Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Prometheus und Zarathustra Gefolgschaft Nietzsches verwiesen, als Nietzsches Schüler abgestempelt und als 1904 stellt Weingärtner*) die der bisherigen entgegengesetzte Hypothese Im Kunstwart Band XVI 3, Seite 134, erklärt darauf Spitteler selbst: Nun konnte die Frage nicht mehr unerörtert bleiben. Im Morgen 1908 ") Felix Weingärtner: "Carl Spitteler." München und Leipzig 1904. S. 61. **" ) Carl Spitteler: "Meine Beziehungen zu Nietzsche. Südd. Monatshefte Verl. 1908.
Prometheus und Zarathustra Gefolgschaft Nietzsches verwiesen, als Nietzsches Schüler abgestempelt und als 1904 stellt Weingärtner*) die der bisherigen entgegengesetzte Hypothese Im Kunstwart Band XVI 3, Seite 134, erklärt darauf Spitteler selbst: Nun konnte die Frage nicht mehr unerörtert bleiben. Im Morgen 1908 ") Felix Weingärtner: „Carl Spitteler." München und Leipzig 1904. S. 61. **" ) Carl Spitteler: „Meine Beziehungen zu Nietzsche. Südd. Monatshefte Verl. 1908.
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Prometheus und Zarathustra
Gefolgschaft Nietzsches verwiesen, als Nietzsches Schüler abgestempelt und als
solcher hielt er in Richard M. Meyers Literaturgeschichte seinen Einzug. Im
Kunstwart (Novemberheft 1902) haben dann Spittelers Freunde, später er selbst,
auf die Tatsache hingewiesen, daß der „Prometheus" vor dem „Zarathustra"
erschien und somit eine Abhängigkeit von Spittelers Seite ein Ding der
Unmöglichkeit wäre.
1904 stellt Weingärtner*) die der bisherigen entgegengesetzte Hypothese
kühn und bestimmt auf. „Ein einziges Werk kann zum Vergleich herangezogen
werden, nämlich Nietzsches .Also sprach Zarathustra', und zwar hauptsächlich
deshalb, weil Nietzsche den vor dreißig Jahren erschienenen .Prometheus'
Spittelers gekannt hat und, wie der Leser vielleicht schon aus einigen An¬
deutungen bemerkt haben wird, sichtlich von ihm beeinflußt worden ist." Wein-
gärtner enthält sich jeder historischen Beweisführung.
Im Kunstwart Band XVI 3, Seite 134, erklärt darauf Spitteler selbst:
„Nietzsche kannte den .Epimetheus', ehe er den .Zarathustra' schrieb."
Nun konnte die Frage nicht mehr unerörtert bleiben. Im Morgen 1908
griff Frau Förster nun Spitteler und Widmann in der ihr eigenen, unlieb¬
samen Art an („Nietzsche und die Kritik"). Darauf legte Spitteler**) einen
ausführlichen Bericht ab über seine Beziehungen zu Nietzsche in einer Vorlesung
vor dem neuen Verein in München, die dann in Buchform erschienen ist. Die
Behauptung, Nietzsche hätte den „Prometheus" gekannt, bevor er seinen
„Zarathustra" schrieb, hält Spitteler hier nicht mit der Unbedingtheit seines
Kunstwartartikels aufrecht. „Er hatte meinen.Prometheus' gelesen," heißt es
auf Seite 21, „ob früher oder eben erst jetzt (1887, also nach .Zarathustra')
kommt hier nicht in Betracht." Spitteler belegt zwar diese Meinung nicht,
allein er gibt auf Seite 16 bis 19 eine ausführliche Erzählung der Ereignisse,
die die Tatsache höchstwahrscheinlich erscheinen ließen. „Im Januar 1881
begeisterten sich für das Buch neben vereinzelten Schriftstellern im besonderen
einige ehemalige Schüler Nietzsches." Man wollte das Buch Nietzsche zeigen,
Spitteler verwahrte sich dagegen. „Wenn man mich aber fragt, was ich sonst
von der Möglichkeit halte, daß Nietzsche schon damals, oder bald darauf (also
im Jahre 1381 oder 1882) meinen .Prometheus' durch einen merkwürdigen
Zufall könnte kennen gelernt haben, so antworte ich: Ich halte es nicht bloß
für möglich, sondern für wahrscheinlich; ja, wenn ich meine Meinung ganz
aussprechen darf — und warum sollte ich sie nicht ganz aussprechen dürfen? —
so sage ich, es müßte ein merkwürdiger Zufall sein, wenn Nietzsche das Buch
nicht schon damals (1881 oder 1832) kennen gelernt hätte. Man muß eben
wissen, daß trotz dem Stillschweigen der Presse der .Prometheus' in den
höchsten Kreisen der literarischen und gelehrten Welt der Schweiz außerordent¬
liches Aufsehen erregte.
") Felix Weingärtner: „Carl Spitteler." München und Leipzig 1904. S. 61.
**"
) Carl Spitteler: „Meine Beziehungen zu Nietzsche. Südd. Monatshefte Verl. 1908.
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