Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Die politische Entwicklung Elsaß-Lothringens Repräsentationsgelder künftiger Statthalter, die Kaiserjagd und die politische So hat sich das Zentrum durch seine Verbindung mit dem Nationalismus In erster Linie ist der Lothringer Block von ihm beeinflußt worden. Die Existenz dieser Organisation war von jeher für jeden politisch denkenden Die natürliche Folge davon ist. daß die Blockfraktion zur Regierung Die politische Entwicklung Elsaß-Lothringens Repräsentationsgelder künftiger Statthalter, die Kaiserjagd und die politische So hat sich das Zentrum durch seine Verbindung mit dem Nationalismus In erster Linie ist der Lothringer Block von ihm beeinflußt worden. Die Existenz dieser Organisation war von jeher für jeden politisch denkenden Die natürliche Folge davon ist. daß die Blockfraktion zur Regierung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322566"/> <fw type="header" place="top"> Die politische Entwicklung Elsaß-Lothringens</fw><lb/> <p xml:id="ID_758" prev="#ID_757"> Repräsentationsgelder künftiger Statthalter, die Kaiserjagd und die politische<lb/> Polizei wären nicht gefaßt worden, wenn die nationalistischen Mitglieder der<lb/> Fraktion nicht mit aller Gewalt dahin gedrängt hätten, die ihnen verhaßte<lb/> Regierung zu brüskieren. Und die Wahrscheinlichkeit, daß das Zentrum zur<lb/> ausschlaggebenden Macht in der reichsländischen Politik würde, wäre um vieles<lb/> größer, wenn die Regierung im Zentrum eine in nationalen Dingen zuverlässige<lb/> Fraktion erblicken könnte. Statt dessen hat sie zwar mit der klerikalen Mehrheit<lb/> zu rechnen, weiß auf der anderen Seite aber ganz genau, daß alle Nach¬<lb/> giebigkeit gegen einzelne konfessionelle Wünsche dieser Mehrheit sie nicht einen<lb/> Augenblick gegen peinliche Überraschungen auf nationalem Gebiet sichert, die<lb/> aus der Mitte dieser Mehrheit hervorgehen können, solange die Regierung nicht<lb/> ganz in klerikale Bahnen einlenkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_759"> So hat sich das Zentrum durch seine Verbindung mit dem Nationalismus<lb/> selbst den Weg zur Macht außerordentlich erschwert. Anderseits hat das Ver¬<lb/> halten des Zentrums gegenüber den Nationalisten aber auch sehr bedenkliche<lb/> Wirkungen auf die Entwicklung der übrigen bürgerlichen Parteien ausgeübt.</p><lb/> <p xml:id="ID_760"> In erster Linie ist der Lothringer Block von ihm beeinflußt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_761"> Die Existenz dieser Organisation war von jeher für jeden politisch denkenden<lb/> Menschen etwas Unbegreifliches. Geboren aus reinem Bezirkspartikularismus,<lb/> geführt von engherzigen Kirchturmspolitikern, entwicklungsunfähig und fortschritts¬<lb/> feindlich, war diese Partei nur dadurch lebensfähig, daß die in ihr maßgebenden<lb/> Notabeln gute Beziehungen zur Regierung unterhielten. Als diese durch die<lb/> Einführung der neuen Wahlkreiseinteilung, in der die Ansprüche der verschiedenen<lb/> Blockgrößen nicht genügend berücksichtigt werden konnten, verloren gingen, hatte<lb/> der Block seine Rolle als selbständige Partei eigentlich ausgespielt. Um aber<lb/> doch noch den Schein der Selbständigkeit aufrecht zu erhalten, warf sich die<lb/> Mehrheit seiner Anhänger ganz dem Zentrum und seinen nationalistischen<lb/> Freunden in die Arme. Unter den Gründern des den Nationalismus partei¬<lb/> politisch organisierenden Nationalbundes waren die angesehensten Vertreter des<lb/> „gouvernementalen" Lothringer Blocks. Und die Fraktion dieser Partei in<lb/> der Zweiten Kammer setzt sich gleichfalls ausschließlich aus Klerikalen und<lb/> Nationalisten zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_762" next="#ID_763"> Die natürliche Folge davon ist. daß die Blockfraktion zur Regierung<lb/> ungefähr in demselben Verhältnis steht wie das Zentrum, und daß sie als<lb/> Bestandteil einer gegen klerikal-nationalistische Ansprüche zu bildenden Mehrheit<lb/> nicht in Betracht kommen kann. Für die Dauer der ersten Legislaturperiode<lb/> des elsaß-lothringischen Landtags wird somit die Majorität der Zweiten Kammer<lb/> unter allen Umständen aus Zentrum und Lothringer Blockklerikalen bestehen<lb/> und bei beiden das nationalistische Element einen in vielen Fällen bestimmenden<lb/> Einfluß ausüben. Diese innige Verquickung von Klerikalismus und Nationalismus<lb/> dürfte den Regierungen in Berlin und in Straßburg die erste große Enttäuschung<lb/> der von ihnen auf die Verfassungsreform gesetzten Hoffnungen gebracht haben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
Die politische Entwicklung Elsaß-Lothringens
Repräsentationsgelder künftiger Statthalter, die Kaiserjagd und die politische
Polizei wären nicht gefaßt worden, wenn die nationalistischen Mitglieder der
Fraktion nicht mit aller Gewalt dahin gedrängt hätten, die ihnen verhaßte
Regierung zu brüskieren. Und die Wahrscheinlichkeit, daß das Zentrum zur
ausschlaggebenden Macht in der reichsländischen Politik würde, wäre um vieles
größer, wenn die Regierung im Zentrum eine in nationalen Dingen zuverlässige
Fraktion erblicken könnte. Statt dessen hat sie zwar mit der klerikalen Mehrheit
zu rechnen, weiß auf der anderen Seite aber ganz genau, daß alle Nach¬
giebigkeit gegen einzelne konfessionelle Wünsche dieser Mehrheit sie nicht einen
Augenblick gegen peinliche Überraschungen auf nationalem Gebiet sichert, die
aus der Mitte dieser Mehrheit hervorgehen können, solange die Regierung nicht
ganz in klerikale Bahnen einlenkt.
So hat sich das Zentrum durch seine Verbindung mit dem Nationalismus
selbst den Weg zur Macht außerordentlich erschwert. Anderseits hat das Ver¬
halten des Zentrums gegenüber den Nationalisten aber auch sehr bedenkliche
Wirkungen auf die Entwicklung der übrigen bürgerlichen Parteien ausgeübt.
In erster Linie ist der Lothringer Block von ihm beeinflußt worden.
Die Existenz dieser Organisation war von jeher für jeden politisch denkenden
Menschen etwas Unbegreifliches. Geboren aus reinem Bezirkspartikularismus,
geführt von engherzigen Kirchturmspolitikern, entwicklungsunfähig und fortschritts¬
feindlich, war diese Partei nur dadurch lebensfähig, daß die in ihr maßgebenden
Notabeln gute Beziehungen zur Regierung unterhielten. Als diese durch die
Einführung der neuen Wahlkreiseinteilung, in der die Ansprüche der verschiedenen
Blockgrößen nicht genügend berücksichtigt werden konnten, verloren gingen, hatte
der Block seine Rolle als selbständige Partei eigentlich ausgespielt. Um aber
doch noch den Schein der Selbständigkeit aufrecht zu erhalten, warf sich die
Mehrheit seiner Anhänger ganz dem Zentrum und seinen nationalistischen
Freunden in die Arme. Unter den Gründern des den Nationalismus partei¬
politisch organisierenden Nationalbundes waren die angesehensten Vertreter des
„gouvernementalen" Lothringer Blocks. Und die Fraktion dieser Partei in
der Zweiten Kammer setzt sich gleichfalls ausschließlich aus Klerikalen und
Nationalisten zusammen.
Die natürliche Folge davon ist. daß die Blockfraktion zur Regierung
ungefähr in demselben Verhältnis steht wie das Zentrum, und daß sie als
Bestandteil einer gegen klerikal-nationalistische Ansprüche zu bildenden Mehrheit
nicht in Betracht kommen kann. Für die Dauer der ersten Legislaturperiode
des elsaß-lothringischen Landtags wird somit die Majorität der Zweiten Kammer
unter allen Umständen aus Zentrum und Lothringer Blockklerikalen bestehen
und bei beiden das nationalistische Element einen in vielen Fällen bestimmenden
Einfluß ausüben. Diese innige Verquickung von Klerikalismus und Nationalismus
dürfte den Regierungen in Berlin und in Straßburg die erste große Enttäuschung
der von ihnen auf die Verfassungsreform gesetzten Hoffnungen gebracht haben.
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