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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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An der ZViege des Königreichs Rumänien

die Privatpolitik seines hiesigen Botschafters Lord Stratford de Reeliffe oktroyieren
lassen, und sich demgemäß die türkische Auffassungs weise angeeignet. Um ganz
sicher in betreff der Fürstentümer nichts Reelles zustande kommen zu lassen, hat
Lord Clarendon schließlich einen Diplomaten als Kommissär ausgewählt, der
überall das augenscheinlichste Talent an den Tag gelegt hat, die Verhältnisse
zu verwirren, und zu brouillieren.

Nur Frankreich hält noch an den Anschauungen fest, die es beim Pariser
Friedenskongreß in betreff der Fürstentümer bekannt hat. Die bekannte englische
Note Lord Clarendons über die Konversation mit Mr. Mathuras (?) über die
Fürstentümer hat Frankreich in einer Weise widerlegt, die deutlich bekundet, daß
es der englischen Allianz seine Ansichten in Beziehung aus die Moldau und
Wallache! nicht opfern will. Frankreich bleibt fest dabei stehen, daß man die
Wünsche der Moldau-Wallachen über die Union hören müßte, und die Union
eine zweckmäßige Maßregel sein werde. Über den den Ländern zu gebenden
fremden Erbfürsten hat sich Frankreich jedoch in eine, einer vielseitigen Deutung
fähige Reserve gehüllt.

Es bleibt zum Schlüsse noch der Ansicht Sardiniens ehrfurchtsvoll zu
erwähnen, welches an der Kommission teilnimmt. Bei der Spaltung, die augen¬
scheinlich zwischen Frankreich und England in dieser Frage eingetreten, wird die
Haltung des sardinischen Kommissars eine sehr vorsichtige sein; soweit die eine
oder die andere dieser beiden Mächte hierdurch nicht verletzt wird, wird sich
Sardinien auf der Seite derjenigen Anschauung befinden, die Osterreich das
Widerspiel hält. Blicken wir daher um uns und auf unsere Mitkontrahenten
des Pariser Friedens, so finden wir, was die Frage über den fremden Erb¬
fürsten betrifft, nirgends eine entschiedene und offene Mitwirkung für den von Ew.
Königlichen Majestät mit so großem Recht in den Vordergrund gestellten Punkt,
aber auf feiten der Türkei, Österreichs und Englands einen offenen und entschiedenen
Widerstand.

Sehen wir die Union der Länder als vorbereitendes Mittel zum Zweck an,
so finden wir eine offene und entschiedene Mitwirkung nur in Frankreich, eine
zweifelhafte in Nußland und Sardinien, einen unzweifelhaften Widerstand in der
Türkei, Osterreich und England.

Ein offener und entschiedener Alliierter für Ew. Königlichen Majestät erhabene
Ansichten würde jedoch in den Fürstentümern selbst, wenn diese zum freien unbe¬
einflußten Ausdruck ihrer Wünsche gelangen, zu finden sein.

Allein alles weist darauf hin, daß, wenn überhaupt noch der Pariser
Frieden in den die Fürstentümer betreffenden Stipulationen zur Ausführung
kommen sollte, jener Ausdruck kein reiner sein wird, besonders wenn die öster¬
reichische Okkupation fortdauern sollte.

Nach den Informationen, die dem General von Wildenbruch und mir aus
den Fürstentümern selbst vorliegen, würden diese, wenn sie sich über die Wahl
eines fremden Erbfürsten aus einer erblichen europäischen Dynastie zu entscheiden


An der ZViege des Königreichs Rumänien

die Privatpolitik seines hiesigen Botschafters Lord Stratford de Reeliffe oktroyieren
lassen, und sich demgemäß die türkische Auffassungs weise angeeignet. Um ganz
sicher in betreff der Fürstentümer nichts Reelles zustande kommen zu lassen, hat
Lord Clarendon schließlich einen Diplomaten als Kommissär ausgewählt, der
überall das augenscheinlichste Talent an den Tag gelegt hat, die Verhältnisse
zu verwirren, und zu brouillieren.

Nur Frankreich hält noch an den Anschauungen fest, die es beim Pariser
Friedenskongreß in betreff der Fürstentümer bekannt hat. Die bekannte englische
Note Lord Clarendons über die Konversation mit Mr. Mathuras (?) über die
Fürstentümer hat Frankreich in einer Weise widerlegt, die deutlich bekundet, daß
es der englischen Allianz seine Ansichten in Beziehung aus die Moldau und
Wallache! nicht opfern will. Frankreich bleibt fest dabei stehen, daß man die
Wünsche der Moldau-Wallachen über die Union hören müßte, und die Union
eine zweckmäßige Maßregel sein werde. Über den den Ländern zu gebenden
fremden Erbfürsten hat sich Frankreich jedoch in eine, einer vielseitigen Deutung
fähige Reserve gehüllt.

Es bleibt zum Schlüsse noch der Ansicht Sardiniens ehrfurchtsvoll zu
erwähnen, welches an der Kommission teilnimmt. Bei der Spaltung, die augen¬
scheinlich zwischen Frankreich und England in dieser Frage eingetreten, wird die
Haltung des sardinischen Kommissars eine sehr vorsichtige sein; soweit die eine
oder die andere dieser beiden Mächte hierdurch nicht verletzt wird, wird sich
Sardinien auf der Seite derjenigen Anschauung befinden, die Osterreich das
Widerspiel hält. Blicken wir daher um uns und auf unsere Mitkontrahenten
des Pariser Friedens, so finden wir, was die Frage über den fremden Erb¬
fürsten betrifft, nirgends eine entschiedene und offene Mitwirkung für den von Ew.
Königlichen Majestät mit so großem Recht in den Vordergrund gestellten Punkt,
aber auf feiten der Türkei, Österreichs und Englands einen offenen und entschiedenen
Widerstand.

Sehen wir die Union der Länder als vorbereitendes Mittel zum Zweck an,
so finden wir eine offene und entschiedene Mitwirkung nur in Frankreich, eine
zweifelhafte in Nußland und Sardinien, einen unzweifelhaften Widerstand in der
Türkei, Osterreich und England.

Ein offener und entschiedener Alliierter für Ew. Königlichen Majestät erhabene
Ansichten würde jedoch in den Fürstentümern selbst, wenn diese zum freien unbe¬
einflußten Ausdruck ihrer Wünsche gelangen, zu finden sein.

Allein alles weist darauf hin, daß, wenn überhaupt noch der Pariser
Frieden in den die Fürstentümer betreffenden Stipulationen zur Ausführung
kommen sollte, jener Ausdruck kein reiner sein wird, besonders wenn die öster¬
reichische Okkupation fortdauern sollte.

Nach den Informationen, die dem General von Wildenbruch und mir aus
den Fürstentümern selbst vorliegen, würden diese, wenn sie sich über die Wahl
eines fremden Erbfürsten aus einer erblichen europäischen Dynastie zu entscheiden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/135>, abgerufen am 15.01.2025.