Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Max Dreyer Ohm Peter, ein Problematiker ganz eigener Prägung, der hinter Härte "Auf eigener Erde" handelt vom Kampf erbangesessener Herrenkinder um Es ist kein Widerspruch, daß nicht nur diesen klaren Herrenmenschen des Max Dreyer Ohm Peter, ein Problematiker ganz eigener Prägung, der hinter Härte „Auf eigener Erde" handelt vom Kampf erbangesessener Herrenkinder um Es ist kein Widerspruch, daß nicht nur diesen klaren Herrenmenschen des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322503"/> <fw type="header" place="top"> Max Dreyer</fw><lb/> <p xml:id="ID_424"> Ohm Peter, ein Problematiker ganz eigener Prägung, der hinter Härte<lb/> und Dialektik heimliche Sehnsucht und mimosenhafte Scheu versteckt, ein geistiger<lb/> Eigenwanderer von schmerzlicher Notwendigkeit, hat in leidenschaftlicher Ein¬<lb/> samkeit zur Natur sich geflüchtet, der er in pantheistischen Aufgehen gehört.<lb/> In seiner Welt von Meer, Weite, Sonne und Wolken sucht ein schlicht-<lb/> seiner, treu hingebender Mensch ihn auf — Kind und Weib zugleich —, weckt<lb/> in ihm alle Sehnsucht und läßt ihn die Einsamkeit schmerzlicher empfinden —<lb/> und dennoch nur heißer lieb gewinnen. Von seinem Weltenheimweh seiner<lb/> inneren Zerklüftung vermag sie ihn nicht zur Selbstaufgabe, die einzig Glück<lb/> bedeutet, zu erlösen.</p><lb/> <p xml:id="ID_425"> „Auf eigener Erde" handelt vom Kampf erbangesessener Herrenkinder um<lb/> den geliebten Boden, den sie endlich wieder gewinnen. Fromm wird der<lb/> Dichter, wenn er von der Erde spricht und heilig wie ihm wird die Erde<lb/> uns. Ein Buch der Erde wie „Ohm Peter" ein Buch vom Meer. Und<lb/> hier finden wir auch Max Dreyers Frauengestalt in ihrer Vollendung. Ursula<lb/> von Elch, Herrin auf der geliebten Erde, findet sie doch ihre eigene Erde erst,<lb/> als sie das Land sür die Liebe opfert. Ihr ganzer Gegensatz und dennoch eine<lb/> ganze Frau ist die Schifferstochter und Schiffseignerin Miete („Klaas Kork"), die<lb/> an ihrem Schiff als ihrem besten Eigen mit heißer Leidenschaft hängt, In ihr<lb/> hat Max Dreyer einmal die andere Seite der weiblichen Natur, das Katzenhafte,<lb/> das lauernd Raubtierhafte gegeben. Wie eine Sehnsucht ist es in Max Dreyer,<lb/> der wahrlich kein Mannweib liebt. Er, der Frauenkenner und -crkenner, der<lb/> so viele Frauen schwach gesehen, hat sich sein Ideal zu schaffen gesucht, das<lb/> ihm das Leben nicht zugeführt. — In seiner Weise hat er sich die Frauen¬<lb/> frage gelöst. „Die Frauenfrage ist der Mann." Ein schwaches Männer¬<lb/> geschlecht läßt so viel Frauenkräfte unerfüllt, daß sie nach eigenem Tun und<lb/> nach Selbstherrlichkeit streben. Nicht „die Zähmung der Widerspenstigen"<lb/> ist die Tiefe seiner Frauenanschauung — sie liegt bei ihm in der Ergänzung,<lb/> der Erfüllung und Beherrschung der Frau durch den Mann.</p><lb/> <p xml:id="ID_426"> Es ist kein Widerspruch, daß nicht nur diesen klaren Herrenmenschen des<lb/> Dichters Herz gehört, daß er so oft das Abseitsliegende, Besondere sucht, so<lb/> gern auf Menschen mit Absonderlichkeiten eingeht. — Auch das ist Herrentum<lb/> und Eigenart. Nichts Winkelhaftes und Verschrobenes haben dabei auch diese<lb/> Eigenbrötler. Nur ihren besonderen Gefühlsklang, nur ihren eigenen geistigen<lb/> Weg gehen sie. Der Pastorssohn Gottfried, „Lsxa loczuuntur", dem all seine<lb/> Heimatsehnsucht sich in dem Armring, den er aus dem alten Grab bei seiner<lb/> Heimatskirche ausgegraben, verdichtet, ist ein Betspiel. — Mag sein, daß<lb/> namentlich in Dreyers frühen Werken das Abweichen vom breiten Wege mit<lb/> allzu starker Bewußtheit und Freude an sich selbst sich gibt. Aber nicht den<lb/> anderen Wahrheit predigen will er, nicht Neuland will er mit seinen Ideen<lb/> entdecken. Nur das Recht des eigenen Denkens und der eigenen Art will er<lb/> behaupten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
Max Dreyer
Ohm Peter, ein Problematiker ganz eigener Prägung, der hinter Härte
und Dialektik heimliche Sehnsucht und mimosenhafte Scheu versteckt, ein geistiger
Eigenwanderer von schmerzlicher Notwendigkeit, hat in leidenschaftlicher Ein¬
samkeit zur Natur sich geflüchtet, der er in pantheistischen Aufgehen gehört.
In seiner Welt von Meer, Weite, Sonne und Wolken sucht ein schlicht-
seiner, treu hingebender Mensch ihn auf — Kind und Weib zugleich —, weckt
in ihm alle Sehnsucht und läßt ihn die Einsamkeit schmerzlicher empfinden —
und dennoch nur heißer lieb gewinnen. Von seinem Weltenheimweh seiner
inneren Zerklüftung vermag sie ihn nicht zur Selbstaufgabe, die einzig Glück
bedeutet, zu erlösen.
„Auf eigener Erde" handelt vom Kampf erbangesessener Herrenkinder um
den geliebten Boden, den sie endlich wieder gewinnen. Fromm wird der
Dichter, wenn er von der Erde spricht und heilig wie ihm wird die Erde
uns. Ein Buch der Erde wie „Ohm Peter" ein Buch vom Meer. Und
hier finden wir auch Max Dreyers Frauengestalt in ihrer Vollendung. Ursula
von Elch, Herrin auf der geliebten Erde, findet sie doch ihre eigene Erde erst,
als sie das Land sür die Liebe opfert. Ihr ganzer Gegensatz und dennoch eine
ganze Frau ist die Schifferstochter und Schiffseignerin Miete („Klaas Kork"), die
an ihrem Schiff als ihrem besten Eigen mit heißer Leidenschaft hängt, In ihr
hat Max Dreyer einmal die andere Seite der weiblichen Natur, das Katzenhafte,
das lauernd Raubtierhafte gegeben. Wie eine Sehnsucht ist es in Max Dreyer,
der wahrlich kein Mannweib liebt. Er, der Frauenkenner und -crkenner, der
so viele Frauen schwach gesehen, hat sich sein Ideal zu schaffen gesucht, das
ihm das Leben nicht zugeführt. — In seiner Weise hat er sich die Frauen¬
frage gelöst. „Die Frauenfrage ist der Mann." Ein schwaches Männer¬
geschlecht läßt so viel Frauenkräfte unerfüllt, daß sie nach eigenem Tun und
nach Selbstherrlichkeit streben. Nicht „die Zähmung der Widerspenstigen"
ist die Tiefe seiner Frauenanschauung — sie liegt bei ihm in der Ergänzung,
der Erfüllung und Beherrschung der Frau durch den Mann.
Es ist kein Widerspruch, daß nicht nur diesen klaren Herrenmenschen des
Dichters Herz gehört, daß er so oft das Abseitsliegende, Besondere sucht, so
gern auf Menschen mit Absonderlichkeiten eingeht. — Auch das ist Herrentum
und Eigenart. Nichts Winkelhaftes und Verschrobenes haben dabei auch diese
Eigenbrötler. Nur ihren besonderen Gefühlsklang, nur ihren eigenen geistigen
Weg gehen sie. Der Pastorssohn Gottfried, „Lsxa loczuuntur", dem all seine
Heimatsehnsucht sich in dem Armring, den er aus dem alten Grab bei seiner
Heimatskirche ausgegraben, verdichtet, ist ein Betspiel. — Mag sein, daß
namentlich in Dreyers frühen Werken das Abweichen vom breiten Wege mit
allzu starker Bewußtheit und Freude an sich selbst sich gibt. Aber nicht den
anderen Wahrheit predigen will er, nicht Neuland will er mit seinen Ideen
entdecken. Nur das Recht des eigenen Denkens und der eigenen Art will er
behaupten.
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