Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Vom Disziplinarverfahren nicht behaupten, aber doch ist es wohl gut, daß es vor dem Verweise noch Wenn nun Unstimmigkeiten zwischen dem Vorgesetzten und dem Unter¬ So ist für den Untergebenen eine Beschwerde oft eine heikle Sache, Indes diese Benachteiligung der einen Seite liegt in den Verhältnissen Im Gesetze selbst nun wird Näheres über das Verfahren bei der Verhängung Wo der unmittelbare Vorgesetzte das Strafrecht auszuüben hat, ist eine Vom Disziplinarverfahren nicht behaupten, aber doch ist es wohl gut, daß es vor dem Verweise noch Wenn nun Unstimmigkeiten zwischen dem Vorgesetzten und dem Unter¬ So ist für den Untergebenen eine Beschwerde oft eine heikle Sache, Indes diese Benachteiligung der einen Seite liegt in den Verhältnissen Im Gesetze selbst nun wird Näheres über das Verfahren bei der Verhängung Wo der unmittelbare Vorgesetzte das Strafrecht auszuüben hat, ist eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322613"/> <fw type="header" place="top"> Vom Disziplinarverfahren</fw><lb/> <p xml:id="ID_962" prev="#ID_961"> nicht behaupten, aber doch ist es wohl gut, daß es vor dem Verweise noch<lb/> eine geringere Strafe gibt, die etwa da verhängt werden kann, wo eine tatsächliche<lb/> Verletzung der Dienstpflicht vorliegt, die nach Ansicht der vorgesetzten Behörde<lb/> nicht durch bloße Mahnung und Belehrung gesühnt werden kann, bei der aber<lb/> doch die Schuldigen in gutem Glauben gehandelt haben, so daß subjektiv<lb/> wieder der Verweis zu hart wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_963"> Wenn nun Unstimmigkeiten zwischen dem Vorgesetzten und dem Unter¬<lb/> gebenen vorkommen, ist der Untergebene von vornherein im Nachteil. Der<lb/> Vorgesetzte hat den Amtsapparat zur Hand, um sich das Material zu ver¬<lb/> schaffen, der Untergebene ist für die Beschaffung auf seine privaten Mittel,<lb/> vielleicht sogar auf die Gefälligkeit des Vorgesetzten angewiesen. Wenn es aber<lb/> zu persönlicher Zuspitzung kommt, so kann der Vorgesetzte sich sein Material<lb/> aus dem ganzen dienstlichen und privaten Leben des Untergebenen zusammen¬<lb/> suchen, und meist wird er ja, wenn er es will, irgend etwas finden können,<lb/> was sich mit mehr oder weniger Recht verwerten läßt. Der Untergebene ist<lb/> nicht in derselben Lage. Zudem ist er bei jeder unvorsichtigen Wendung in<lb/> Gefahr, sich der Achtungsoerletzung schuldig zu machen, die ihn auf alle Fälle<lb/> strafbar macht, auch wenn er sachlich im Recht ist. Der Vorgesetzte dagegen<lb/> hat immer die Vermutung für sich, daß er im Interesse'des Dienstes handelt,<lb/> das ihn ja zwingen kann, Dinge zu sagen, die für den anderen kränkend sein<lb/> müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_964"> So ist für den Untergebenen eine Beschwerde oft eine heikle Sache,<lb/> auch in Dingen, in denen er durchaus im Recht ist, und mancher<lb/> verzichtet lieber auf sie, auch wo sie im Interesse der Sache läge, um sich<lb/> nicht den Aufregungen und Widerwärtigkeiten auszusetzen, die von ihr zu<lb/> erwarten sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_965"> Indes diese Benachteiligung der einen Seite liegt in den Verhältnissen<lb/> und läßt sich nicht beseitigen, wenn die Ordnung aufrecht erhalten werden soll.<lb/> Sie muß getragen werden und wird auch von Verständigen willig getragen;<lb/> um so mehr aber muß das Verfahren selbst die Sicherheit möglichster Ge¬<lb/> rechtigkeit bieten.</p><lb/> <p xml:id="ID_966"> Im Gesetze selbst nun wird Näheres über das Verfahren bei der Verhängung<lb/> der Ordnungsstrafen nicht bestimmt, doch ist wohl anzunehmen, daß keine Strafe<lb/> verhängt wird, ohne daß dein Beschuldigten vorher Gelegenheit gegeben war,<lb/> sich zur Sache zu äußern, und ohne daß die Strafe selbst mit ihrer Begründung<lb/> schriftlich festgelegt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_967"> Wo der unmittelbare Vorgesetzte das Strafrecht auszuüben hat, ist eine<lb/> weitere Sicherung des Untergebenen auch wohl kaum durchführbar, da sonst<lb/> infolge der Erschwerung tatkräftigen Eingreifens seitens des Vorgesetzten leicht<lb/> die Sicherheit des Dienstes leiden könnte. Es genügt da, daß es dem, der Unrecht<lb/> erlitten zu haben meint, freisteht, im Wege der Beschwerde die höhere Behörde<lb/> anzurufen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
Vom Disziplinarverfahren
nicht behaupten, aber doch ist es wohl gut, daß es vor dem Verweise noch
eine geringere Strafe gibt, die etwa da verhängt werden kann, wo eine tatsächliche
Verletzung der Dienstpflicht vorliegt, die nach Ansicht der vorgesetzten Behörde
nicht durch bloße Mahnung und Belehrung gesühnt werden kann, bei der aber
doch die Schuldigen in gutem Glauben gehandelt haben, so daß subjektiv
wieder der Verweis zu hart wäre.
Wenn nun Unstimmigkeiten zwischen dem Vorgesetzten und dem Unter¬
gebenen vorkommen, ist der Untergebene von vornherein im Nachteil. Der
Vorgesetzte hat den Amtsapparat zur Hand, um sich das Material zu ver¬
schaffen, der Untergebene ist für die Beschaffung auf seine privaten Mittel,
vielleicht sogar auf die Gefälligkeit des Vorgesetzten angewiesen. Wenn es aber
zu persönlicher Zuspitzung kommt, so kann der Vorgesetzte sich sein Material
aus dem ganzen dienstlichen und privaten Leben des Untergebenen zusammen¬
suchen, und meist wird er ja, wenn er es will, irgend etwas finden können,
was sich mit mehr oder weniger Recht verwerten läßt. Der Untergebene ist
nicht in derselben Lage. Zudem ist er bei jeder unvorsichtigen Wendung in
Gefahr, sich der Achtungsoerletzung schuldig zu machen, die ihn auf alle Fälle
strafbar macht, auch wenn er sachlich im Recht ist. Der Vorgesetzte dagegen
hat immer die Vermutung für sich, daß er im Interesse'des Dienstes handelt,
das ihn ja zwingen kann, Dinge zu sagen, die für den anderen kränkend sein
müssen.
So ist für den Untergebenen eine Beschwerde oft eine heikle Sache,
auch in Dingen, in denen er durchaus im Recht ist, und mancher
verzichtet lieber auf sie, auch wo sie im Interesse der Sache läge, um sich
nicht den Aufregungen und Widerwärtigkeiten auszusetzen, die von ihr zu
erwarten sind.
Indes diese Benachteiligung der einen Seite liegt in den Verhältnissen
und läßt sich nicht beseitigen, wenn die Ordnung aufrecht erhalten werden soll.
Sie muß getragen werden und wird auch von Verständigen willig getragen;
um so mehr aber muß das Verfahren selbst die Sicherheit möglichster Ge¬
rechtigkeit bieten.
Im Gesetze selbst nun wird Näheres über das Verfahren bei der Verhängung
der Ordnungsstrafen nicht bestimmt, doch ist wohl anzunehmen, daß keine Strafe
verhängt wird, ohne daß dein Beschuldigten vorher Gelegenheit gegeben war,
sich zur Sache zu äußern, und ohne daß die Strafe selbst mit ihrer Begründung
schriftlich festgelegt wird.
Wo der unmittelbare Vorgesetzte das Strafrecht auszuüben hat, ist eine
weitere Sicherung des Untergebenen auch wohl kaum durchführbar, da sonst
infolge der Erschwerung tatkräftigen Eingreifens seitens des Vorgesetzten leicht
die Sicherheit des Dienstes leiden könnte. Es genügt da, daß es dem, der Unrecht
erlitten zu haben meint, freisteht, im Wege der Beschwerde die höhere Behörde
anzurufen.
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