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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Max Dauthendey
Dr. R. Schach von

Von den Werken Dcmthendeys verlegt Ernst Nowohlt-Leipzig
die Gedichtbände "Ammenballade" "ut "Singsangbuch" (beide ans dem
Verlag von E. Bonsels u. Co.-München übergegangen), sowie die Dramen
mit Ausnahme der "Spielereien einer Kaiserin" und den: "Drachen
Granti", welche ebenso wie der Roman, die Novellen, der "Bänkelscmg"
und alle übrigen Gedichtbände bei Albert Längen-München erschienen sind.

ax Dauthendey dürfte, wenn ich richtig schätze, der überwiegenden
Mehrheit meiner Leser so gut wie unbekannt sein, ja manche
werden, durch ungünstige Kritiken eingenommen, wenig geneigt
sein, jemandem, der zu seinen Gunsten sprechen will, ohne weiteres
Glauben zu schenken. Hat man doch in letzter Zeit allzu ab¬
sonderliche Dinge mit lauter Stimme anpreisen gehört, als daß der nachdenkliche
Teil des Publikums nicht längst hätte mißtrauisch werden sollen. Daher
muß ich wohl oder übel damit anfangen, die Gründe dafür darzulegen, weshalb
das Publikum der Produktion des Dichters noch immer kalt gegenübersteht, und
weiterhin feststellen, was es mit den ungünstigen Berichten und Gerüchten
auf sich hat.

Dauthendey wurde zuerst bekannt als ein "Neutöner" schlimmster Sorte.
Da war ein Gedichtbuch "Ultra-Violett", ein Buch voller Skizzen in ab¬
gebrochenen Rhythmen, schwer verständlich in der Absicht, und mit so viel
Filigranfeinheiten überladen, daß es zu keiner rechten Form kommen konnte.
Da waren merkwürdige Dramen, in denen u. a. der Schauplatz das menschliche
Gehirn war. Dergleichen Jugendsünden hat mancher Dichter hinter sich und
Dauthendey selber hat sie als solche erkannt. Damals jedoch gab es sogleich eine
Anzahl Unberufener, die von Enthusiasmus berauscht, die Absicht für die Tat
nahmen und Anfänge für unsterbliche Werke hielten. Doch dies wäre, wenn
es auch das Publikum verstimmte, noch nicht so schlimm gewesen. Aber man
stellte den Dichter auch sogleich in die Gesellschaft der George, Mombert und
des jungen Rilke, und das hängt ihm bis heute an. Schon damals war diese
Gruppierung falsch, aber noch heute, da der Dichter längst kein Jüngling mehr,
fondern ein Mann von vierundvierzig Jahren ist, und sich zu einer großen.




Max Dauthendey
Dr. R. Schach von

Von den Werken Dcmthendeys verlegt Ernst Nowohlt-Leipzig
die Gedichtbände „Ammenballade" »ut „Singsangbuch" (beide ans dem
Verlag von E. Bonsels u. Co.-München übergegangen), sowie die Dramen
mit Ausnahme der „Spielereien einer Kaiserin" und den: „Drachen
Granti", welche ebenso wie der Roman, die Novellen, der „Bänkelscmg"
und alle übrigen Gedichtbände bei Albert Längen-München erschienen sind.

ax Dauthendey dürfte, wenn ich richtig schätze, der überwiegenden
Mehrheit meiner Leser so gut wie unbekannt sein, ja manche
werden, durch ungünstige Kritiken eingenommen, wenig geneigt
sein, jemandem, der zu seinen Gunsten sprechen will, ohne weiteres
Glauben zu schenken. Hat man doch in letzter Zeit allzu ab¬
sonderliche Dinge mit lauter Stimme anpreisen gehört, als daß der nachdenkliche
Teil des Publikums nicht längst hätte mißtrauisch werden sollen. Daher
muß ich wohl oder übel damit anfangen, die Gründe dafür darzulegen, weshalb
das Publikum der Produktion des Dichters noch immer kalt gegenübersteht, und
weiterhin feststellen, was es mit den ungünstigen Berichten und Gerüchten
auf sich hat.

Dauthendey wurde zuerst bekannt als ein „Neutöner" schlimmster Sorte.
Da war ein Gedichtbuch „Ultra-Violett", ein Buch voller Skizzen in ab¬
gebrochenen Rhythmen, schwer verständlich in der Absicht, und mit so viel
Filigranfeinheiten überladen, daß es zu keiner rechten Form kommen konnte.
Da waren merkwürdige Dramen, in denen u. a. der Schauplatz das menschliche
Gehirn war. Dergleichen Jugendsünden hat mancher Dichter hinter sich und
Dauthendey selber hat sie als solche erkannt. Damals jedoch gab es sogleich eine
Anzahl Unberufener, die von Enthusiasmus berauscht, die Absicht für die Tat
nahmen und Anfänge für unsterbliche Werke hielten. Doch dies wäre, wenn
es auch das Publikum verstimmte, noch nicht so schlimm gewesen. Aber man
stellte den Dichter auch sogleich in die Gesellschaft der George, Mombert und
des jungen Rilke, und das hängt ihm bis heute an. Schon damals war diese
Gruppierung falsch, aber noch heute, da der Dichter längst kein Jüngling mehr,
fondern ein Mann von vierundvierzig Jahren ist, und sich zu einer großen.


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[0237] [Abbildung] Max Dauthendey Dr. R. Schach von Von den Werken Dcmthendeys verlegt Ernst Nowohlt-Leipzig die Gedichtbände „Ammenballade" »ut „Singsangbuch" (beide ans dem Verlag von E. Bonsels u. Co.-München übergegangen), sowie die Dramen mit Ausnahme der „Spielereien einer Kaiserin" und den: „Drachen Granti", welche ebenso wie der Roman, die Novellen, der „Bänkelscmg" und alle übrigen Gedichtbände bei Albert Längen-München erschienen sind. ax Dauthendey dürfte, wenn ich richtig schätze, der überwiegenden Mehrheit meiner Leser so gut wie unbekannt sein, ja manche werden, durch ungünstige Kritiken eingenommen, wenig geneigt sein, jemandem, der zu seinen Gunsten sprechen will, ohne weiteres Glauben zu schenken. Hat man doch in letzter Zeit allzu ab¬ sonderliche Dinge mit lauter Stimme anpreisen gehört, als daß der nachdenkliche Teil des Publikums nicht längst hätte mißtrauisch werden sollen. Daher muß ich wohl oder übel damit anfangen, die Gründe dafür darzulegen, weshalb das Publikum der Produktion des Dichters noch immer kalt gegenübersteht, und weiterhin feststellen, was es mit den ungünstigen Berichten und Gerüchten auf sich hat. Dauthendey wurde zuerst bekannt als ein „Neutöner" schlimmster Sorte. Da war ein Gedichtbuch „Ultra-Violett", ein Buch voller Skizzen in ab¬ gebrochenen Rhythmen, schwer verständlich in der Absicht, und mit so viel Filigranfeinheiten überladen, daß es zu keiner rechten Form kommen konnte. Da waren merkwürdige Dramen, in denen u. a. der Schauplatz das menschliche Gehirn war. Dergleichen Jugendsünden hat mancher Dichter hinter sich und Dauthendey selber hat sie als solche erkannt. Damals jedoch gab es sogleich eine Anzahl Unberufener, die von Enthusiasmus berauscht, die Absicht für die Tat nahmen und Anfänge für unsterbliche Werke hielten. Doch dies wäre, wenn es auch das Publikum verstimmte, noch nicht so schlimm gewesen. Aber man stellte den Dichter auch sogleich in die Gesellschaft der George, Mombert und des jungen Rilke, und das hängt ihm bis heute an. Schon damals war diese Gruppierung falsch, aber noch heute, da der Dichter längst kein Jüngling mehr, fondern ein Mann von vierundvierzig Jahren ist, und sich zu einer großen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/237>, abgerufen am 15.01.2025.