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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Koloniale Fortschritte

anerkannt hatte. Die Farmer kamen nicht weiter, weil es ihnen an Mitteln
fehlt, ihren Grund und Boden intensiver auszunutzen. Es ist dieselbe Erscheinung,
die wir aus der Geschichte der heimischen Landwirtschaft kennen. Auch hier ist
sie erst dann richtig lebensfähig geworden, als ein unter tatkräftiger Mitwirkung
des Staates organisiertes Genossenschaftswesen und ähnliche Maßnahmen auch
dem schwächeren Landwirt die Mittel an die Hand gaben, seiner Betriebsweise
die Hilfsmittel der modernen Technik zugute kommen zu lassen. Aber trotz der
Versprechungen Dernburgs warteten die Südwestafrikaner vergebens. An sich
ist die ganze Angelegenheit beinahe lächerlich, denn es handelt sich um ein
verhältnismäßig geringfügiges Kapital als Grundstock, das der verflossene
Reichstag jeden Tag bewilligt hätte. Für jeden, der sich auch nur ein klein
wenig in die Verhältnisse hineindenken kann, war es längst klar, daß nur der
Staat einen billigen Kredit, wie ihn die Farmer brauchen, schaffen kann. Für
die Großfinanz ist das Objekt zu geringfügig und die Sicherheit, rein bart¬
mäßig betrachtet, ungenügend. Darüber kann sich Dernburg als gewiegter
Finanzmann keinen Augenblick im Zweifel gewesen sein; wir haben auch seine
angeblichen Bemühungen, die Großfinanz für die Sache zu interessieren, nie
ernst genommen. Es hätte der unter Herrn von Lindequist im Kolonialamt
abgehaltenen Sitzung von namhaften Vertretern der Bankwelt wirklich nicht
bedurft, um dieses Faktum protokollarisch festzustellen.

Herr Dr. Sols will denn auch dem mehrjährigen Hängen und Würgen ein
Ende machen und schon im Herbst eine Vorlage im Reichstag einbringen,
welche die Grundlage für ein ländliches Kreditinstitut schaffen soll. "Doppelt
gibt, wer schnell gibtl" Eine blühende Farmwirtschaft bringt die Aufwendungen
und gelegentliche unausbleibliche Verluste eines Tages vielfältig wieder ein.

Das sind die wichtigsten Fortschritte, die uns Dr. Solfs Afrikafahrt gebracht
hat. In Einzelheiten wollen wir uns nicht verlieren, obwohl noch mancherlei
aufzuführen wäre. Aus dem ureigensten Ressort Dernburgs sei nur noch die
teils vollzogene teils bevorstehende Einigung der Diamanteninteressenten auf
rechtlichem und steuerpolitischem Gebiet durch den neuen Staatssekretär erwähnt.

Man fragt unwillkürlich nach dem Grunde der raschen Lösung veralteter
Streitfragen durch Dr. Sols. Er scheint uns auf der Hand zu liegen. Dernburg
ging mit vorgefaßten Meinungen hinaus. Für ihn waren die Kolonien vor¬
zugsweise "Objekte" für großkapitalistische Transaktionen und Unternehmungen.
Was nicht unter diese Formel zu bringen war. interessierte ihn nur mäßig und
wurde, wenn es sein Interesse in Anspruch nahm, mit schlecht verhehlter Un¬
geduld behandelt. Südwest interessierte ihn als Bergbauland, Ostafrika als
Negerhandels-Kolonie, in der der Weiße nur als Großhändler und Verkehrs¬
unternehmer in Betracht kam. Die kleinen Leute, wozu nach großkapitalistischen
Begriffen auch die Farmer und selbständigen Pflanzer gehören, wußte er in
seinem Programm nicht recht unterzubringen. "Hilf dir selbst", rief er ihnen
mehr als einmal zu.


Koloniale Fortschritte

anerkannt hatte. Die Farmer kamen nicht weiter, weil es ihnen an Mitteln
fehlt, ihren Grund und Boden intensiver auszunutzen. Es ist dieselbe Erscheinung,
die wir aus der Geschichte der heimischen Landwirtschaft kennen. Auch hier ist
sie erst dann richtig lebensfähig geworden, als ein unter tatkräftiger Mitwirkung
des Staates organisiertes Genossenschaftswesen und ähnliche Maßnahmen auch
dem schwächeren Landwirt die Mittel an die Hand gaben, seiner Betriebsweise
die Hilfsmittel der modernen Technik zugute kommen zu lassen. Aber trotz der
Versprechungen Dernburgs warteten die Südwestafrikaner vergebens. An sich
ist die ganze Angelegenheit beinahe lächerlich, denn es handelt sich um ein
verhältnismäßig geringfügiges Kapital als Grundstock, das der verflossene
Reichstag jeden Tag bewilligt hätte. Für jeden, der sich auch nur ein klein
wenig in die Verhältnisse hineindenken kann, war es längst klar, daß nur der
Staat einen billigen Kredit, wie ihn die Farmer brauchen, schaffen kann. Für
die Großfinanz ist das Objekt zu geringfügig und die Sicherheit, rein bart¬
mäßig betrachtet, ungenügend. Darüber kann sich Dernburg als gewiegter
Finanzmann keinen Augenblick im Zweifel gewesen sein; wir haben auch seine
angeblichen Bemühungen, die Großfinanz für die Sache zu interessieren, nie
ernst genommen. Es hätte der unter Herrn von Lindequist im Kolonialamt
abgehaltenen Sitzung von namhaften Vertretern der Bankwelt wirklich nicht
bedurft, um dieses Faktum protokollarisch festzustellen.

Herr Dr. Sols will denn auch dem mehrjährigen Hängen und Würgen ein
Ende machen und schon im Herbst eine Vorlage im Reichstag einbringen,
welche die Grundlage für ein ländliches Kreditinstitut schaffen soll. „Doppelt
gibt, wer schnell gibtl" Eine blühende Farmwirtschaft bringt die Aufwendungen
und gelegentliche unausbleibliche Verluste eines Tages vielfältig wieder ein.

Das sind die wichtigsten Fortschritte, die uns Dr. Solfs Afrikafahrt gebracht
hat. In Einzelheiten wollen wir uns nicht verlieren, obwohl noch mancherlei
aufzuführen wäre. Aus dem ureigensten Ressort Dernburgs sei nur noch die
teils vollzogene teils bevorstehende Einigung der Diamanteninteressenten auf
rechtlichem und steuerpolitischem Gebiet durch den neuen Staatssekretär erwähnt.

Man fragt unwillkürlich nach dem Grunde der raschen Lösung veralteter
Streitfragen durch Dr. Sols. Er scheint uns auf der Hand zu liegen. Dernburg
ging mit vorgefaßten Meinungen hinaus. Für ihn waren die Kolonien vor¬
zugsweise „Objekte" für großkapitalistische Transaktionen und Unternehmungen.
Was nicht unter diese Formel zu bringen war. interessierte ihn nur mäßig und
wurde, wenn es sein Interesse in Anspruch nahm, mit schlecht verhehlter Un¬
geduld behandelt. Südwest interessierte ihn als Bergbauland, Ostafrika als
Negerhandels-Kolonie, in der der Weiße nur als Großhändler und Verkehrs¬
unternehmer in Betracht kam. Die kleinen Leute, wozu nach großkapitalistischen
Begriffen auch die Farmer und selbständigen Pflanzer gehören, wußte er in
seinem Programm nicht recht unterzubringen. „Hilf dir selbst", rief er ihnen
mehr als einmal zu.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/261>, abgerufen am 15.01.2025.