Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
An der Wiege des Königreichs Rumänien

Nationalität. Wird hingegen etwas zustande gebracht, werden die Fürstentümer
unter eine kräftige Regierung gestellt, so kann dies nicht anders, als durch
Lockerung der Bande zur Pforte, d.h. also zum Nachteil des türkischen Reiches
geschehen; eine Lockerung der Bande der Moldau und Wallachei zur Pforte
kann allerdings auch zu einem Beispiele für Serbien, Bulgarien usw. führen;
Rußland wird somit durch den Frieden erreichen, was es durch den Krieg
vergeblich zu erreichen gestrebt hat.

Daß Rußland sich dieser günstigen Stellung zu der vorliegenden Frage
vollkommen bewußt ist, und daß diese Stellung seine gegenwärtige Zurückhaltung
diktiert, darüber waltet kein Zweifel ob, wird auch in konfidentiellen Gesprächen
von seinen Diplomaten gar nicht geheim gehalten, welche vielmehr die Dis¬
positionen des Pariser Kongresses über die Fürstentümer geradezu, und mit
vollkommenem Rechte, als einen der wenigen Punkte des Friedens bezeichnen,
der Nußland vollkommen befriedige.

Worüber man in Rußland noch zu keiner Überzeugung, zu keinem Abschluß
der Ansichten, und somit auch noch zu keinem Entschluß in Beziehung auf das
Eintreten in die Handlung gekommen ist, besteht lediglich in dem Zweifel,
welche der alleruntertänigst vorgedachten beiden vorteilhaften Alternativen die
vorteilhafteste sein, und welche man sich daher anzueignen haben werde.

Der russische Kommissär Mr. de Basily, der sich hier sehr an mich gehalten,
und mich fast täglich und lange zu besuchen pflegt, und mit dem ich daher, wie
mit dem französischen Kommissär, zu einem näheren und vertraulichen Verhältnis
gekommen bin, hat mir in einer Weise gesprochen, die mich voraussetzen ließ,
daß er von der Auffassung Nachricht haben müsse, die Ew. Königliche Majestät
über die den Fürstentümern zu gebende Regierungsform allergnädigst angenommen
haben. Er sprach mir von der Zweckmäßigkeit eines einheitlichen und monarchischen
Regiments in denselben, und meinte, daß er es gern sehen würde, wenn ein
Deutscher, zumal protestantischer Fürst für jene Länder auserwählt werde. Mit
einem solchen werde dann auch der Übergang zu der griechischen Religion
mindere Schwierigkeiten haben, als dieses bei einem katholischen Fürsten der
Fall sein werde. Ich sah sehr bald ein, daß Mr. de Basily sich bemühte, mir die
Ansicht beizubringen, daß wir uns auf einem und demselben Standpunkte befinden.
Ganz kürzlich erwiderte ich ihm indes auf diese Anführungen, daß, was er mir
in dieser Hinsicht jetzt und früher gesagt habe, durchaus von mir nur als seine,
des Mr. de Basily Privatansicht betrachtet werden könne, denn aus den Ge¬
sprächen mit anderen russischen Diplomaten wisse ich ziemlich sicher, daß dies nicht
die Meinung seiner Negierung sei, und daß diese schließlich, wenn sich die Fürsten¬
tümer durch ihre Diwans für die Union und für die Einsetzung eines Erbfürsten
aussprechen sollten, wahrscheinlich dies wenig oder gar nicht begünstigen, sondern
vielmehr eher hintertreiben werde.

Mr. de Basily zeigte mir nun seine Instruktion und ein Zirkularschreiben
an die russischen Konsulate in den Donaufürstentümern; nach beiden soll ersterer


An der Wiege des Königreichs Rumänien

Nationalität. Wird hingegen etwas zustande gebracht, werden die Fürstentümer
unter eine kräftige Regierung gestellt, so kann dies nicht anders, als durch
Lockerung der Bande zur Pforte, d.h. also zum Nachteil des türkischen Reiches
geschehen; eine Lockerung der Bande der Moldau und Wallachei zur Pforte
kann allerdings auch zu einem Beispiele für Serbien, Bulgarien usw. führen;
Rußland wird somit durch den Frieden erreichen, was es durch den Krieg
vergeblich zu erreichen gestrebt hat.

Daß Rußland sich dieser günstigen Stellung zu der vorliegenden Frage
vollkommen bewußt ist, und daß diese Stellung seine gegenwärtige Zurückhaltung
diktiert, darüber waltet kein Zweifel ob, wird auch in konfidentiellen Gesprächen
von seinen Diplomaten gar nicht geheim gehalten, welche vielmehr die Dis¬
positionen des Pariser Kongresses über die Fürstentümer geradezu, und mit
vollkommenem Rechte, als einen der wenigen Punkte des Friedens bezeichnen,
der Nußland vollkommen befriedige.

Worüber man in Rußland noch zu keiner Überzeugung, zu keinem Abschluß
der Ansichten, und somit auch noch zu keinem Entschluß in Beziehung auf das
Eintreten in die Handlung gekommen ist, besteht lediglich in dem Zweifel,
welche der alleruntertänigst vorgedachten beiden vorteilhaften Alternativen die
vorteilhafteste sein, und welche man sich daher anzueignen haben werde.

Der russische Kommissär Mr. de Basily, der sich hier sehr an mich gehalten,
und mich fast täglich und lange zu besuchen pflegt, und mit dem ich daher, wie
mit dem französischen Kommissär, zu einem näheren und vertraulichen Verhältnis
gekommen bin, hat mir in einer Weise gesprochen, die mich voraussetzen ließ,
daß er von der Auffassung Nachricht haben müsse, die Ew. Königliche Majestät
über die den Fürstentümern zu gebende Regierungsform allergnädigst angenommen
haben. Er sprach mir von der Zweckmäßigkeit eines einheitlichen und monarchischen
Regiments in denselben, und meinte, daß er es gern sehen würde, wenn ein
Deutscher, zumal protestantischer Fürst für jene Länder auserwählt werde. Mit
einem solchen werde dann auch der Übergang zu der griechischen Religion
mindere Schwierigkeiten haben, als dieses bei einem katholischen Fürsten der
Fall sein werde. Ich sah sehr bald ein, daß Mr. de Basily sich bemühte, mir die
Ansicht beizubringen, daß wir uns auf einem und demselben Standpunkte befinden.
Ganz kürzlich erwiderte ich ihm indes auf diese Anführungen, daß, was er mir
in dieser Hinsicht jetzt und früher gesagt habe, durchaus von mir nur als seine,
des Mr. de Basily Privatansicht betrachtet werden könne, denn aus den Ge¬
sprächen mit anderen russischen Diplomaten wisse ich ziemlich sicher, daß dies nicht
die Meinung seiner Negierung sei, und daß diese schließlich, wenn sich die Fürsten¬
tümer durch ihre Diwans für die Union und für die Einsetzung eines Erbfürsten
aussprechen sollten, wahrscheinlich dies wenig oder gar nicht begünstigen, sondern
vielmehr eher hintertreiben werde.

Mr. de Basily zeigte mir nun seine Instruktion und ein Zirkularschreiben
an die russischen Konsulate in den Donaufürstentümern; nach beiden soll ersterer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322533"/>
          <fw type="header" place="top"> An der Wiege des Königreichs Rumänien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_523" prev="#ID_522"> Nationalität. Wird hingegen etwas zustande gebracht, werden die Fürstentümer<lb/>
unter eine kräftige Regierung gestellt, so kann dies nicht anders, als durch<lb/>
Lockerung der Bande zur Pforte, d.h. also zum Nachteil des türkischen Reiches<lb/>
geschehen; eine Lockerung der Bande der Moldau und Wallachei zur Pforte<lb/>
kann allerdings auch zu einem Beispiele für Serbien, Bulgarien usw. führen;<lb/>
Rußland wird somit durch den Frieden erreichen, was es durch den Krieg<lb/>
vergeblich zu erreichen gestrebt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_524"> Daß Rußland sich dieser günstigen Stellung zu der vorliegenden Frage<lb/>
vollkommen bewußt ist, und daß diese Stellung seine gegenwärtige Zurückhaltung<lb/>
diktiert, darüber waltet kein Zweifel ob, wird auch in konfidentiellen Gesprächen<lb/>
von seinen Diplomaten gar nicht geheim gehalten, welche vielmehr die Dis¬<lb/>
positionen des Pariser Kongresses über die Fürstentümer geradezu, und mit<lb/>
vollkommenem Rechte, als einen der wenigen Punkte des Friedens bezeichnen,<lb/>
der Nußland vollkommen befriedige.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_525"> Worüber man in Rußland noch zu keiner Überzeugung, zu keinem Abschluß<lb/>
der Ansichten, und somit auch noch zu keinem Entschluß in Beziehung auf das<lb/>
Eintreten in die Handlung gekommen ist, besteht lediglich in dem Zweifel,<lb/>
welche der alleruntertänigst vorgedachten beiden vorteilhaften Alternativen die<lb/>
vorteilhafteste sein, und welche man sich daher anzueignen haben werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_526"> Der russische Kommissär Mr. de Basily, der sich hier sehr an mich gehalten,<lb/>
und mich fast täglich und lange zu besuchen pflegt, und mit dem ich daher, wie<lb/>
mit dem französischen Kommissär, zu einem näheren und vertraulichen Verhältnis<lb/>
gekommen bin, hat mir in einer Weise gesprochen, die mich voraussetzen ließ,<lb/>
daß er von der Auffassung Nachricht haben müsse, die Ew. Königliche Majestät<lb/>
über die den Fürstentümern zu gebende Regierungsform allergnädigst angenommen<lb/>
haben. Er sprach mir von der Zweckmäßigkeit eines einheitlichen und monarchischen<lb/>
Regiments in denselben, und meinte, daß er es gern sehen würde, wenn ein<lb/>
Deutscher, zumal protestantischer Fürst für jene Länder auserwählt werde. Mit<lb/>
einem solchen werde dann auch der Übergang zu der griechischen Religion<lb/>
mindere Schwierigkeiten haben, als dieses bei einem katholischen Fürsten der<lb/>
Fall sein werde. Ich sah sehr bald ein, daß Mr. de Basily sich bemühte, mir die<lb/>
Ansicht beizubringen, daß wir uns auf einem und demselben Standpunkte befinden.<lb/>
Ganz kürzlich erwiderte ich ihm indes auf diese Anführungen, daß, was er mir<lb/>
in dieser Hinsicht jetzt und früher gesagt habe, durchaus von mir nur als seine,<lb/>
des Mr. de Basily Privatansicht betrachtet werden könne, denn aus den Ge¬<lb/>
sprächen mit anderen russischen Diplomaten wisse ich ziemlich sicher, daß dies nicht<lb/>
die Meinung seiner Negierung sei, und daß diese schließlich, wenn sich die Fürsten¬<lb/>
tümer durch ihre Diwans für die Union und für die Einsetzung eines Erbfürsten<lb/>
aussprechen sollten, wahrscheinlich dies wenig oder gar nicht begünstigen, sondern<lb/>
vielmehr eher hintertreiben werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_527" next="#ID_528"> Mr. de Basily zeigte mir nun seine Instruktion und ein Zirkularschreiben<lb/>
an die russischen Konsulate in den Donaufürstentümern; nach beiden soll ersterer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0131] An der Wiege des Königreichs Rumänien Nationalität. Wird hingegen etwas zustande gebracht, werden die Fürstentümer unter eine kräftige Regierung gestellt, so kann dies nicht anders, als durch Lockerung der Bande zur Pforte, d.h. also zum Nachteil des türkischen Reiches geschehen; eine Lockerung der Bande der Moldau und Wallachei zur Pforte kann allerdings auch zu einem Beispiele für Serbien, Bulgarien usw. führen; Rußland wird somit durch den Frieden erreichen, was es durch den Krieg vergeblich zu erreichen gestrebt hat. Daß Rußland sich dieser günstigen Stellung zu der vorliegenden Frage vollkommen bewußt ist, und daß diese Stellung seine gegenwärtige Zurückhaltung diktiert, darüber waltet kein Zweifel ob, wird auch in konfidentiellen Gesprächen von seinen Diplomaten gar nicht geheim gehalten, welche vielmehr die Dis¬ positionen des Pariser Kongresses über die Fürstentümer geradezu, und mit vollkommenem Rechte, als einen der wenigen Punkte des Friedens bezeichnen, der Nußland vollkommen befriedige. Worüber man in Rußland noch zu keiner Überzeugung, zu keinem Abschluß der Ansichten, und somit auch noch zu keinem Entschluß in Beziehung auf das Eintreten in die Handlung gekommen ist, besteht lediglich in dem Zweifel, welche der alleruntertänigst vorgedachten beiden vorteilhaften Alternativen die vorteilhafteste sein, und welche man sich daher anzueignen haben werde. Der russische Kommissär Mr. de Basily, der sich hier sehr an mich gehalten, und mich fast täglich und lange zu besuchen pflegt, und mit dem ich daher, wie mit dem französischen Kommissär, zu einem näheren und vertraulichen Verhältnis gekommen bin, hat mir in einer Weise gesprochen, die mich voraussetzen ließ, daß er von der Auffassung Nachricht haben müsse, die Ew. Königliche Majestät über die den Fürstentümern zu gebende Regierungsform allergnädigst angenommen haben. Er sprach mir von der Zweckmäßigkeit eines einheitlichen und monarchischen Regiments in denselben, und meinte, daß er es gern sehen würde, wenn ein Deutscher, zumal protestantischer Fürst für jene Länder auserwählt werde. Mit einem solchen werde dann auch der Übergang zu der griechischen Religion mindere Schwierigkeiten haben, als dieses bei einem katholischen Fürsten der Fall sein werde. Ich sah sehr bald ein, daß Mr. de Basily sich bemühte, mir die Ansicht beizubringen, daß wir uns auf einem und demselben Standpunkte befinden. Ganz kürzlich erwiderte ich ihm indes auf diese Anführungen, daß, was er mir in dieser Hinsicht jetzt und früher gesagt habe, durchaus von mir nur als seine, des Mr. de Basily Privatansicht betrachtet werden könne, denn aus den Ge¬ sprächen mit anderen russischen Diplomaten wisse ich ziemlich sicher, daß dies nicht die Meinung seiner Negierung sei, und daß diese schließlich, wenn sich die Fürsten¬ tümer durch ihre Diwans für die Union und für die Einsetzung eines Erbfürsten aussprechen sollten, wahrscheinlich dies wenig oder gar nicht begünstigen, sondern vielmehr eher hintertreiben werde. Mr. de Basily zeigte mir nun seine Instruktion und ein Zirkularschreiben an die russischen Konsulate in den Donaufürstentümern; nach beiden soll ersterer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/131
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/131>, abgerufen am 15.01.2025.