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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Städtische Musterlichtbildbühnen

Uneingeschränkt zuzulassen wäre er nur zu den Tagesvorstellungen der städtischen
Musterlichtbildbühnen.

Daß selbst von der Einführung besonderer Jugendvorstellungen kein dauernder
Erfolg und keine dauernde und nachhaltige Lösung der Frage: Kinematograph
und Jugend, zu erwarten ist, das haben wir schon oben einmal klarzulegen
versucht. Beweisend für unsere Ansicht ist auch der Umstand, daß man relativ
selten, ja fast gar nicht von der wirklichen Veranstaltung geeigneter Jugend¬
vorstellungen durch die Theaterbesitzer aus eigener Initiative hört. Ihr materielles
Interesse kommt dabei nicht auf seine Rechnung.

Anderseits könnten sich vielleicht solche gelegentlichen Jugendvorstellungen
von schädigenden und unerwünschten Films freihalten, es wird ihnen aber immer
unmöglich bleiben, den Wert, den der Kinematograph für die Belehrung und
die Unterhaltung der Jugend nicht nur, sondern auch der Erwachsenen tat¬
sächlich besitzt, planmäßig und in vollstem Maße auszubeuten. Dies zu tun
ist nur eine ständige Musterbühne imstande, die wir am liebsten unter städtischer
Regie erblicken möchten.

Für die Zwecke der Belehrung in den Schulen sucht die preußische Unterrichts¬
verwaltung den Kinematographen immer mehr heranzuziehen. Auf Anregung
des Kultusministeriums werden in Preußen jetzt die ersten Schritte und Versuche
unternommen, um die Kinematographie im Unterricht der höheren Schulen zu
verwenden. Die Unterrichtsverwaltung verfügt zwar, dank der Opferwilligkeit
eines rheinischen Großindustriellen, über zwei vollständige kinematographische
Einrichtungen, deren eine dem Fortbildungsinstitut sür Oberlehrer in der alten
Urania in Berlin, die andere den höheren Schulen Großberlins als Wander¬
apparat überwiesen worden ist. Aber es ist ohne weiteres klar, daß einer
ausgebreiteten Verwendung des Kinematographen im Unterricht nicht nur die
Kosten für die Anschaffung der Apparate und der Films, sondern auch die
Schwierigkeiten entgegenstehen, die mit der Beschaffung der geeigneten Vor¬
führungsräume und einer sachverständigen Bedienung verknüpft sind. Außerdem
ist es dringend wünschenswert, daß die eminente Kraft des neuen Anschauungs¬
mittels nicht nur den höheren, fondern auch den Mittel- und Volksschulen zu¬
gänglich gemacht werde.

Alle diese Schwierigkeiten und Kosten schwinden auf ein Minimum zusammen,
wenn die Apparate und Räume städtischer Musterbühnen in den Dienst der
Schulen gestellt werden könnten. Die Vormittagsstunden würden bei solchen
Theatern Gelegenheit genug dazu bieten, um einzelnen oder mehreren Klassen
je nach Wunsch das Anschauungsmaterial vorzuführen, das die einzelnen
Unterrichtsfächer, die Erdkunde, die Naturwissenschaften, die Geschichte, gewisse
Zweige der sprachlichen Fächer, zum Beispiel die Phonetik, erfordern.

Wir möchten hier noch besonders betonen, daß durch solche Leistungen im
Dienste der Jugenderziehung die städtischen Musterlichtbildbühnen sich ein besonderes
und sicher gerne anerkanntes Recht auf staatliche Unterstützung erwerben würden.


Städtische Musterlichtbildbühnen

Uneingeschränkt zuzulassen wäre er nur zu den Tagesvorstellungen der städtischen
Musterlichtbildbühnen.

Daß selbst von der Einführung besonderer Jugendvorstellungen kein dauernder
Erfolg und keine dauernde und nachhaltige Lösung der Frage: Kinematograph
und Jugend, zu erwarten ist, das haben wir schon oben einmal klarzulegen
versucht. Beweisend für unsere Ansicht ist auch der Umstand, daß man relativ
selten, ja fast gar nicht von der wirklichen Veranstaltung geeigneter Jugend¬
vorstellungen durch die Theaterbesitzer aus eigener Initiative hört. Ihr materielles
Interesse kommt dabei nicht auf seine Rechnung.

Anderseits könnten sich vielleicht solche gelegentlichen Jugendvorstellungen
von schädigenden und unerwünschten Films freihalten, es wird ihnen aber immer
unmöglich bleiben, den Wert, den der Kinematograph für die Belehrung und
die Unterhaltung der Jugend nicht nur, sondern auch der Erwachsenen tat¬
sächlich besitzt, planmäßig und in vollstem Maße auszubeuten. Dies zu tun
ist nur eine ständige Musterbühne imstande, die wir am liebsten unter städtischer
Regie erblicken möchten.

Für die Zwecke der Belehrung in den Schulen sucht die preußische Unterrichts¬
verwaltung den Kinematographen immer mehr heranzuziehen. Auf Anregung
des Kultusministeriums werden in Preußen jetzt die ersten Schritte und Versuche
unternommen, um die Kinematographie im Unterricht der höheren Schulen zu
verwenden. Die Unterrichtsverwaltung verfügt zwar, dank der Opferwilligkeit
eines rheinischen Großindustriellen, über zwei vollständige kinematographische
Einrichtungen, deren eine dem Fortbildungsinstitut sür Oberlehrer in der alten
Urania in Berlin, die andere den höheren Schulen Großberlins als Wander¬
apparat überwiesen worden ist. Aber es ist ohne weiteres klar, daß einer
ausgebreiteten Verwendung des Kinematographen im Unterricht nicht nur die
Kosten für die Anschaffung der Apparate und der Films, sondern auch die
Schwierigkeiten entgegenstehen, die mit der Beschaffung der geeigneten Vor¬
führungsräume und einer sachverständigen Bedienung verknüpft sind. Außerdem
ist es dringend wünschenswert, daß die eminente Kraft des neuen Anschauungs¬
mittels nicht nur den höheren, fondern auch den Mittel- und Volksschulen zu¬
gänglich gemacht werde.

Alle diese Schwierigkeiten und Kosten schwinden auf ein Minimum zusammen,
wenn die Apparate und Räume städtischer Musterbühnen in den Dienst der
Schulen gestellt werden könnten. Die Vormittagsstunden würden bei solchen
Theatern Gelegenheit genug dazu bieten, um einzelnen oder mehreren Klassen
je nach Wunsch das Anschauungsmaterial vorzuführen, das die einzelnen
Unterrichtsfächer, die Erdkunde, die Naturwissenschaften, die Geschichte, gewisse
Zweige der sprachlichen Fächer, zum Beispiel die Phonetik, erfordern.

Wir möchten hier noch besonders betonen, daß durch solche Leistungen im
Dienste der Jugenderziehung die städtischen Musterlichtbildbühnen sich ein besonderes
und sicher gerne anerkanntes Recht auf staatliche Unterstützung erwerben würden.


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[0623] Städtische Musterlichtbildbühnen Uneingeschränkt zuzulassen wäre er nur zu den Tagesvorstellungen der städtischen Musterlichtbildbühnen. Daß selbst von der Einführung besonderer Jugendvorstellungen kein dauernder Erfolg und keine dauernde und nachhaltige Lösung der Frage: Kinematograph und Jugend, zu erwarten ist, das haben wir schon oben einmal klarzulegen versucht. Beweisend für unsere Ansicht ist auch der Umstand, daß man relativ selten, ja fast gar nicht von der wirklichen Veranstaltung geeigneter Jugend¬ vorstellungen durch die Theaterbesitzer aus eigener Initiative hört. Ihr materielles Interesse kommt dabei nicht auf seine Rechnung. Anderseits könnten sich vielleicht solche gelegentlichen Jugendvorstellungen von schädigenden und unerwünschten Films freihalten, es wird ihnen aber immer unmöglich bleiben, den Wert, den der Kinematograph für die Belehrung und die Unterhaltung der Jugend nicht nur, sondern auch der Erwachsenen tat¬ sächlich besitzt, planmäßig und in vollstem Maße auszubeuten. Dies zu tun ist nur eine ständige Musterbühne imstande, die wir am liebsten unter städtischer Regie erblicken möchten. Für die Zwecke der Belehrung in den Schulen sucht die preußische Unterrichts¬ verwaltung den Kinematographen immer mehr heranzuziehen. Auf Anregung des Kultusministeriums werden in Preußen jetzt die ersten Schritte und Versuche unternommen, um die Kinematographie im Unterricht der höheren Schulen zu verwenden. Die Unterrichtsverwaltung verfügt zwar, dank der Opferwilligkeit eines rheinischen Großindustriellen, über zwei vollständige kinematographische Einrichtungen, deren eine dem Fortbildungsinstitut sür Oberlehrer in der alten Urania in Berlin, die andere den höheren Schulen Großberlins als Wander¬ apparat überwiesen worden ist. Aber es ist ohne weiteres klar, daß einer ausgebreiteten Verwendung des Kinematographen im Unterricht nicht nur die Kosten für die Anschaffung der Apparate und der Films, sondern auch die Schwierigkeiten entgegenstehen, die mit der Beschaffung der geeigneten Vor¬ führungsräume und einer sachverständigen Bedienung verknüpft sind. Außerdem ist es dringend wünschenswert, daß die eminente Kraft des neuen Anschauungs¬ mittels nicht nur den höheren, fondern auch den Mittel- und Volksschulen zu¬ gänglich gemacht werde. Alle diese Schwierigkeiten und Kosten schwinden auf ein Minimum zusammen, wenn die Apparate und Räume städtischer Musterbühnen in den Dienst der Schulen gestellt werden könnten. Die Vormittagsstunden würden bei solchen Theatern Gelegenheit genug dazu bieten, um einzelnen oder mehreren Klassen je nach Wunsch das Anschauungsmaterial vorzuführen, das die einzelnen Unterrichtsfächer, die Erdkunde, die Naturwissenschaften, die Geschichte, gewisse Zweige der sprachlichen Fächer, zum Beispiel die Phonetik, erfordern. Wir möchten hier noch besonders betonen, daß durch solche Leistungen im Dienste der Jugenderziehung die städtischen Musterlichtbildbühnen sich ein besonderes und sicher gerne anerkanntes Recht auf staatliche Unterstützung erwerben würden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/623>, abgerufen am 22.07.2024.