Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Freiherr von Marschcill stellten, von der aus im Laufe der Zeit der Politiker zum Diplomaten und Wenn auch die äußeren Daten seines Lebens zum Teil schon bekannt, zum Wenige Jahre nachdem Marschall das Amt eines Staatsanwalts in Mann¬ Freiherr von Marschcill stellten, von der aus im Laufe der Zeit der Politiker zum Diplomaten und Wenn auch die äußeren Daten seines Lebens zum Teil schon bekannt, zum Wenige Jahre nachdem Marschall das Amt eines Staatsanwalts in Mann¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322416"/> <fw type="header" place="top"> Freiherr von Marschcill</fw><lb/> <p xml:id="ID_13" prev="#ID_12"> stellten, von der aus im Laufe der Zeit der Politiker zum Diplomaten und<lb/> Staatsmann wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_14"> Wenn auch die äußeren Daten seines Lebens zum Teil schon bekannt, zum<lb/> Teil durch die Tageszeitungen genügend wieder in Erinnerung gebracht worden<lb/> sind, erscheint es doch angezeigt, das Wichtigste davon hier noch einmal zu<lb/> wiederholen, um daran die Entwicklung dieser bedeutenden Persönlichkeit zu<lb/> zeigen. Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein entstammt dem badischen<lb/> Zweige seines Geschlechts, das sich in der Geschichte dieses Landes einen ehren¬<lb/> vollen Platz gesichert hat. Auf dem väterlichen Gut Neuershausen bei Freiburg<lb/> ist er am 12. Oktober 1842 geboren. Durch Grundbesitz und Fannlienzugehörigkeit<lb/> schienen ihm für sein späteres Leben gewisse Bahnen vorgezeichnet zu sein,<lb/> und es konnte sich für ihn bei der Wahl des Berufes nur darum handeln,<lb/> diesem Leben durch die Vorbildung zu einer bestimmten Tätigkeit eine festere<lb/> Gestalt zu geben. Sein auf Klarheit und Schärfe gerichteter, reichbegabter<lb/> Geist fühlte sich zum juristischen Studium getrieben, und in diesem Beruf hat<lb/> er lange Jahre seine Befriedigung gefunden. Ohne Zweifel hat diese Tätigkeit<lb/> einen gewissen Einfluß auf seine ganze Geistesrichtung gehabt, und namentlich<lb/> seine Gegner wollten noch lange später in der Art und Methode seines par¬<lb/> lamentarischen Auftretens die Eigenheiten des Plaidoyers erkennen. Höhnend<lb/> sprachen sie dann von dem „Staatsanwalt", der an Bismarcks Stelle die aus¬<lb/> wärtige Politik des Reiches leite. Wenn es aber auch richtig sein mag, daß<lb/> Herr von Marschall anfangs einzelne Schwächen und Eigentümlichkeiten des<lb/> praktischen Berufsjuristen in eine neue Tätigkeit hinübernahm, so hat er sie<lb/> einerseits bald genug abgestreift, anderseits bildeten diese Schwächen doch nur<lb/> die unbedeutende Kehrseite vieler glänzenden Eigenschaften, vor allem der ihm<lb/> eigenen, auf logischer Schärfe und voller Beherrschung des Gegenstandes<lb/> beruhenden inneren Sicherheit und Klarheit, ferner aber der durchdringenden<lb/> Beobachtung der Menschen und Verhältnisse. Es wird aber hiernach verständlich<lb/> sein, daß diese Vorzüge erst in der diplomatischen Tätigkeit zur vollen Ent¬<lb/> faltung kamen, daß sie hier ausgiebiger zur Geltung gelangten als in der mehr<lb/> bureaukratischen Tätigkeit der Leitung eines Reichsamts.</p><lb/> <p xml:id="ID_15" next="#ID_16"> Wenige Jahre nachdem Marschall das Amt eines Staatsanwalts in Mann¬<lb/> heim übernommen hatte, riefen ihn die Verhältnisse auf das politische Kampffeld.<lb/> Als Vertreter des grundbesitzenden Adels nahm er 1875 seinen Sitz in der<lb/> badischen Ersten Kammer. Einmal zur praktischen Mitwirkung an der Gesetz¬<lb/> gebung seines engerm Vaterlandes und zur parlamentarischen Tätigkeit berufen,<lb/> konnte eine solche Persönlichkeit hinfort nicht unbemerkt bleiben, und so sehen<lb/> wir ihn 1878 bei den bedeutungsvollen Reichstagswahlen jenes Jahres zum<lb/> ersten Male eine wichtige Rolle spielen. Seine persönlichen Überzeugungen wiesen<lb/> ihn in das konservative Lager. In Baden hatte bis dahin ein gesunder Kon¬<lb/> servatismus nicht so recht aufkommen können. Die Gegensätze hießen dort im<lb/> wesentlichen: Liberalismus und Klerikalismus. Die Rückwirkungen des preußischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Freiherr von Marschcill
stellten, von der aus im Laufe der Zeit der Politiker zum Diplomaten und
Staatsmann wurde.
Wenn auch die äußeren Daten seines Lebens zum Teil schon bekannt, zum
Teil durch die Tageszeitungen genügend wieder in Erinnerung gebracht worden
sind, erscheint es doch angezeigt, das Wichtigste davon hier noch einmal zu
wiederholen, um daran die Entwicklung dieser bedeutenden Persönlichkeit zu
zeigen. Adolf Freiherr Marschall von Bieberstein entstammt dem badischen
Zweige seines Geschlechts, das sich in der Geschichte dieses Landes einen ehren¬
vollen Platz gesichert hat. Auf dem väterlichen Gut Neuershausen bei Freiburg
ist er am 12. Oktober 1842 geboren. Durch Grundbesitz und Fannlienzugehörigkeit
schienen ihm für sein späteres Leben gewisse Bahnen vorgezeichnet zu sein,
und es konnte sich für ihn bei der Wahl des Berufes nur darum handeln,
diesem Leben durch die Vorbildung zu einer bestimmten Tätigkeit eine festere
Gestalt zu geben. Sein auf Klarheit und Schärfe gerichteter, reichbegabter
Geist fühlte sich zum juristischen Studium getrieben, und in diesem Beruf hat
er lange Jahre seine Befriedigung gefunden. Ohne Zweifel hat diese Tätigkeit
einen gewissen Einfluß auf seine ganze Geistesrichtung gehabt, und namentlich
seine Gegner wollten noch lange später in der Art und Methode seines par¬
lamentarischen Auftretens die Eigenheiten des Plaidoyers erkennen. Höhnend
sprachen sie dann von dem „Staatsanwalt", der an Bismarcks Stelle die aus¬
wärtige Politik des Reiches leite. Wenn es aber auch richtig sein mag, daß
Herr von Marschall anfangs einzelne Schwächen und Eigentümlichkeiten des
praktischen Berufsjuristen in eine neue Tätigkeit hinübernahm, so hat er sie
einerseits bald genug abgestreift, anderseits bildeten diese Schwächen doch nur
die unbedeutende Kehrseite vieler glänzenden Eigenschaften, vor allem der ihm
eigenen, auf logischer Schärfe und voller Beherrschung des Gegenstandes
beruhenden inneren Sicherheit und Klarheit, ferner aber der durchdringenden
Beobachtung der Menschen und Verhältnisse. Es wird aber hiernach verständlich
sein, daß diese Vorzüge erst in der diplomatischen Tätigkeit zur vollen Ent¬
faltung kamen, daß sie hier ausgiebiger zur Geltung gelangten als in der mehr
bureaukratischen Tätigkeit der Leitung eines Reichsamts.
Wenige Jahre nachdem Marschall das Amt eines Staatsanwalts in Mann¬
heim übernommen hatte, riefen ihn die Verhältnisse auf das politische Kampffeld.
Als Vertreter des grundbesitzenden Adels nahm er 1875 seinen Sitz in der
badischen Ersten Kammer. Einmal zur praktischen Mitwirkung an der Gesetz¬
gebung seines engerm Vaterlandes und zur parlamentarischen Tätigkeit berufen,
konnte eine solche Persönlichkeit hinfort nicht unbemerkt bleiben, und so sehen
wir ihn 1878 bei den bedeutungsvollen Reichstagswahlen jenes Jahres zum
ersten Male eine wichtige Rolle spielen. Seine persönlichen Überzeugungen wiesen
ihn in das konservative Lager. In Baden hatte bis dahin ein gesunder Kon¬
servatismus nicht so recht aufkommen können. Die Gegensätze hießen dort im
wesentlichen: Liberalismus und Klerikalismus. Die Rückwirkungen des preußischen
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