Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.vom Disziplinarverfahren gesetz vom 1. August 1833 für alle städtischen Beamten unterschiedslos als Neben den richterlichen Beisitzern aber müssen Vertreter der vorgesetzten Wenn aber der Beamte nach Möglichkeit gegen jede Kränkung seines Rechtes Aus diesen Gründen erscheint es geboten, daß in den Disziplinargerichten Eine Schädigung der Disziplin ist davon nicht zu befürchten. Wirkliche Auch diese Forderung ist für die meisten höheren Beamten, für die der Um den Zweck des hier ausgesprochenen Wunsches zu erreichen, dürfte es vom Disziplinarverfahren gesetz vom 1. August 1833 für alle städtischen Beamten unterschiedslos als Neben den richterlichen Beisitzern aber müssen Vertreter der vorgesetzten Wenn aber der Beamte nach Möglichkeit gegen jede Kränkung seines Rechtes Aus diesen Gründen erscheint es geboten, daß in den Disziplinargerichten Eine Schädigung der Disziplin ist davon nicht zu befürchten. Wirkliche Auch diese Forderung ist für die meisten höheren Beamten, für die der Um den Zweck des hier ausgesprochenen Wunsches zu erreichen, dürfte es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322617"/> <fw type="header" place="top"> vom Disziplinarverfahren</fw><lb/> <p xml:id="ID_987" prev="#ID_986"> gesetz vom 1. August 1833 für alle städtischen Beamten unterschiedslos als<lb/> Disziplinarbehörde erster Instanz, an Stelle des Disziplinarhofes sowohl wie<lb/> der Bezirksregierung, der Bezirksausschuß, als zweite Instanz das Oberver¬<lb/> waltungsgericht eingesetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_988"> Neben den richterlichen Beisitzern aber müssen Vertreter der vorgesetzten<lb/> Behörde des Beschuldigten hinzugezogen werden, damit auch die Eigenheiten<lb/> der besonderen Berufspflicht richtig gewürdigt werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_989"> Wenn aber der Beamte nach Möglichkeit gegen jede Kränkung seines Rechtes<lb/> geschützt werden soll, so gehört dazu auch die richtige Würdigung des psycho¬<lb/> logischen Momentes. Da dürfte nun der Vorgesetzte sich doch nicht immer richtig<lb/> in die Denkweise der untergeordneten Beamtenklassen versetzen können, und<lb/> selbst wenn- dies der Fall sein sollte, so wird doch in manchen Fällen nicht bloß<lb/> bei dem Bestraften, sondern auch bet den ihm gleich stehenden Beamten leicht<lb/> der Zweifel entstehen, ob ihm volles Recht geworden ist. Dieser Zweifel wird<lb/> um so leichter entstehen, als in Beamtenkreisen vielfach der Glaube verbreitet<lb/> ist, daß die Behörde von vornherein die Neigung hat, dem Vorgesetzten gegen¬<lb/> über dem Untergebenen recht zu geben. Der Zweifel aber an der unbedingten<lb/> Gerechtigkeit ist für die Festigkeit der Staaten kaum weniger gefährlich als das<lb/> wirkliche Bestehen von Ungerechtigkeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_990"> Aus diesen Gründen erscheint es geboten, daß in den Disziplinargerichten<lb/> nicht nur, wie bisher, die vorgesetzten Behörden, sondern auch die Berufs- und<lb/> Standesgenossen des Beschuldigten vertreten sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_991"> Eine Schädigung der Disziplin ist davon nicht zu befürchten. Wirkliche<lb/> Disziplinlosigkeiten sind dem innersten Wesen nicht bloß des preußischen Beamten,<lb/> sondern auch des Preußen überhaupt so zuwider, daß ein Gericht von Standes¬<lb/> genossen über sie kaum milder urteilen würde, als die vorgesetzten Behörden<lb/> es tun. Daß Standesgenossen für ein Aufbäumen gegen unnötige Schroffheiten<lb/> und Herausforderungen seitens des Vorgesetzten mehr Verständnis haben, kann<lb/> sein; das ist aber auch kein Fehler. Schädlich kann es schon deswegen nicht<lb/> sein, weil die Zahl der Standesgenossen unter den Beisitzern immer nur den<lb/> kleineren Teil ausmachen würde. Es wird ja auch keine Regierung als Mit¬<lb/> glieder der Disziplinargerichte solche Beamte ernennen, denen sie nicht volles<lb/> Verständnis für die Notwendigkeit der Disziplin zutraut.</p><lb/> <p xml:id="ID_992"> Auch diese Forderung ist für die meisten höheren Beamten, für die der<lb/> Disziplinarhof die erste Instanz ist, insofern schon mehr oder minder erfüllt,<lb/> als die juristisch vorgebildeten Beamten sich untereinander näher stehen und so<lb/> den anderen gegenüber als Standes- und Berufsgenossen fühlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_993" next="#ID_994"> Um den Zweck des hier ausgesprochenen Wunsches zu erreichen, dürfte es<lb/> ratsam sein, daß die Wahl der Regierung auf solche Beamte fällt, die auch<lb/> das Vertrauen der Standesgenossen haben, also vielleicht aus der Vertretung<lb/> der Standesvereine oder im Einverständnis mit ihnen genommen werden. Ein e<lb/> bindende gesetzliche Festlegung dieses Punktes ist allerdings wohl kaum möglich,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
vom Disziplinarverfahren
gesetz vom 1. August 1833 für alle städtischen Beamten unterschiedslos als
Disziplinarbehörde erster Instanz, an Stelle des Disziplinarhofes sowohl wie
der Bezirksregierung, der Bezirksausschuß, als zweite Instanz das Oberver¬
waltungsgericht eingesetzt.
Neben den richterlichen Beisitzern aber müssen Vertreter der vorgesetzten
Behörde des Beschuldigten hinzugezogen werden, damit auch die Eigenheiten
der besonderen Berufspflicht richtig gewürdigt werden können.
Wenn aber der Beamte nach Möglichkeit gegen jede Kränkung seines Rechtes
geschützt werden soll, so gehört dazu auch die richtige Würdigung des psycho¬
logischen Momentes. Da dürfte nun der Vorgesetzte sich doch nicht immer richtig
in die Denkweise der untergeordneten Beamtenklassen versetzen können, und
selbst wenn- dies der Fall sein sollte, so wird doch in manchen Fällen nicht bloß
bei dem Bestraften, sondern auch bet den ihm gleich stehenden Beamten leicht
der Zweifel entstehen, ob ihm volles Recht geworden ist. Dieser Zweifel wird
um so leichter entstehen, als in Beamtenkreisen vielfach der Glaube verbreitet
ist, daß die Behörde von vornherein die Neigung hat, dem Vorgesetzten gegen¬
über dem Untergebenen recht zu geben. Der Zweifel aber an der unbedingten
Gerechtigkeit ist für die Festigkeit der Staaten kaum weniger gefährlich als das
wirkliche Bestehen von Ungerechtigkeiten.
Aus diesen Gründen erscheint es geboten, daß in den Disziplinargerichten
nicht nur, wie bisher, die vorgesetzten Behörden, sondern auch die Berufs- und
Standesgenossen des Beschuldigten vertreten sind.
Eine Schädigung der Disziplin ist davon nicht zu befürchten. Wirkliche
Disziplinlosigkeiten sind dem innersten Wesen nicht bloß des preußischen Beamten,
sondern auch des Preußen überhaupt so zuwider, daß ein Gericht von Standes¬
genossen über sie kaum milder urteilen würde, als die vorgesetzten Behörden
es tun. Daß Standesgenossen für ein Aufbäumen gegen unnötige Schroffheiten
und Herausforderungen seitens des Vorgesetzten mehr Verständnis haben, kann
sein; das ist aber auch kein Fehler. Schädlich kann es schon deswegen nicht
sein, weil die Zahl der Standesgenossen unter den Beisitzern immer nur den
kleineren Teil ausmachen würde. Es wird ja auch keine Regierung als Mit¬
glieder der Disziplinargerichte solche Beamte ernennen, denen sie nicht volles
Verständnis für die Notwendigkeit der Disziplin zutraut.
Auch diese Forderung ist für die meisten höheren Beamten, für die der
Disziplinarhof die erste Instanz ist, insofern schon mehr oder minder erfüllt,
als die juristisch vorgebildeten Beamten sich untereinander näher stehen und so
den anderen gegenüber als Standes- und Berufsgenossen fühlen.
Um den Zweck des hier ausgesprochenen Wunsches zu erreichen, dürfte es
ratsam sein, daß die Wahl der Regierung auf solche Beamte fällt, die auch
das Vertrauen der Standesgenossen haben, also vielleicht aus der Vertretung
der Standesvereine oder im Einverständnis mit ihnen genommen werden. Ein e
bindende gesetzliche Festlegung dieses Punktes ist allerdings wohl kaum möglich,
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