Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Die Zukunft der Fideikommisse sie die Sache auch anders auffassen sollen I Gleichzeitig wurde damals die Ein¬ Hier ist nun zu erwähnen, daß' das Landrecht selbst keineswegs, wie meist Die Zukunft der Fideikommisse sie die Sache auch anders auffassen sollen I Gleichzeitig wurde damals die Ein¬ Hier ist nun zu erwähnen, daß' das Landrecht selbst keineswegs, wie meist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322732"/> <fw type="header" place="top"> Die Zukunft der Fideikommisse</fw><lb/> <p xml:id="ID_1535" prev="#ID_1534"> sie die Sache auch anders auffassen sollen I Gleichzeitig wurde damals die Ein¬<lb/> führung einer sogenannten Verbesserungsmasse vorgeschlagen, die auch aus<lb/> jährlichen Rücklagen gespeist werden und zu Meliorationen dienen sollte. Gegen<lb/> die letztere Einrichtung wurde nicht ohne Berechtigung seitens der Fideikommi߬<lb/> besitzer eingewandt, daß sie nur dem Gut das Geld entziehen werde, das besser<lb/> in dasselbe hineinzustecken sei. Hinsichtlich beider Massen aber besteht das Be¬<lb/> denken, daß sie tot und mechanisch wirken müssen, während eine gesunde Fort¬<lb/> entwicklung, die gleichzeitig auf Billigung seitens der Beteiligten selbst Anspruch<lb/> hätte, bestehen müßte in erweiterter Bewegungsfreiheit und lebendiger Betätigung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1536" next="#ID_1537"> Hier ist nun zu erwähnen, daß' das Landrecht selbst keineswegs, wie meist<lb/> angenommen wird, die Vereinigung des gesamten Gutsertrages allein in der<lb/> Hand des Besitzers als unbedingtes Erfordernis hinstellt. Vielmehr muß nur<lb/> dem zeitigen Besitzer der (nach heutigen Verhältnissen in der Tat recht bescheidene)<lb/> Reinertrag von 1250 Talern zur freien Verwendung übrig bleiben; der ganze<lb/> weitere Überschuß — abgesehen wohl von den Naturalien — kann mit „Prä¬<lb/> stationen" belegt werden, und zwar sowohl zum Besten der Kinder des jedes¬<lb/> maligen Fideikommißbesitzers, als zu Reserve- und Verbesserungszwecken. Bei<lb/> einer Reform wird es also im wesentlichen darauf ankommen, daß das, was<lb/> das Landrecht bereits fakultativ zuläßt, was die Praxis aber fast beseitigt hat,<lb/> obligatorisch wird. Zu diesem Ziel mag es viele zweckmäßige Wege geben.<lb/> Einer hat sich bereits freiwillig herausgebildet: es ist dies die Übernahme einer<lb/> hohen Lebensversicherung durch den Fideikommißbesitzer; indessen kann sie<lb/> schwerlich zur gesetzlichen Verpflichtung gemacht werden. Ein andrer Weg<lb/> sei hier erwähnt: Man lege jedem Fideikommißbesitzer die Befugnis bei,<lb/> in gewissen satzungsmäßig bestimmten oder behördlich kontrollierten Grenzen<lb/> zugunsten der Witwe und der im Besitz nicht folgenden Kinder letztwillige Ver¬<lb/> fügungen zu treffen, insbesondere Leibrentenvermüchtnisse auszusetzen. Diese<lb/> Bestimmung ist in einer mir bekannten Stiftungsurkunde vom Königl. Kammer¬<lb/> gericht bestätigt worden und hat auch die landesherrliche Genehmigung gefunden.<lb/> Eine derartige Regelung beschränkt die gegenwärtigen Fideikommißbesitzer nicht<lb/> in ihren Einkommensverhältnissen — was aus praktisch-politischen Gründen<lb/> von erheblicher Bedeutung ist —, sie macht die besondere Abfindungsstiftung<lb/> unnötig und setzt ein Lebens- und verantwortungsvolles Verfügungsrecht an<lb/> Stelle einer mechanischen Zwangsansammlung. Im allgemeinen wird ja auch<lb/> der Familienvater am besten entscheiden können, wie die finanzielle Dotierung<lb/> seiner Angehörigen einzurichten ist; nur daß er während seines Lebens sehr oft<lb/> nicht die Charakterstärke hat, die nötigen Rücklagen zu machen, oder daß er<lb/> infolge der immer neuen Anforderungen des Betriebes nicht dazu kommt. Das<lb/> Gut selbst soll also die Sparkasse auch des Fideikommißbesitzers bleiben, aus<lb/> der er bei seinem Tode schöpft. Auf diese Weise wird gleichzeitig die An¬<lb/> sammlung einer besonderen Verbesserungsmasse entbehrlich. Und dies ist heute<lb/> von erheblicher Bedeutung, da die Notwendigkeit immer intensiver werdender</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
Die Zukunft der Fideikommisse
sie die Sache auch anders auffassen sollen I Gleichzeitig wurde damals die Ein¬
führung einer sogenannten Verbesserungsmasse vorgeschlagen, die auch aus
jährlichen Rücklagen gespeist werden und zu Meliorationen dienen sollte. Gegen
die letztere Einrichtung wurde nicht ohne Berechtigung seitens der Fideikommi߬
besitzer eingewandt, daß sie nur dem Gut das Geld entziehen werde, das besser
in dasselbe hineinzustecken sei. Hinsichtlich beider Massen aber besteht das Be¬
denken, daß sie tot und mechanisch wirken müssen, während eine gesunde Fort¬
entwicklung, die gleichzeitig auf Billigung seitens der Beteiligten selbst Anspruch
hätte, bestehen müßte in erweiterter Bewegungsfreiheit und lebendiger Betätigung.
Hier ist nun zu erwähnen, daß' das Landrecht selbst keineswegs, wie meist
angenommen wird, die Vereinigung des gesamten Gutsertrages allein in der
Hand des Besitzers als unbedingtes Erfordernis hinstellt. Vielmehr muß nur
dem zeitigen Besitzer der (nach heutigen Verhältnissen in der Tat recht bescheidene)
Reinertrag von 1250 Talern zur freien Verwendung übrig bleiben; der ganze
weitere Überschuß — abgesehen wohl von den Naturalien — kann mit „Prä¬
stationen" belegt werden, und zwar sowohl zum Besten der Kinder des jedes¬
maligen Fideikommißbesitzers, als zu Reserve- und Verbesserungszwecken. Bei
einer Reform wird es also im wesentlichen darauf ankommen, daß das, was
das Landrecht bereits fakultativ zuläßt, was die Praxis aber fast beseitigt hat,
obligatorisch wird. Zu diesem Ziel mag es viele zweckmäßige Wege geben.
Einer hat sich bereits freiwillig herausgebildet: es ist dies die Übernahme einer
hohen Lebensversicherung durch den Fideikommißbesitzer; indessen kann sie
schwerlich zur gesetzlichen Verpflichtung gemacht werden. Ein andrer Weg
sei hier erwähnt: Man lege jedem Fideikommißbesitzer die Befugnis bei,
in gewissen satzungsmäßig bestimmten oder behördlich kontrollierten Grenzen
zugunsten der Witwe und der im Besitz nicht folgenden Kinder letztwillige Ver¬
fügungen zu treffen, insbesondere Leibrentenvermüchtnisse auszusetzen. Diese
Bestimmung ist in einer mir bekannten Stiftungsurkunde vom Königl. Kammer¬
gericht bestätigt worden und hat auch die landesherrliche Genehmigung gefunden.
Eine derartige Regelung beschränkt die gegenwärtigen Fideikommißbesitzer nicht
in ihren Einkommensverhältnissen — was aus praktisch-politischen Gründen
von erheblicher Bedeutung ist —, sie macht die besondere Abfindungsstiftung
unnötig und setzt ein Lebens- und verantwortungsvolles Verfügungsrecht an
Stelle einer mechanischen Zwangsansammlung. Im allgemeinen wird ja auch
der Familienvater am besten entscheiden können, wie die finanzielle Dotierung
seiner Angehörigen einzurichten ist; nur daß er während seines Lebens sehr oft
nicht die Charakterstärke hat, die nötigen Rücklagen zu machen, oder daß er
infolge der immer neuen Anforderungen des Betriebes nicht dazu kommt. Das
Gut selbst soll also die Sparkasse auch des Fideikommißbesitzers bleiben, aus
der er bei seinem Tode schöpft. Auf diese Weise wird gleichzeitig die An¬
sammlung einer besonderen Verbesserungsmasse entbehrlich. Und dies ist heute
von erheblicher Bedeutung, da die Notwendigkeit immer intensiver werdender
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