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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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"We ohne iclssls l"

gebend zu beeinflussen (Williams, Prof. der Jngenieurkunde, Univ. Michigan).
Die mathematisch-naturwissenschaftliche Ausbildung ist nicht, wie H. Spencer
will, die einzig wertvolle Ausbildung; die in den humanistischen Fächern nicht,
wie derselbe behauptet, ein engherziges Vorurteil. Um uns auf das Lateinische
zu beschränken -- "denn meine Söhne sollen auch Griechisch lernen" --, so
hat es einen bedeutenden Wert für die geistige Schulung, bietet die unumgäng¬
liche Grundlage für das Erlernen moderner fremder Sprachen, die der Ingenieur
kennen muß, um die Fortschritte seiner Wissenschaft in anderen Ländern zu
verfolgen, und lehrt ihn endlich ein Mensch unter Menschen zu sein. Lieber
sechs Jahre Latein, als andere nützliche Studien, wie Orthographie-, Physiologie-
und Patriotismuskurse (Patterson, wie oben).

Endlich lassen wir die men o5 atfail-8, die Männer des praktischen Lebens,
zu Worte kommen. Für junge Leute, die im Geschäftsleben, in der Finanz¬
wirtschaft und im Staatsleben, mit einem Wort im praktischen Leben eine
leitende Stellung einnehmen wollen, sind Studien vorzuziehen, die ihn den
Menschen genau kennen lehren: im klassischen Unterricht aber studieren wir die
Humanität in einer konkreten Offenbarung, in üppigem Reichtum, in der Mannig¬
faltigkeit geistiger Vollendung. Das dort dargestellte reife und doch jugendlich
frische Leben bildet die Grundlagen, auf denen unsere Zivilisation und Kultur
erbaut sind: unsere Jurisprudenz geht aus griechische und römische Rechts¬
anschauungen zurück, unsere Philosophen knüpfen noch an Sokrates, Platon und
Aristoteles an, die Formen unserer Literatur stammen von Dichtern, Rednern
und Historikern Roms und Griechenlands. Und es gibt keinen wirkungsvolleren
Weg, diese Quellen zu studieren, als den, sie in der Ursprache zu lesen: die
Schwierigkeit der alten Sprachen erhöht ihren Wert als Unterrichtsgegenstand.
Mag man Einzelheiten wieder vergessen -- die Wirkung dieses Studiums auf
die Geistesentwicklung, auf Welt- und Menschenkenntnis, auf die Erhebung der
Seele ist unverlierbar, ein Teil des Wesens des Studierenden geworden
(Williams, Herausgeber der Jndianopolis News). Klassische Erziehung ist ein
entschiedener Vorzug sür einen Geschäftsmann. Sein Tagewerk ist prosaisch,
die Männer, mit denen er zu tun hat, sind in der Regel von wenig oder gar
keiner Schulung; die Geschäftsgrundsätze, denen er begegnet, sind nicht immer in
Übereinstimmung mit den von ihm früher gewonnenen Ideen von Ehrenhaftigkeit.
Überall gibt es da nicht viel Kunst oder Poesie; und wenn er nicht einen Hinter¬
grund seines Lebens und Denkens hat, so eine nicht versiegende Quelle von
ruhiger Behaglichkeit und Lebensfreude, wie sie eine klassische Erziehung ihm
gewähren kann, so wird sein Leben ein leeres, nichtiges Ding sein, während
Geschäftssorgen und Geschäftserfolge so überwiegend auf ihn wirken werden,
daß der Mensch ganz in ihnen aufgeht. Ein an den Klassikern gebildeter
Geschäftsmann wird sich mit Verehrung und Liebe an jene geduldigen Männer
erinnern, die ihn Latein und Griechisch lehrten und in ihm eine Liebe für das
Schöne erweckten: solche Männer, mit Idealen erfüllt, trifft er vielleicht nie


„We ohne iclssls l"

gebend zu beeinflussen (Williams, Prof. der Jngenieurkunde, Univ. Michigan).
Die mathematisch-naturwissenschaftliche Ausbildung ist nicht, wie H. Spencer
will, die einzig wertvolle Ausbildung; die in den humanistischen Fächern nicht,
wie derselbe behauptet, ein engherziges Vorurteil. Um uns auf das Lateinische
zu beschränken — „denn meine Söhne sollen auch Griechisch lernen" —, so
hat es einen bedeutenden Wert für die geistige Schulung, bietet die unumgäng¬
liche Grundlage für das Erlernen moderner fremder Sprachen, die der Ingenieur
kennen muß, um die Fortschritte seiner Wissenschaft in anderen Ländern zu
verfolgen, und lehrt ihn endlich ein Mensch unter Menschen zu sein. Lieber
sechs Jahre Latein, als andere nützliche Studien, wie Orthographie-, Physiologie-
und Patriotismuskurse (Patterson, wie oben).

Endlich lassen wir die men o5 atfail-8, die Männer des praktischen Lebens,
zu Worte kommen. Für junge Leute, die im Geschäftsleben, in der Finanz¬
wirtschaft und im Staatsleben, mit einem Wort im praktischen Leben eine
leitende Stellung einnehmen wollen, sind Studien vorzuziehen, die ihn den
Menschen genau kennen lehren: im klassischen Unterricht aber studieren wir die
Humanität in einer konkreten Offenbarung, in üppigem Reichtum, in der Mannig¬
faltigkeit geistiger Vollendung. Das dort dargestellte reife und doch jugendlich
frische Leben bildet die Grundlagen, auf denen unsere Zivilisation und Kultur
erbaut sind: unsere Jurisprudenz geht aus griechische und römische Rechts¬
anschauungen zurück, unsere Philosophen knüpfen noch an Sokrates, Platon und
Aristoteles an, die Formen unserer Literatur stammen von Dichtern, Rednern
und Historikern Roms und Griechenlands. Und es gibt keinen wirkungsvolleren
Weg, diese Quellen zu studieren, als den, sie in der Ursprache zu lesen: die
Schwierigkeit der alten Sprachen erhöht ihren Wert als Unterrichtsgegenstand.
Mag man Einzelheiten wieder vergessen — die Wirkung dieses Studiums auf
die Geistesentwicklung, auf Welt- und Menschenkenntnis, auf die Erhebung der
Seele ist unverlierbar, ein Teil des Wesens des Studierenden geworden
(Williams, Herausgeber der Jndianopolis News). Klassische Erziehung ist ein
entschiedener Vorzug sür einen Geschäftsmann. Sein Tagewerk ist prosaisch,
die Männer, mit denen er zu tun hat, sind in der Regel von wenig oder gar
keiner Schulung; die Geschäftsgrundsätze, denen er begegnet, sind nicht immer in
Übereinstimmung mit den von ihm früher gewonnenen Ideen von Ehrenhaftigkeit.
Überall gibt es da nicht viel Kunst oder Poesie; und wenn er nicht einen Hinter¬
grund seines Lebens und Denkens hat, so eine nicht versiegende Quelle von
ruhiger Behaglichkeit und Lebensfreude, wie sie eine klassische Erziehung ihm
gewähren kann, so wird sein Leben ein leeres, nichtiges Ding sein, während
Geschäftssorgen und Geschäftserfolge so überwiegend auf ihn wirken werden,
daß der Mensch ganz in ihnen aufgeht. Ein an den Klassikern gebildeter
Geschäftsmann wird sich mit Verehrung und Liebe an jene geduldigen Männer
erinnern, die ihn Latein und Griechisch lehrten und in ihm eine Liebe für das
Schöne erweckten: solche Männer, mit Idealen erfüllt, trifft er vielleicht nie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/175>, abgerufen am 15.01.2025.