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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Florentin Uley

zusprechendes Wort der Mutter Johanne und das Schäumen der Milch in
dem Eimer.

Wieschen bot im Vorbeigehen der Mutter Johanne die Abendzeit und kam
so über die Tenne in die Gärtnerei hinaus, welche gerade hinauf im Hecken¬
zaun lag. Zwischen Blumen und Gemüsebeeten stand oben eine kleine ver¬
steckte Laube, in der Mitte des Gartens, frei für Sonne und Wetter, Bank
und Tisch. Der Florentin hatte diesen Tisch mit Blumen und Blätterwerk
überschüttet, bog Weidenstöcke kreisförmig oder oval, umspann sie mit Grün
und richtete Grabkränze ein. Sie waren für den, der im Dorf gestorben war.

Wieschen kam mit ihren langen festen Schritten, so wie sie immer ging
und wie es eigen stand zu ihrer schlanken, schmalen, leicht vornüber gebeugten
Gestalt. Sie nahm den Atem mit offenem Munde in ihre enge Brust ein.
Sie hatte still und gebückt gesessen über Tag und freute sich dieser Stunde.
So grüßte sie den Burschen aus ihrer natürlichen, einfachen Freude. Als sie
ihn bei seiner Arbeit fand, die er mit hastigen Händen tat, wie in seltener,
drängender Eile, stand sie seitab, legte die Hand um den Stamm eines jungen
Kirschbaumes und sah ihm auf die Hände. Er arbeitete nur eifriger, als sie
in seiner Nähe war, so. als vergäße er ihrer. Es kam Wieschen der Gedanke,
er vergäße über den Blumen sein Mädchen. Aber sie zürnte ihn, nicht darum,
vielmehr staunte sie zu ihm auf. Sie wußte keinen Burschen im Dorf, der es
so heilig mit seiner Arbeit nahm und der die Bauernhand so zart hatte wie
er. . . In diese Hand, dachte sie, möchte sie die eigene legen, und sie würde
dahinein passen wie in keine andere.

Die Grillen zirpten im Rasen, es war noch ein letzter Sonnenstrahl über
dem Garten, die Mücken tanzten und stimmten ihr seines Sopransingen an.
Es ließ sich so hören, als sei ein Zauber in der Luft, und Wieschen sah sich
unwillkürlich um, als komme jemand den Weg herauf, den eben sie gegangen,
so greifbar wirklich war der Zauber, als zeige er Menschen, welche nicht da
waren. Wieschen zuckte zusammen, es war nichts geschehen, aber ihr war
gewesen, ein Kobold breche durch die Hecken, schüttele sein rotes Haar, daß
Flammen heraus sprangen und lache mit dem Gesicht jener Regime. Sie ließ
die Hand von dem Kirjchbaum ab. hatte aber von dem Baumsaft an den
Fingern, von dem sie nicht los kam und der ihr anklebte, daß es ihr zum
leichten Ärger wurde. Wie ein häßlicher Gedanke klebte er ihr an.

Der Florentin war dann fertig mit seinen Kränzen und ließ die Augen
zwischen ihnen und dem Mädchen glänzend hin und wieder gehen, wie von
einer Freude zur anderen. Er zeigte ihr den schönsten und sagte: "Der
Steinbauer hat ihn bestellt. Er ist nicht so karg mit dem Gelde, wenn es
heißt, sich nach außen damit groß zeigen." Wieschen nickte, und sie lachten
zusammen und sprachen über den Steinbauer, als hätten sie sonst nichts zu sagen.

"Möchtest wohl wieder hin zu ihm?" fragte der Florentin aus Neckerei.
Aber Wieschen lachte ihn an, als antworte sie: Lieber bin ich schon bei dir.


Grenzboten III 1912 11
Die Blumen des Florentin Uley

zusprechendes Wort der Mutter Johanne und das Schäumen der Milch in
dem Eimer.

Wieschen bot im Vorbeigehen der Mutter Johanne die Abendzeit und kam
so über die Tenne in die Gärtnerei hinaus, welche gerade hinauf im Hecken¬
zaun lag. Zwischen Blumen und Gemüsebeeten stand oben eine kleine ver¬
steckte Laube, in der Mitte des Gartens, frei für Sonne und Wetter, Bank
und Tisch. Der Florentin hatte diesen Tisch mit Blumen und Blätterwerk
überschüttet, bog Weidenstöcke kreisförmig oder oval, umspann sie mit Grün
und richtete Grabkränze ein. Sie waren für den, der im Dorf gestorben war.

Wieschen kam mit ihren langen festen Schritten, so wie sie immer ging
und wie es eigen stand zu ihrer schlanken, schmalen, leicht vornüber gebeugten
Gestalt. Sie nahm den Atem mit offenem Munde in ihre enge Brust ein.
Sie hatte still und gebückt gesessen über Tag und freute sich dieser Stunde.
So grüßte sie den Burschen aus ihrer natürlichen, einfachen Freude. Als sie
ihn bei seiner Arbeit fand, die er mit hastigen Händen tat, wie in seltener,
drängender Eile, stand sie seitab, legte die Hand um den Stamm eines jungen
Kirschbaumes und sah ihm auf die Hände. Er arbeitete nur eifriger, als sie
in seiner Nähe war, so. als vergäße er ihrer. Es kam Wieschen der Gedanke,
er vergäße über den Blumen sein Mädchen. Aber sie zürnte ihn, nicht darum,
vielmehr staunte sie zu ihm auf. Sie wußte keinen Burschen im Dorf, der es
so heilig mit seiner Arbeit nahm und der die Bauernhand so zart hatte wie
er. . . In diese Hand, dachte sie, möchte sie die eigene legen, und sie würde
dahinein passen wie in keine andere.

Die Grillen zirpten im Rasen, es war noch ein letzter Sonnenstrahl über
dem Garten, die Mücken tanzten und stimmten ihr seines Sopransingen an.
Es ließ sich so hören, als sei ein Zauber in der Luft, und Wieschen sah sich
unwillkürlich um, als komme jemand den Weg herauf, den eben sie gegangen,
so greifbar wirklich war der Zauber, als zeige er Menschen, welche nicht da
waren. Wieschen zuckte zusammen, es war nichts geschehen, aber ihr war
gewesen, ein Kobold breche durch die Hecken, schüttele sein rotes Haar, daß
Flammen heraus sprangen und lache mit dem Gesicht jener Regime. Sie ließ
die Hand von dem Kirjchbaum ab. hatte aber von dem Baumsaft an den
Fingern, von dem sie nicht los kam und der ihr anklebte, daß es ihr zum
leichten Ärger wurde. Wie ein häßlicher Gedanke klebte er ihr an.

Der Florentin war dann fertig mit seinen Kränzen und ließ die Augen
zwischen ihnen und dem Mädchen glänzend hin und wieder gehen, wie von
einer Freude zur anderen. Er zeigte ihr den schönsten und sagte: „Der
Steinbauer hat ihn bestellt. Er ist nicht so karg mit dem Gelde, wenn es
heißt, sich nach außen damit groß zeigen." Wieschen nickte, und sie lachten
zusammen und sprachen über den Steinbauer, als hätten sie sonst nichts zu sagen.

„Möchtest wohl wieder hin zu ihm?" fragte der Florentin aus Neckerei.
Aber Wieschen lachte ihn an, als antworte sie: Lieber bin ich schon bei dir.


Grenzboten III 1912 11
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[0093] Die Blumen des Florentin Uley zusprechendes Wort der Mutter Johanne und das Schäumen der Milch in dem Eimer. Wieschen bot im Vorbeigehen der Mutter Johanne die Abendzeit und kam so über die Tenne in die Gärtnerei hinaus, welche gerade hinauf im Hecken¬ zaun lag. Zwischen Blumen und Gemüsebeeten stand oben eine kleine ver¬ steckte Laube, in der Mitte des Gartens, frei für Sonne und Wetter, Bank und Tisch. Der Florentin hatte diesen Tisch mit Blumen und Blätterwerk überschüttet, bog Weidenstöcke kreisförmig oder oval, umspann sie mit Grün und richtete Grabkränze ein. Sie waren für den, der im Dorf gestorben war. Wieschen kam mit ihren langen festen Schritten, so wie sie immer ging und wie es eigen stand zu ihrer schlanken, schmalen, leicht vornüber gebeugten Gestalt. Sie nahm den Atem mit offenem Munde in ihre enge Brust ein. Sie hatte still und gebückt gesessen über Tag und freute sich dieser Stunde. So grüßte sie den Burschen aus ihrer natürlichen, einfachen Freude. Als sie ihn bei seiner Arbeit fand, die er mit hastigen Händen tat, wie in seltener, drängender Eile, stand sie seitab, legte die Hand um den Stamm eines jungen Kirschbaumes und sah ihm auf die Hände. Er arbeitete nur eifriger, als sie in seiner Nähe war, so. als vergäße er ihrer. Es kam Wieschen der Gedanke, er vergäße über den Blumen sein Mädchen. Aber sie zürnte ihn, nicht darum, vielmehr staunte sie zu ihm auf. Sie wußte keinen Burschen im Dorf, der es so heilig mit seiner Arbeit nahm und der die Bauernhand so zart hatte wie er. . . In diese Hand, dachte sie, möchte sie die eigene legen, und sie würde dahinein passen wie in keine andere. Die Grillen zirpten im Rasen, es war noch ein letzter Sonnenstrahl über dem Garten, die Mücken tanzten und stimmten ihr seines Sopransingen an. Es ließ sich so hören, als sei ein Zauber in der Luft, und Wieschen sah sich unwillkürlich um, als komme jemand den Weg herauf, den eben sie gegangen, so greifbar wirklich war der Zauber, als zeige er Menschen, welche nicht da waren. Wieschen zuckte zusammen, es war nichts geschehen, aber ihr war gewesen, ein Kobold breche durch die Hecken, schüttele sein rotes Haar, daß Flammen heraus sprangen und lache mit dem Gesicht jener Regime. Sie ließ die Hand von dem Kirjchbaum ab. hatte aber von dem Baumsaft an den Fingern, von dem sie nicht los kam und der ihr anklebte, daß es ihr zum leichten Ärger wurde. Wie ein häßlicher Gedanke klebte er ihr an. Der Florentin war dann fertig mit seinen Kränzen und ließ die Augen zwischen ihnen und dem Mädchen glänzend hin und wieder gehen, wie von einer Freude zur anderen. Er zeigte ihr den schönsten und sagte: „Der Steinbauer hat ihn bestellt. Er ist nicht so karg mit dem Gelde, wenn es heißt, sich nach außen damit groß zeigen." Wieschen nickte, und sie lachten zusammen und sprachen über den Steinbauer, als hätten sie sonst nichts zu sagen. „Möchtest wohl wieder hin zu ihm?" fragte der Florentin aus Neckerei. Aber Wieschen lachte ihn an, als antworte sie: Lieber bin ich schon bei dir. Grenzboten III 1912 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/93>, abgerufen am 03.07.2024.