Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Die Zukunft der Fideikommisse Forstbeamten oder einen Beamten der Landwirtschaftskammer mit beratender Ein oft gerügter Mißstand des Fideikommißwesens ist die meist fehlende An sich dürften nach dem oben Gesagten diese kleinen Fideikommisse nun Die Zukunft der Fideikommisse Forstbeamten oder einen Beamten der Landwirtschaftskammer mit beratender Ein oft gerügter Mißstand des Fideikommißwesens ist die meist fehlende An sich dürften nach dem oben Gesagten diese kleinen Fideikommisse nun <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0329" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322731"/> <fw type="header" place="top"> Die Zukunft der Fideikommisse</fw><lb/> <p xml:id="ID_1532" prev="#ID_1531"> Forstbeamten oder einen Beamten der Landwirtschaftskammer mit beratender<lb/> Stimme zuzuziehen, müßte statthaft sein. Dagegen dürfte eine völlige Abtrennung<lb/> der Fideikommißaufsicht von den Justizbehörden, die man auch erwogen hat,<lb/> zu weit gehen; es handelt sich doch immer noch um ein auf rein privatrecht¬<lb/> lichen Boden erwachsenes Institut, und man soll auch hier den Faden nicht<lb/> abschneiden, der an die Vergangenheit anknüpft. Die in der vorgeschlagenen<lb/> Weise zusammengesetzte Aufsichtsbehörde dürfte sowohl für die Beurteilung der<lb/> privaten Rechtsfragen wie der heute einschlägigen wirtschaftlichen und öffent¬<lb/> lichen Fragen berufen sein und würde die Grenze des aussichtlichen Gebietes<lb/> in geeigneten Fällen (Minderjährigkeit, Mißwirtschaft) weiter stecken können,<lb/> als das heute der Fall ist; auf sie könnte die heutige Mitwirkung der Agnaten,<lb/> die nicht immer rein sachlich und nicht immer frei von persönlichen Tendenzen<lb/> ist, zum guten Teil übergehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1533"> Ein oft gerügter Mißstand des Fideikommißwesens ist die meist fehlende<lb/> Abfindung der jüngeren Kinder. Nach der landrechtlichen Auffassung sollte der<lb/> Fideikommißbesitzer durch Festsetzung eines Mindesteinkommens von 2500 Talern<lb/> so reichlich gestellt sein, daß er in allen Fällen für die jüngeren Kinder genügend<lb/> viel zurücklegen könnte. Dieses System ist vom heutigen Standpunkte, wo alle<lb/> Rechtsverhältnisse so viel feiner ausgearbeitet sind, ein recht plumpes zu nennen;<lb/> denn niemand steht dafür ein und niemand kontrolliert, daß der Fideikommi߬<lb/> besitzer diese lediglich moralische Pflicht des Zurücklegens auch erfüllt. Dazu<lb/> kommt, daß der landrechtliche Mindestsatz von 2500 Talern (derGeldwert war damals<lb/> etwa der sechsfache, der damalige Mindestsatz entspricht also einem heutigen<lb/> Einkommen von 45000 Mark) heute kein reichliches Einkommen mehr darstellt,<lb/> und daß er als barer Reinertrag ohne Anrechnung der Naturalien gemeint<lb/> war. Rechnet man die Naturalien hinzu, die früher allgemein unberücksichtigt<lb/> blieben, aber seit den Miquelschen Steuergesetzen einen sehr wesentlichen Teil<lb/> des landwirtschaftlichen Einkommens ausmachen, so kommt man nach heutigen<lb/> Verhältnissen auf einen noch viel höheren Satz. So sind mit dem Sinken des<lb/> Geldwertes inzwischen eine große Menge Fideikommisse entstanden, die wegen<lb/> ihrer Kleinheit zu landrechtlicher Zeit unmöglich gewesen wären und deren<lb/> Besitzer nicht ohne weiteres einen Überschuß behufs Ansammlung übrig behalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1534" next="#ID_1535"> An sich dürften nach dem oben Gesagten diese kleinen Fideikommisse nun<lb/> zwar keineswegs ein volkswirtschaftlicher Nachteil sein. Es muß nur, da die<lb/> Voraussetzung des Landrechts für die Ansammlung einer Abfindung weggefallen<lb/> ist, auf anderm Wege für die Abfindung gesorgt werden, damit das Fidei-<lb/> kommißwesen nicht schlechter eingerichtet ist als das Anerbenrecht. In einem<lb/> Entwurf von 1903 suchte die Regierung durch Einführung einer Abfindungs¬<lb/> stiftung dem bestehenden Mißstände abzuhelfen, stieß aber damit auf den Wider¬<lb/> stand der Fideikommißbesitzer selbst, die in dieser Maßregel und den mit ihr<lb/> verbundenen jährlichen Rücklagen eine starke Beschränkung ihrer bisherigen Ein¬<lb/> nahmen und ihres freien Verfügungsrechts über die Erträge sahen. Wie hätten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0329]
Die Zukunft der Fideikommisse
Forstbeamten oder einen Beamten der Landwirtschaftskammer mit beratender
Stimme zuzuziehen, müßte statthaft sein. Dagegen dürfte eine völlige Abtrennung
der Fideikommißaufsicht von den Justizbehörden, die man auch erwogen hat,
zu weit gehen; es handelt sich doch immer noch um ein auf rein privatrecht¬
lichen Boden erwachsenes Institut, und man soll auch hier den Faden nicht
abschneiden, der an die Vergangenheit anknüpft. Die in der vorgeschlagenen
Weise zusammengesetzte Aufsichtsbehörde dürfte sowohl für die Beurteilung der
privaten Rechtsfragen wie der heute einschlägigen wirtschaftlichen und öffent¬
lichen Fragen berufen sein und würde die Grenze des aussichtlichen Gebietes
in geeigneten Fällen (Minderjährigkeit, Mißwirtschaft) weiter stecken können,
als das heute der Fall ist; auf sie könnte die heutige Mitwirkung der Agnaten,
die nicht immer rein sachlich und nicht immer frei von persönlichen Tendenzen
ist, zum guten Teil übergehen.
Ein oft gerügter Mißstand des Fideikommißwesens ist die meist fehlende
Abfindung der jüngeren Kinder. Nach der landrechtlichen Auffassung sollte der
Fideikommißbesitzer durch Festsetzung eines Mindesteinkommens von 2500 Talern
so reichlich gestellt sein, daß er in allen Fällen für die jüngeren Kinder genügend
viel zurücklegen könnte. Dieses System ist vom heutigen Standpunkte, wo alle
Rechtsverhältnisse so viel feiner ausgearbeitet sind, ein recht plumpes zu nennen;
denn niemand steht dafür ein und niemand kontrolliert, daß der Fideikommi߬
besitzer diese lediglich moralische Pflicht des Zurücklegens auch erfüllt. Dazu
kommt, daß der landrechtliche Mindestsatz von 2500 Talern (derGeldwert war damals
etwa der sechsfache, der damalige Mindestsatz entspricht also einem heutigen
Einkommen von 45000 Mark) heute kein reichliches Einkommen mehr darstellt,
und daß er als barer Reinertrag ohne Anrechnung der Naturalien gemeint
war. Rechnet man die Naturalien hinzu, die früher allgemein unberücksichtigt
blieben, aber seit den Miquelschen Steuergesetzen einen sehr wesentlichen Teil
des landwirtschaftlichen Einkommens ausmachen, so kommt man nach heutigen
Verhältnissen auf einen noch viel höheren Satz. So sind mit dem Sinken des
Geldwertes inzwischen eine große Menge Fideikommisse entstanden, die wegen
ihrer Kleinheit zu landrechtlicher Zeit unmöglich gewesen wären und deren
Besitzer nicht ohne weiteres einen Überschuß behufs Ansammlung übrig behalten.
An sich dürften nach dem oben Gesagten diese kleinen Fideikommisse nun
zwar keineswegs ein volkswirtschaftlicher Nachteil sein. Es muß nur, da die
Voraussetzung des Landrechts für die Ansammlung einer Abfindung weggefallen
ist, auf anderm Wege für die Abfindung gesorgt werden, damit das Fidei-
kommißwesen nicht schlechter eingerichtet ist als das Anerbenrecht. In einem
Entwurf von 1903 suchte die Regierung durch Einführung einer Abfindungs¬
stiftung dem bestehenden Mißstände abzuhelfen, stieß aber damit auf den Wider¬
stand der Fideikommißbesitzer selbst, die in dieser Maßregel und den mit ihr
verbundenen jährlichen Rücklagen eine starke Beschränkung ihrer bisherigen Ein¬
nahmen und ihres freien Verfügungsrechts über die Erträge sahen. Wie hätten
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