Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Der Arme Heinrich Dr. Ucirl Polheim von le Geschichte vom Aussatz und der Heilung des Armen Heinrich, Unbezweifelt die kräftigste und bedeutsamste dichterische Leistung nach.Hartmann Das Motiv des Aussatzes, obzwar vom ästhetischen Standpunkt aus heiß Der Arme Heinrich Dr. Ucirl Polheim von le Geschichte vom Aussatz und der Heilung des Armen Heinrich, Unbezweifelt die kräftigste und bedeutsamste dichterische Leistung nach.Hartmann Das Motiv des Aussatzes, obzwar vom ästhetischen Standpunkt aus heiß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322523"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322523_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Arme Heinrich<lb/><note type="byline"> Dr. Ucirl Polheim</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_487"> le Geschichte vom Aussatz und der Heilung des Armen Heinrich,<lb/> die zuerst Hartmann von Ane um die Wende des zwölften<lb/> Jahrhunderts im Deutsch seiner Zeit episch dargestellt hat, ist<lb/> nach ihm noch oft, und nicht nur in der deutschen Literatur<lb/> behandelt worden. Und es ist seltsam, daß dieser Stoff, welcher<lb/> der theatralischen Aufmachung nur in wenigen Motiven entgegenkommt, späterhin<lb/> am häufigsten gerade dramatisch gestaltet worden ist. Kannegießer (1836) und<lb/> Josef von Weilen (1860), Franz Bonn (1880) und Hans Pöhnl (1887) und<lb/> mancher andere hat die Erzählung vom Armen Heinrich dramatisiert, und<lb/> Hans Pfitzner hat ein Textbuch von James Grau in Musik gesetzt. Neben<lb/> diesen bühnenfähigen aber wenig bedeutenden deutschen Stücken hat der Amerikaner<lb/> Longfellow mit seiner „Goldenen Legende" ein phantastisches Buchdrama<lb/> geschaffen, das voll von Gelehrsamkeit und philiströser Pedanterei steckt und die<lb/> alte Begebenheit mit eigensinnig wuchernden Ranken und stoffremdem Schling¬<lb/> werk verkümmert und erdrückt.</p><lb/> <p xml:id="ID_488"> Unbezweifelt die kräftigste und bedeutsamste dichterische Leistung nach.Hartmann<lb/> ist rund siebenhundert Jahre später ans Licht der Rampe getreten: Gerhart<lb/> Hauptmanns Drama „Der Arme Heinrich, eine deutsche Sage", zum erstenmal<lb/> auf dem Wiener Burgtheater im November des Jahres 1902 aufgeführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_489" next="#ID_490"> Das Motiv des Aussatzes, obzwar vom ästhetischen Standpunkt aus heiß<lb/> umstritten, ist gleichwohl in der Poesie uralt und nicht selten und nicht einmal<lb/> immer ernst behandelt. Tristan und Ulrich von Lichtenstein haben sich als<lb/> Aussätzige verkleidet unter die Siechen gemischt, um sich der Geliebten zu nähern.<lb/> Und von der Vlutkur lesen wir schon bei Plinius. Aber auch an Widerstand<lb/> gegen das auffällige Motiv fehlt es nicht. Unter Laubes Einfluß hat Josef<lb/> von Weilen den Armen Heinrich seines Dramas zum Blinden gemacht, und auch<lb/> Longfellow weicht dem Aussatzmotiv scheu aus; da er aber dennoch mit dem<lb/> Worte spielt, wird man bei ihni über Heinrichs Krankheit nicht klar. Am<lb/> schärfsten hat Goethe geurteilt, der Hartmanns Epos in Büschings „unseliger"<lb/> Übersetzung zur Hand hatte: es brachte ihm das „an und für sich betrachtet<lb/> höchst schätzenswerte Gedicht physisch-ästhetischen Schmerz". Das „Motiv", sagte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
[Abbildung]
Der Arme Heinrich
Dr. Ucirl Polheim von
le Geschichte vom Aussatz und der Heilung des Armen Heinrich,
die zuerst Hartmann von Ane um die Wende des zwölften
Jahrhunderts im Deutsch seiner Zeit episch dargestellt hat, ist
nach ihm noch oft, und nicht nur in der deutschen Literatur
behandelt worden. Und es ist seltsam, daß dieser Stoff, welcher
der theatralischen Aufmachung nur in wenigen Motiven entgegenkommt, späterhin
am häufigsten gerade dramatisch gestaltet worden ist. Kannegießer (1836) und
Josef von Weilen (1860), Franz Bonn (1880) und Hans Pöhnl (1887) und
mancher andere hat die Erzählung vom Armen Heinrich dramatisiert, und
Hans Pfitzner hat ein Textbuch von James Grau in Musik gesetzt. Neben
diesen bühnenfähigen aber wenig bedeutenden deutschen Stücken hat der Amerikaner
Longfellow mit seiner „Goldenen Legende" ein phantastisches Buchdrama
geschaffen, das voll von Gelehrsamkeit und philiströser Pedanterei steckt und die
alte Begebenheit mit eigensinnig wuchernden Ranken und stoffremdem Schling¬
werk verkümmert und erdrückt.
Unbezweifelt die kräftigste und bedeutsamste dichterische Leistung nach.Hartmann
ist rund siebenhundert Jahre später ans Licht der Rampe getreten: Gerhart
Hauptmanns Drama „Der Arme Heinrich, eine deutsche Sage", zum erstenmal
auf dem Wiener Burgtheater im November des Jahres 1902 aufgeführt.
Das Motiv des Aussatzes, obzwar vom ästhetischen Standpunkt aus heiß
umstritten, ist gleichwohl in der Poesie uralt und nicht selten und nicht einmal
immer ernst behandelt. Tristan und Ulrich von Lichtenstein haben sich als
Aussätzige verkleidet unter die Siechen gemischt, um sich der Geliebten zu nähern.
Und von der Vlutkur lesen wir schon bei Plinius. Aber auch an Widerstand
gegen das auffällige Motiv fehlt es nicht. Unter Laubes Einfluß hat Josef
von Weilen den Armen Heinrich seines Dramas zum Blinden gemacht, und auch
Longfellow weicht dem Aussatzmotiv scheu aus; da er aber dennoch mit dem
Worte spielt, wird man bei ihni über Heinrichs Krankheit nicht klar. Am
schärfsten hat Goethe geurteilt, der Hartmanns Epos in Büschings „unseliger"
Übersetzung zur Hand hatte: es brachte ihm das „an und für sich betrachtet
höchst schätzenswerte Gedicht physisch-ästhetischen Schmerz". Das „Motiv", sagte
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |