersten Jahr¬<lb/> hunderten bei dieser oder jener Gelegenheit gegeben wurden, sie können die<lb/> Entscheidung des 28. Kanon des Konzils von Chalkedon (451) nicht erschüttern:<lb/> „Unsere Väter haben dem Stuhl des alten Rom den Vorrang zugewiesen, weil<lb/> es die Stadt der Kaiser ist, und mit der gleichen Absicht haben die hundert¬<lb/> fünfzig Bischöfe dem allerheiligsten Stuhl des neuen Rom (Konstantinopel) den<lb/> gleichen Vorrang zugewiesen in der begreiflichen Erwägung, daß eine Stadt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0361]
Griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Airche
als Patriarch die Geschicke der russischen Kirche bestimmt, seit 1657 war er
nicht mehr vom Patriarchen in Konstantinopel bestätigt worden; aber Peter der
Große machte dem russischen Patriarchat durch die Einrichtung des Svnods
ein Ende.
Der Primat des Papstes ist in der Tat die stärkste Ursache der Kirchen¬
trennung geworden, das unüberwindliche Hindernis der Union. Die orthodoxe
Kirche hält an der Institution der alten Kirche fest, daß die Patriarchate ein¬
ander gleich an Rechten seien, höchstens dem Bischöfe Roms ein gewisser Vorrang
an Ehren zukomme als dem Nachfolger des Fürsten der Apostel. Nun ist aber
seit dem neunten Jahrhundert die Würde des Papstes so gewaltig erhoben
worden, seine Stellung als oberster Hirte der gesamten christlichen Welt so sicher
festgestellt, durch das Unfehlbarkeitsdogma in letzter Folgerichtigkeit fo über jede
kirchliche Organisation und jede andere priesterliche Würde erhoben worden, daß
ein Nachgeben in diesem Punkte von seiten der Griechen nichts anderes sein
kann als vollkommene Unterwerfung unter die Entscheidung Roms in allen kirch¬
lichen Fragen. Hier ist jedes Entgegenkommen von seiten der römischen Kirche
völlig ausgeschlossen, weil jeder Versuch die Grundlagen der katholischen Kirche
sofort zertrümmern müßte. Daneben bildet der Anspruch der päpstlichen Kurie
auf den Primat so sehr und so ausschließlich den Ausgangspunkt des Streites,
daß die orthodoxe Kirche die Geschichte eines Jahrtausends verleugnen müßte,
wenn sie hier nachgeben wollte. Sie müßte die namenlosen Qualen von
Tausenden ihrer Glaubensgenossen, die Zerstörung Konstantinopels durch die
Kreuzfahrer, den Untergang des griechischen byzantinischen Reiches und der
nationalen Selbständigkeit gut heißen, wenn sie jemals den päpstlichen Primat
anerkennen wollte; denn aus Abscheu gegen diese Herrschaft haben sie ja all jenes
Unheil erlitten.
Es ist nötig, in die Jahrhunderte der mittelalterlichen Geschichte zurück¬
zugehen, um das vollständig zu verstehen. Es mag eine sehr folgerichtige
Konstruktion sein, mit der die heute dogmatisch fixierte Stellung des Papsttums
aus den Anfängen der christlichen Kirche und ihren dogmatischen Grundlagen
entwickelt wird. Zweifellose Tatsache, unverrückbar geschichtliche Wahrheit bleibt
daneben, daß es bis zum neunten Jahrhundert kein Dogma von einem päpst¬
lichen Primat gegeben hat. Man mag alle Ehrentitel häufen, die von Kaisern
und Fürsten, von Bischöfen und Patriarchen den Päpsten in den ersten Jahr¬
hunderten bei dieser oder jener Gelegenheit gegeben wurden, sie können die
Entscheidung des 28. Kanon des Konzils von Chalkedon (451) nicht erschüttern:
„Unsere Väter haben dem Stuhl des alten Rom den Vorrang zugewiesen, weil
es die Stadt der Kaiser ist, und mit der gleichen Absicht haben die hundert¬
fünfzig Bischöfe dem allerheiligsten Stuhl des neuen Rom (Konstantinopel) den
gleichen Vorrang zugewiesen in der begreiflichen Erwägung, daß eine Stadt,
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