Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die See in der plattdeutschen Lyrik

Aber das Meer, in der Geschichte des Landes fast immer der Feind, wird
in der Geschichte des Volkes auch einmal zum gewaltigen Helfer. In lapidaren
Langzeilen klingt sein Eingreifen in der "Stande bi Hemmingsted" wieder:

Un op de Panzers sulln de Slag, un Ruders in den Sand,
Un our de Geest dar tecum de Buru, un de Flot keen aewert Land.
"Nu wahr ti Garr, de Bur de tumuli" he kummt mit Gott den Herrn,
Vult Heben fallt de Snee Heras, de Flot de feige our nerrn.

Auch anderen neuplattdeutschen Dichtern hat geschichtliche Überlieferung
dankbare poetische Stoffe geschenkt. Die alte niedersächsische Volkswildheit, die
Nahrung, Kraft und Lebensfreude, wenigstens bei den Küstenstämmen, aus
dem Meere sog, mürb sich sicher auch in Liedern, wie dem alten Hörnumer
Strandräubervers:

ausgetobt oder besser: ausgebrüllt haben (pnsm ron caudae), aber leider ist
von ihnen so gut wie nichts erhalten. Vor allem ist es schade um den Unter¬
gang des großen Störtebekerliedes, von dem nur die erste Strophe

nachgeblieben ist. Aber der Ostfriese W. Lüpkes hat eine vorzügliche Nachdichtung
im Geiste des Originals geschaffen, stofflich gedrungen, von dramatischem Leben
erfüllt und von geradezu vollendeter archaistischer Stilisierung, so daß dies neue
Störtebekerlied getrost den Grothschen Balladen an die Seite gestellt werden
darf. Von dem sehr langen Gedicht (abgedruckt im Ostfriesisch-plattdeutschen
Dichterbuch, Aurich, A. H. F. Dunkmann) mögen zwei den Kampf bei Helgo¬
land schildernde Strophen hier stehen:


Die See in der plattdeutschen Lyrik

Aber das Meer, in der Geschichte des Landes fast immer der Feind, wird
in der Geschichte des Volkes auch einmal zum gewaltigen Helfer. In lapidaren
Langzeilen klingt sein Eingreifen in der „Stande bi Hemmingsted" wieder:

Un op de Panzers sulln de Slag, un Ruders in den Sand,
Un our de Geest dar tecum de Buru, un de Flot keen aewert Land.
„Nu wahr ti Garr, de Bur de tumuli" he kummt mit Gott den Herrn,
Vult Heben fallt de Snee Heras, de Flot de feige our nerrn.

Auch anderen neuplattdeutschen Dichtern hat geschichtliche Überlieferung
dankbare poetische Stoffe geschenkt. Die alte niedersächsische Volkswildheit, die
Nahrung, Kraft und Lebensfreude, wenigstens bei den Küstenstämmen, aus
dem Meere sog, mürb sich sicher auch in Liedern, wie dem alten Hörnumer
Strandräubervers:

ausgetobt oder besser: ausgebrüllt haben (pnsm ron caudae), aber leider ist
von ihnen so gut wie nichts erhalten. Vor allem ist es schade um den Unter¬
gang des großen Störtebekerliedes, von dem nur die erste Strophe

nachgeblieben ist. Aber der Ostfriese W. Lüpkes hat eine vorzügliche Nachdichtung
im Geiste des Originals geschaffen, stofflich gedrungen, von dramatischem Leben
erfüllt und von geradezu vollendeter archaistischer Stilisierung, so daß dies neue
Störtebekerlied getrost den Grothschen Balladen an die Seite gestellt werden
darf. Von dem sehr langen Gedicht (abgedruckt im Ostfriesisch-plattdeutschen
Dichterbuch, Aurich, A. H. F. Dunkmann) mögen zwei den Kampf bei Helgo¬
land schildernde Strophen hier stehen:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322588"/>
          <fw type="header" place="top"> Die See in der plattdeutschen Lyrik</fw><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_13" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_881"> Aber das Meer, in der Geschichte des Landes fast immer der Feind, wird<lb/>
in der Geschichte des Volkes auch einmal zum gewaltigen Helfer. In lapidaren<lb/>
Langzeilen klingt sein Eingreifen in der &#x201E;Stande bi Hemmingsted" wieder:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_14" type="poem">
            <l> Un op de Panzers sulln de Slag, un Ruders in den Sand,<lb/>
Un our de Geest dar tecum de Buru, un de Flot keen aewert Land.</l>
            <l> &#x201E;Nu wahr ti Garr, de Bur de tumuli" he kummt mit Gott den Herrn,<lb/>
Vult Heben fallt de Snee Heras, de Flot de feige our nerrn.</l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_882" next="#ID_883"> Auch anderen neuplattdeutschen Dichtern hat geschichtliche Überlieferung<lb/>
dankbare poetische Stoffe geschenkt. Die alte niedersächsische Volkswildheit, die<lb/>
Nahrung, Kraft und Lebensfreude, wenigstens bei den Küstenstämmen, aus<lb/>
dem Meere sog, mürb sich sicher auch in Liedern, wie dem alten Hörnumer<lb/>
Strandräubervers:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_15" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_883" prev="#ID_882" next="#ID_884"> ausgetobt oder besser: ausgebrüllt haben (pnsm ron caudae), aber leider ist<lb/>
von ihnen so gut wie nichts erhalten. Vor allem ist es schade um den Unter¬<lb/>
gang des großen Störtebekerliedes, von dem nur die erste Strophe</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_16" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_884" prev="#ID_883"> nachgeblieben ist. Aber der Ostfriese W. Lüpkes hat eine vorzügliche Nachdichtung<lb/>
im Geiste des Originals geschaffen, stofflich gedrungen, von dramatischem Leben<lb/>
erfüllt und von geradezu vollendeter archaistischer Stilisierung, so daß dies neue<lb/>
Störtebekerlied getrost den Grothschen Balladen an die Seite gestellt werden<lb/>
darf. Von dem sehr langen Gedicht (abgedruckt im Ostfriesisch-plattdeutschen<lb/>
Dichterbuch, Aurich, A. H. F. Dunkmann) mögen zwei den Kampf bei Helgo¬<lb/>
land schildernde Strophen hier stehen:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0186] Die See in der plattdeutschen Lyrik Aber das Meer, in der Geschichte des Landes fast immer der Feind, wird in der Geschichte des Volkes auch einmal zum gewaltigen Helfer. In lapidaren Langzeilen klingt sein Eingreifen in der „Stande bi Hemmingsted" wieder: Un op de Panzers sulln de Slag, un Ruders in den Sand, Un our de Geest dar tecum de Buru, un de Flot keen aewert Land. „Nu wahr ti Garr, de Bur de tumuli" he kummt mit Gott den Herrn, Vult Heben fallt de Snee Heras, de Flot de feige our nerrn. Auch anderen neuplattdeutschen Dichtern hat geschichtliche Überlieferung dankbare poetische Stoffe geschenkt. Die alte niedersächsische Volkswildheit, die Nahrung, Kraft und Lebensfreude, wenigstens bei den Küstenstämmen, aus dem Meere sog, mürb sich sicher auch in Liedern, wie dem alten Hörnumer Strandräubervers: ausgetobt oder besser: ausgebrüllt haben (pnsm ron caudae), aber leider ist von ihnen so gut wie nichts erhalten. Vor allem ist es schade um den Unter¬ gang des großen Störtebekerliedes, von dem nur die erste Strophe nachgeblieben ist. Aber der Ostfriese W. Lüpkes hat eine vorzügliche Nachdichtung im Geiste des Originals geschaffen, stofflich gedrungen, von dramatischem Leben erfüllt und von geradezu vollendeter archaistischer Stilisierung, so daß dies neue Störtebekerlied getrost den Grothschen Balladen an die Seite gestellt werden darf. Von dem sehr langen Gedicht (abgedruckt im Ostfriesisch-plattdeutschen Dichterbuch, Aurich, A. H. F. Dunkmann) mögen zwei den Kampf bei Helgo¬ land schildernde Strophen hier stehen:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/186
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/186>, abgerufen am 15.01.2025.