Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Karl Salzer hoffentlich von jetzert ab net mehr hinter uns her wie der Teifel hinter einer Und so fühlt der Sohn des Selbstmörders, daß man den Namen seines "Na, mol davon gered: was hosche auf dem Herz?" Da sagt der Bursche, weshalb er gekommen ist. "Haw ich mir's net gleich gedenkt I" ruft der andere dazwischen, "baw ich "Es wird net von euch verlangt, daß ihr's umsonst tutt" erwidert Karl. "Na, zwaa Mark kriejen sunscht die Sargträjer. Halten mer's auch so; awwer Karl legt, von diesen Worten auf tiefste getroffen, ein Zweimarkstück auf den "Also heunt Abend um Elfe, daß wir uns drauf verlassen können!" Dann verläßt er das Zimmer und begibt sich zu den anderen. Wie er bei dem Mandietz-Philipp durch die offene Tür tritt, liest der gerade Da weiß er, von wem die Rede ist. Es ist schon dunkel, als er heimkommt. Tante Seelchen hat als Nachtessen "Da hab ich einen guten Kaffee gekocht, Bub! Trink, das tut dir gut. Es Die beiden schlürfen den Kaffee, essen Butterbrot dazu und reden nichts. Erst als Tante Seelchen die Tassen in heißem Wasser ausspült, fragt Karl: "Sag mal, Tante Seelchen, was wird denn jetzert eigentlich aus dir?" Da antwortet sie, daß die Pfeddersheimer Konservenfabrik Arbeiterinnen zu Wie Tante Seelchen das sagt, wankt Karls Festigkeit. "Tante Seelchen, das sagst du?? Und gestern hast du mir noch Mut zu¬ Karl Salzer hoffentlich von jetzert ab net mehr hinter uns her wie der Teifel hinter einer Und so fühlt der Sohn des Selbstmörders, daß man den Namen seines „Na, mol davon gered: was hosche auf dem Herz?" Da sagt der Bursche, weshalb er gekommen ist. „Haw ich mir's net gleich gedenkt I" ruft der andere dazwischen, „baw ich „Es wird net von euch verlangt, daß ihr's umsonst tutt" erwidert Karl. „Na, zwaa Mark kriejen sunscht die Sargträjer. Halten mer's auch so; awwer Karl legt, von diesen Worten auf tiefste getroffen, ein Zweimarkstück auf den „Also heunt Abend um Elfe, daß wir uns drauf verlassen können!" Dann verläßt er das Zimmer und begibt sich zu den anderen. Wie er bei dem Mandietz-Philipp durch die offene Tür tritt, liest der gerade Da weiß er, von wem die Rede ist. Es ist schon dunkel, als er heimkommt. Tante Seelchen hat als Nachtessen „Da hab ich einen guten Kaffee gekocht, Bub! Trink, das tut dir gut. Es Die beiden schlürfen den Kaffee, essen Butterbrot dazu und reden nichts. Erst als Tante Seelchen die Tassen in heißem Wasser ausspült, fragt Karl: „Sag mal, Tante Seelchen, was wird denn jetzert eigentlich aus dir?" Da antwortet sie, daß die Pfeddersheimer Konservenfabrik Arbeiterinnen zu Wie Tante Seelchen das sagt, wankt Karls Festigkeit. „Tante Seelchen, das sagst du?? Und gestern hast du mir noch Mut zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322580"/> <fw type="header" place="top"> Karl Salzer</fw><lb/> <p xml:id="ID_802" prev="#ID_801"> hoffentlich von jetzert ab net mehr hinter uns her wie der Teifel hinter einer<lb/> arme Seell"</p><lb/> <p xml:id="ID_803"> Und so fühlt der Sohn des Selbstmörders, daß man den Namen seines<lb/> Vaters gleich und noch tiefer stellt als die niedrigsten Existenzen im Dorfe. 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Karl Salzer
hoffentlich von jetzert ab net mehr hinter uns her wie der Teifel hinter einer
arme Seell"
Und so fühlt der Sohn des Selbstmörders, daß man den Namen seines
Vaters gleich und noch tiefer stellt als die niedrigsten Existenzen im Dorfe. Ein
Zorn wallt in ihm auf, aber er hat doch so viel Selbstbeherrschung, sich klar zu
machen, daß er hier schweigen müsse, wenn er zu seinem Ziele kommen wolle.
Eben fragt der Büttner-Karl:
„Na, mol davon gered: was hosche auf dem Herz?"
Da sagt der Bursche, weshalb er gekommen ist.
„Haw ich mir's net gleich gedenkt I" ruft der andere dazwischen, „baw ich
mir's net gleich gedenkt! Gell, wann de Pass net will un seine getreue Schofs-
köpp, do sin mir gut genung?!"
„Es wird net von euch verlangt, daß ihr's umsonst tutt" erwidert Karl.
„Was verlangst du?"
„Na, zwaa Mark kriejen sunscht die Sargträjer. Halten mer's auch so; awwer
bei rer Kundschaft our eurer sort, muß ich mir schun aushalte, daß de Lohn im
voraus bezahlt werd!"
Karl legt, von diesen Worten auf tiefste getroffen, ein Zweimarkstück auf den
Tisch und sagt nur noch:
„Also heunt Abend um Elfe, daß wir uns drauf verlassen können!"
Dann verläßt er das Zimmer und begibt sich zu den anderen.
Wie er bei dem Mandietz-Philipp durch die offene Tür tritt, liest der gerade
seiner alten Mutter mit stockender Stimme aus der Zeitung vor; der Nagel des
rechten Zeigefingers fährt die Zeilen nach. Karl hört: ... bedeutende Unterschleife;
die Tochter ist über die Tat des Vaters irrsinnig geworden...
Da weiß er, von wem die Rede ist.
Es ist schon dunkel, als er heimkommt. Tante Seelchen hat als Nachtessen
Kaffee gekocht; sie sagt:
„Da hab ich einen guten Kaffee gekocht, Bub! Trink, das tut dir gut. Es
steht dir noch genung bevor heunt Abend, und du darfst net gleich klagen über
das, was die schrohe Kerls zu dir gesagt denn. Du wirst noch manches hören
müssen, bis sich das mal ein Bißchen vergessen hat, oder bis was Neues passiert,
wo die Menschen sich drüber aufhalten können!"
Die beiden schlürfen den Kaffee, essen Butterbrot dazu und reden nichts.
Erst als Tante Seelchen die Tassen in heißem Wasser ausspült, fragt Karl:
„Sag mal, Tante Seelchen, was wird denn jetzert eigentlich aus dir?"
Da antwortet sie, daß die Pfeddersheimer Konservenfabrik Arbeiterinnen zu
dauernder Beschäftigung suche, und da wolle sie hingehen; ganz nach Pfedders-
heim wolle sie ziehen. Denn eS wäre ihr doch lieber, wenn sie den Spelzheimern
ganz aus den Augen wäre. Wenn sie diesen Schicksalsschlag auch in Geduld er¬
tragen wolle, so sähe sie doch nicht ein, weshalb sie den boshaften Menschen zum
Gespötte da herumlaufen solle.
Wie Tante Seelchen das sagt, wankt Karls Festigkeit.
„Tante Seelchen, das sagst du?? Und gestern hast du mir noch Mut zu¬
gesprochen II"
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