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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspicgel

trachten müssen, das Gesetz lediglich als das zu benutzen, was es sein kann:
als eine Handhabe gegen die ungesunde, die Nation gefährdende
Bodenspekulation, nicht aber als eine solche im Nationalitätenkampf.
Es wäre falsch, wenn wir unsere Maßnahmen nach der Ansicht einstellen wollten,
daß es die Polen sind, die uns aus der Oftmark vertreiben; Tatsache ist, und das
gilt als fest im Auge zu behalten, daß es die wirtschaftliche Entwicklung, daß es
die zunehmende Jndustriealisierung des Westens gewesen, die uns die Be¬
völkerung des Ostens abspenstig gemacht hat. Nicht gegen die Polen kolonisieren
wir im Osten, wir kolonisieren, um die Schäden einer einseitigen wirtschaftlichen
Entwicklung auszugleichen. Dieses Zusammenhanges müssen wir uns dauernd
bewußt bleiben, damit wir niemals Ursache und Folgeerscheinung im Kampf
um die Ostmark verwechseln.

Die Polen und leider auch die ultramontanen Führer der Zentrumspartei
sind blind genug, diese Tatsache nicht anerkennen zu wollen. Sie zeigen damit,
daß sie trotz allen entgegengesetzten Beteuerungen und trotz allen Versuchen,
die öffentliche Meinung in Deutschland einzuschläfern, an ihrem Traum fest¬
halten, ein selbständiges oder ein autonomes Polen unter Verletzung der
deutschen Reichsgrenzen wieder aufzurichten. Über diese Tatsache hilft keine
Versöhnungskomödie hinweg. Das wird nun wohl auch Herr Professor Hans
Delbrück einsehen, nachdem ihn, der sich so viel um einen deutsch-polnischen
Ausgleich bemüht hat, jüngst ein polnischer Publizist als viel gefährlicher für
die Polen hinstellte als die "Hakatisten". Zwischen den Polen und den
Teilungsmächten gibt es solange keine ehrliche Aussöhnung als bis das Reich
der Jagelonen wiederhergestellt ist, oder bis die nicht nach Amerika aus¬
gewanderten Polen sich den Deutschen assimilierten. Wir wollen auf diesen
Zeitpunkt nicht warten. Wir können dem Einbruch der polnischen Flut in das
von der Industrie gerissene Loch nur begegnen, wenn wir das Loch wieder
zustopfen mit unserem eigenen Menschenmaterial, das natürlich stärker als
jene sind sein muß, stärker an Zahl und Tüchtigkeit. Das aber können wir
nur, wenn wir eine nationale Wirtschaftspolitik befolgen, eine solche, die das
Volk und nicht eine solche, die das rollende Kapital in erster Linie im Auge hat.


G, Li,
Bank, Geld und Wirtschaft

Die augenblickliche Geldmarktlage -- Das Neichspetrolenmmonopol -- Tendenz gegen
Privatmonopole -- Schutz der Konsumenten -- Finanzielle Vorteile für das Reich --
Die geplante Durchführung -- Bedeutung des Petroleumtrusts -- Bedenken -- Die
deutschen Groszbcmkinteressen -- Deutsche Bank -- Diskontogesellschaft

Der militärische und administrative Zusammenbruch der Türkei erscheint
heute noch nicht so absolut unabwendbar, daß man daraufhin schon die wirt¬
schaftspolitischen Folgen desselben voraussagen dürfte.

Infolgedessen mögen die damit verbundenen Sorgen und Erörterungen einer
späteren Zeit vorbehalten bleiben. Andere Sorgen liegen uns augenblicklich näher.


Grenzboten IV 1912 37
Reichsspicgel

trachten müssen, das Gesetz lediglich als das zu benutzen, was es sein kann:
als eine Handhabe gegen die ungesunde, die Nation gefährdende
Bodenspekulation, nicht aber als eine solche im Nationalitätenkampf.
Es wäre falsch, wenn wir unsere Maßnahmen nach der Ansicht einstellen wollten,
daß es die Polen sind, die uns aus der Oftmark vertreiben; Tatsache ist, und das
gilt als fest im Auge zu behalten, daß es die wirtschaftliche Entwicklung, daß es
die zunehmende Jndustriealisierung des Westens gewesen, die uns die Be¬
völkerung des Ostens abspenstig gemacht hat. Nicht gegen die Polen kolonisieren
wir im Osten, wir kolonisieren, um die Schäden einer einseitigen wirtschaftlichen
Entwicklung auszugleichen. Dieses Zusammenhanges müssen wir uns dauernd
bewußt bleiben, damit wir niemals Ursache und Folgeerscheinung im Kampf
um die Ostmark verwechseln.

Die Polen und leider auch die ultramontanen Führer der Zentrumspartei
sind blind genug, diese Tatsache nicht anerkennen zu wollen. Sie zeigen damit,
daß sie trotz allen entgegengesetzten Beteuerungen und trotz allen Versuchen,
die öffentliche Meinung in Deutschland einzuschläfern, an ihrem Traum fest¬
halten, ein selbständiges oder ein autonomes Polen unter Verletzung der
deutschen Reichsgrenzen wieder aufzurichten. Über diese Tatsache hilft keine
Versöhnungskomödie hinweg. Das wird nun wohl auch Herr Professor Hans
Delbrück einsehen, nachdem ihn, der sich so viel um einen deutsch-polnischen
Ausgleich bemüht hat, jüngst ein polnischer Publizist als viel gefährlicher für
die Polen hinstellte als die „Hakatisten". Zwischen den Polen und den
Teilungsmächten gibt es solange keine ehrliche Aussöhnung als bis das Reich
der Jagelonen wiederhergestellt ist, oder bis die nicht nach Amerika aus¬
gewanderten Polen sich den Deutschen assimilierten. Wir wollen auf diesen
Zeitpunkt nicht warten. Wir können dem Einbruch der polnischen Flut in das
von der Industrie gerissene Loch nur begegnen, wenn wir das Loch wieder
zustopfen mit unserem eigenen Menschenmaterial, das natürlich stärker als
jene sind sein muß, stärker an Zahl und Tüchtigkeit. Das aber können wir
nur, wenn wir eine nationale Wirtschaftspolitik befolgen, eine solche, die das
Volk und nicht eine solche, die das rollende Kapital in erster Linie im Auge hat.


G, Li,
Bank, Geld und Wirtschaft

Die augenblickliche Geldmarktlage — Das Neichspetrolenmmonopol — Tendenz gegen
Privatmonopole — Schutz der Konsumenten — Finanzielle Vorteile für das Reich —
Die geplante Durchführung — Bedeutung des Petroleumtrusts — Bedenken — Die
deutschen Groszbcmkinteressen — Deutsche Bank — Diskontogesellschaft

Der militärische und administrative Zusammenbruch der Türkei erscheint
heute noch nicht so absolut unabwendbar, daß man daraufhin schon die wirt¬
schaftspolitischen Folgen desselben voraussagen dürfte.

Infolgedessen mögen die damit verbundenen Sorgen und Erörterungen einer
späteren Zeit vorbehalten bleiben. Andere Sorgen liegen uns augenblicklich näher.


Grenzboten IV 1912 37
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/296>, abgerufen am 15.01.2025.