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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

in den Grenzboten eine Reihe gegen das
Weltmonopol RockefellerS und die Allmacht
der Trusts gerichteter Artikel, um die ReichS-
regierung zum Kampf gegen die das Wirt¬
schaftsleben bedrohende Gefahr der Vertrustung
anzufeuern*).

Duimchen, der, bevor er sich der Schrift-
stellerei zuwandte, als Petroleumimporteur
und Großkciusmann jahrzehntelang im Prak¬
tischen Leben gestanden hat, schildert in seinen
Ausführungen die Entstehung und Begrün¬
dung des Petroleumtrusts durch den ebenso
frommen wie skrupelloser ehemaligen Krämer
von Cleveland, John D, Rockefeller, um im An¬
schluß daran mit verschiedenen Märchen der
Volkswirtschaft aufzuräumen. Zunächst mit
dem Axiom, daß die freie Konkurrenz der
Grundpfeiler aller Wirtschaft sei. Seitdem
Rockefeller und Genossen auf dem Plan er¬
schienen sind, seitdem die Trusts große Wirt¬
schaftsgebiete an sich gerissen haben, ist die
freie Konkurrenz ein heiterer Unsinn geworden.
Wir können aus Duimchens Darlegungen
außerdem lernen, daß die Trusts keineswegs
notwendigeWirlschaftsgebildesind, die organisch
aus dem kapitalistischen Wirtschaftsbetrieb her¬
auswachsen, wie dieMien- und freien Handels¬
gesellschaften, sondern daß sie lediglich als
Gründungen eines modernen Raubrittertums
in Betracht kommen. ES sind Gebilde, die
sich auf Korruption aufbauen und Korruption
verbreiten und die einen verhängnisvollen
Einfluß auf unsere sozialen, wirtschaftlichen
und politischen Zustände ausüben können,
sollte ihre Macht nicht noch in letzter Stunde

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durch einen staatlichen Eingriff in ihre so¬
genannte Rechtssphäre gebrochen werden.

Der Petroleumtrust Rockefcllers ist ein
Schulfall. John D. Rockefeller, ein Mensch
ohne höheren Schwung der Seele, der am
Anfang seiner Karriere keinen "blutigen Cent"
-- wie man drüben so schön poetisch sagt --
besitzt, arbeitet wie alle Leute seines Schlages
zunächst in Krämergeschäften, bis er eines
Tages die Entdeckung macht, daß sich mit
dem Gelde anderer erst recht Geld verdienen
läßt. Der Petrolenmhandel hat eS ihm an¬
getan; es schien ihm eine höchst lukrative
Sache, sich die Raffineure und Sllcmdbesitzer
tributpflichtig zu machen, koste eS auch, was
eS wolle -- nämlich das Geld, die Existenz
und daS Leben der anderen.

Und nun begann ein Raubzug, wie ihn
die Welt noch nicht erlebt hat, der nicht mit
Spieß und Schwert, noch mit Kanonen und
Maschinengewehren geführt wurde, sondern
mit den Waffen der Lüge, des Verrates und
der Gaunerei. Er bringt es durch listige
Verträge fertig, daß ohne seinen Willen kein
Barret Petroleum mehr aus dem Olgebiet
exportiert werden kann. Nach und nach setzt
er sich in den Besitz aller Betriebs- und Ver¬
kehrsmittel. Den Olquellenbesitzern überläßt
er als geriebener Geschäftsmann zunächst ihr
Eigentum, damit er nach Gutdünken den
Einkaufspreis des Petroleums bestimmen kann.
Wie ein Keil schiebt er sich zwischen Produ¬
zenten und Konsumenten. Beiden diktiert er
seine Bedingungen, dem einen die Verkaufs-,
dein anderen die Einkaufspreise. Die Kon¬
trolle über die gesamte amerikanische Petro¬
leumproduktion befindet sich in seinen Händen;
anderseits leistet ihm der kleinste Krämer des
Erdenrunds Vasallendienste. "Ein Bauern¬
fänger hat eS dahin gebracht, daß ihm, dem
einzelnen Menschen, seine Zeitgenossen eine
Milliarde haben zahlen müssen, eine Milliarde,
der keine Leistung gegenübersteht: man ver¬
dankt ihm keine technischen Fortschritte, son¬
dern er hat sie mißbraucht, er ,'hat die
Menschen um nichts bereichert, um keinen
Besitz, um keinen einzigen Gedanken."

So standen die Dinge, als Duimchen
seine erste fulminante Anklageschrift gegen
Rockefeller schleuderte. Inzwischen ist der
Petroleumhandel längst zu einem Wellniouopol

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*) Grenzboten, Jahrg. 64, 1395: "Das
Petroleum": 1. Die Karolinger und neuere
Gauner, Heft 46. 2. Wie das Königreich
entstand, Heft 47. 3. Legitimes Geschäft und
Spekulation, Heft 60. 4. Die Eroberung
Europas, Heft 61. 6. Internationale Klepto-
krntie oder Volkskönigtum?, Heft 62. Diese
Hefte sind einzeln für 1 M., zusammen für
3 M. erhältlich. Duimchen hat seine Auf¬
satzreihe zu einem Buche, das in zweiter
Auslage unter dem Titel "Monarchen und
Mammonarchen" erschienen ist, bereinigt.
Freier Literarischer Verlag, Berlin-Tempelhof.
Brosch. 3,60 M, geb. 4,60 M.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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in den Grenzboten eine Reihe gegen das
Weltmonopol RockefellerS und die Allmacht
der Trusts gerichteter Artikel, um die ReichS-
regierung zum Kampf gegen die das Wirt¬
schaftsleben bedrohende Gefahr der Vertrustung
anzufeuern*).

Duimchen, der, bevor er sich der Schrift-
stellerei zuwandte, als Petroleumimporteur
und Großkciusmann jahrzehntelang im Prak¬
tischen Leben gestanden hat, schildert in seinen
Ausführungen die Entstehung und Begrün¬
dung des Petroleumtrusts durch den ebenso
frommen wie skrupelloser ehemaligen Krämer
von Cleveland, John D, Rockefeller, um im An¬
schluß daran mit verschiedenen Märchen der
Volkswirtschaft aufzuräumen. Zunächst mit
dem Axiom, daß die freie Konkurrenz der
Grundpfeiler aller Wirtschaft sei. Seitdem
Rockefeller und Genossen auf dem Plan er¬
schienen sind, seitdem die Trusts große Wirt¬
schaftsgebiete an sich gerissen haben, ist die
freie Konkurrenz ein heiterer Unsinn geworden.
Wir können aus Duimchens Darlegungen
außerdem lernen, daß die Trusts keineswegs
notwendigeWirlschaftsgebildesind, die organisch
aus dem kapitalistischen Wirtschaftsbetrieb her¬
auswachsen, wie dieMien- und freien Handels¬
gesellschaften, sondern daß sie lediglich als
Gründungen eines modernen Raubrittertums
in Betracht kommen. ES sind Gebilde, die
sich auf Korruption aufbauen und Korruption
verbreiten und die einen verhängnisvollen
Einfluß auf unsere sozialen, wirtschaftlichen
und politischen Zustände ausüben können,
sollte ihre Macht nicht noch in letzter Stunde

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durch einen staatlichen Eingriff in ihre so¬
genannte Rechtssphäre gebrochen werden.

Der Petroleumtrust Rockefcllers ist ein
Schulfall. John D. Rockefeller, ein Mensch
ohne höheren Schwung der Seele, der am
Anfang seiner Karriere keinen „blutigen Cent"
— wie man drüben so schön poetisch sagt —
besitzt, arbeitet wie alle Leute seines Schlages
zunächst in Krämergeschäften, bis er eines
Tages die Entdeckung macht, daß sich mit
dem Gelde anderer erst recht Geld verdienen
läßt. Der Petrolenmhandel hat eS ihm an¬
getan; es schien ihm eine höchst lukrative
Sache, sich die Raffineure und Sllcmdbesitzer
tributpflichtig zu machen, koste eS auch, was
eS wolle — nämlich das Geld, die Existenz
und daS Leben der anderen.

Und nun begann ein Raubzug, wie ihn
die Welt noch nicht erlebt hat, der nicht mit
Spieß und Schwert, noch mit Kanonen und
Maschinengewehren geführt wurde, sondern
mit den Waffen der Lüge, des Verrates und
der Gaunerei. Er bringt es durch listige
Verträge fertig, daß ohne seinen Willen kein
Barret Petroleum mehr aus dem Olgebiet
exportiert werden kann. Nach und nach setzt
er sich in den Besitz aller Betriebs- und Ver¬
kehrsmittel. Den Olquellenbesitzern überläßt
er als geriebener Geschäftsmann zunächst ihr
Eigentum, damit er nach Gutdünken den
Einkaufspreis des Petroleums bestimmen kann.
Wie ein Keil schiebt er sich zwischen Produ¬
zenten und Konsumenten. Beiden diktiert er
seine Bedingungen, dem einen die Verkaufs-,
dein anderen die Einkaufspreise. Die Kon¬
trolle über die gesamte amerikanische Petro¬
leumproduktion befindet sich in seinen Händen;
anderseits leistet ihm der kleinste Krämer des
Erdenrunds Vasallendienste. „Ein Bauern¬
fänger hat eS dahin gebracht, daß ihm, dem
einzelnen Menschen, seine Zeitgenossen eine
Milliarde haben zahlen müssen, eine Milliarde,
der keine Leistung gegenübersteht: man ver¬
dankt ihm keine technischen Fortschritte, son¬
dern er hat sie mißbraucht, er ,'hat die
Menschen um nichts bereichert, um keinen
Besitz, um keinen einzigen Gedanken."

So standen die Dinge, als Duimchen
seine erste fulminante Anklageschrift gegen
Rockefeller schleuderte. Inzwischen ist der
Petroleumhandel längst zu einem Wellniouopol

[Ende Spaltensatz]
*) Grenzboten, Jahrg. 64, 1395: „Das
Petroleum": 1. Die Karolinger und neuere
Gauner, Heft 46. 2. Wie das Königreich
entstand, Heft 47. 3. Legitimes Geschäft und
Spekulation, Heft 60. 4. Die Eroberung
Europas, Heft 61. 6. Internationale Klepto-
krntie oder Volkskönigtum?, Heft 62. Diese
Hefte sind einzeln für 1 M., zusammen für
3 M. erhältlich. Duimchen hat seine Auf¬
satzreihe zu einem Buche, das in zweiter
Auslage unter dem Titel „Monarchen und
Mammonarchen" erschienen ist, bereinigt.
Freier Literarischer Verlag, Berlin-Tempelhof.
Brosch. 3,60 M, geb. 4,60 M.
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[0346] Maßgebliches und Unmaßgebliches in den Grenzboten eine Reihe gegen das Weltmonopol RockefellerS und die Allmacht der Trusts gerichteter Artikel, um die ReichS- regierung zum Kampf gegen die das Wirt¬ schaftsleben bedrohende Gefahr der Vertrustung anzufeuern*). Duimchen, der, bevor er sich der Schrift- stellerei zuwandte, als Petroleumimporteur und Großkciusmann jahrzehntelang im Prak¬ tischen Leben gestanden hat, schildert in seinen Ausführungen die Entstehung und Begrün¬ dung des Petroleumtrusts durch den ebenso frommen wie skrupelloser ehemaligen Krämer von Cleveland, John D, Rockefeller, um im An¬ schluß daran mit verschiedenen Märchen der Volkswirtschaft aufzuräumen. Zunächst mit dem Axiom, daß die freie Konkurrenz der Grundpfeiler aller Wirtschaft sei. Seitdem Rockefeller und Genossen auf dem Plan er¬ schienen sind, seitdem die Trusts große Wirt¬ schaftsgebiete an sich gerissen haben, ist die freie Konkurrenz ein heiterer Unsinn geworden. Wir können aus Duimchens Darlegungen außerdem lernen, daß die Trusts keineswegs notwendigeWirlschaftsgebildesind, die organisch aus dem kapitalistischen Wirtschaftsbetrieb her¬ auswachsen, wie dieMien- und freien Handels¬ gesellschaften, sondern daß sie lediglich als Gründungen eines modernen Raubrittertums in Betracht kommen. ES sind Gebilde, die sich auf Korruption aufbauen und Korruption verbreiten und die einen verhängnisvollen Einfluß auf unsere sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zustände ausüben können, sollte ihre Macht nicht noch in letzter Stunde durch einen staatlichen Eingriff in ihre so¬ genannte Rechtssphäre gebrochen werden. Der Petroleumtrust Rockefcllers ist ein Schulfall. John D. Rockefeller, ein Mensch ohne höheren Schwung der Seele, der am Anfang seiner Karriere keinen „blutigen Cent" — wie man drüben so schön poetisch sagt — besitzt, arbeitet wie alle Leute seines Schlages zunächst in Krämergeschäften, bis er eines Tages die Entdeckung macht, daß sich mit dem Gelde anderer erst recht Geld verdienen läßt. Der Petrolenmhandel hat eS ihm an¬ getan; es schien ihm eine höchst lukrative Sache, sich die Raffineure und Sllcmdbesitzer tributpflichtig zu machen, koste eS auch, was eS wolle — nämlich das Geld, die Existenz und daS Leben der anderen. Und nun begann ein Raubzug, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hat, der nicht mit Spieß und Schwert, noch mit Kanonen und Maschinengewehren geführt wurde, sondern mit den Waffen der Lüge, des Verrates und der Gaunerei. Er bringt es durch listige Verträge fertig, daß ohne seinen Willen kein Barret Petroleum mehr aus dem Olgebiet exportiert werden kann. Nach und nach setzt er sich in den Besitz aller Betriebs- und Ver¬ kehrsmittel. Den Olquellenbesitzern überläßt er als geriebener Geschäftsmann zunächst ihr Eigentum, damit er nach Gutdünken den Einkaufspreis des Petroleums bestimmen kann. Wie ein Keil schiebt er sich zwischen Produ¬ zenten und Konsumenten. Beiden diktiert er seine Bedingungen, dem einen die Verkaufs-, dein anderen die Einkaufspreise. Die Kon¬ trolle über die gesamte amerikanische Petro¬ leumproduktion befindet sich in seinen Händen; anderseits leistet ihm der kleinste Krämer des Erdenrunds Vasallendienste. „Ein Bauern¬ fänger hat eS dahin gebracht, daß ihm, dem einzelnen Menschen, seine Zeitgenossen eine Milliarde haben zahlen müssen, eine Milliarde, der keine Leistung gegenübersteht: man ver¬ dankt ihm keine technischen Fortschritte, son¬ dern er hat sie mißbraucht, er ,'hat die Menschen um nichts bereichert, um keinen Besitz, um keinen einzigen Gedanken." So standen die Dinge, als Duimchen seine erste fulminante Anklageschrift gegen Rockefeller schleuderte. Inzwischen ist der Petroleumhandel längst zu einem Wellniouopol *) Grenzboten, Jahrg. 64, 1395: „Das Petroleum": 1. Die Karolinger und neuere Gauner, Heft 46. 2. Wie das Königreich entstand, Heft 47. 3. Legitimes Geschäft und Spekulation, Heft 60. 4. Die Eroberung Europas, Heft 61. 6. Internationale Klepto- krntie oder Volkskönigtum?, Heft 62. Diese Hefte sind einzeln für 1 M., zusammen für 3 M. erhältlich. Duimchen hat seine Auf¬ satzreihe zu einem Buche, das in zweiter Auslage unter dem Titel „Monarchen und Mammonarchen" erschienen ist, bereinigt. Freier Literarischer Verlag, Berlin-Tempelhof. Brosch. 3,60 M, geb. 4,60 M.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/346>, abgerufen am 15.01.2025.