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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Reich5spiegel
Der verabschiedete Gffizier

So lange er sich im aktiven Dienste befindet, pflegt der Offizier, besonders
der jüngere, wenn er seine Gedanken in die Zukunft schweifen läßt, sich meist
nur mit der Frage nach der Gestaltung seiner weiteren Karriere im Sinne des
Erreichens höherer oder ihm erwünschter militärischer Stellungen zu beschäftigen,
an den Abschied aber nicht zu denken. Das ist auch ganz gut so. Aber es
hat zur Folge, daß die Verabschiedung recht Viele ganz unvorbereitet trifft und
sie sich nun plötzlich Verhältnissen gegenüber sehen, die ihnen völlig fremd sind.
Dazu kommt eine meist hochgradige seelische Depression; man hat sich bisher
-- leider! -- gewöhnt, die Herren, welche den bunten Rock ausziehen mußten,
als "erledigt" anzusehen -- und nun gehört man selbst zu den "Erledigten".
Man fühlt sich verlassen und hilflos. Und wenn auch die im soldatischen Leben
großgezogene Energie ihr Recht verlangt mit einem kräftigen: "Nur nicht ver¬
zagen, sondern: Kopf oben!", so ist den meisten doch nicht klar, wie es nun
weiter werden soll. Hier ratend und helfend einzugreifen, ist die Aufgabe, die
sich eine kleine, in: Stallingschen Verlage zu Oldenburg erschienene Schrift gestellt
hat, betitelt: "Der verabschiedete Offizier". Der im Interesse des Offizierkorps
unermüdlich tätige Verlag hat sich mit Herausgabe dieser Schrift ein neues
Verdienst erworben.

Sie enthält, kurz zusammengefaßt, alle die Bestimmungen, welche für
den verabschiedeten Offizier in den verschiedensten Lebenslagen maßgebend sind
und im letzten Abschnitt Hinweise darauf, welche Möglichkeiten sich für ihn
bieten, sein Leben neu zu gestalten. Dieser Abschnitt ist unstreitig der wichtigste
der ganzen Schrift, denn die Frage des neuen Berufs ist die wesentlichste
für den aus seinem alten hinausgeworfenen Mann. Stellt er sich dieser
Hauptfrage passiv gegenüber, d. h. sucht er nicht energisch nach neuer Wirk¬
samkeit, neuen, sein Leben ausfüllender" Zielen, sondern lebt nur in den Er¬
innerungen an die Vergangenheit, dann allerdings ist er "erledigt".

Voll einverstanden kann man sich daher mit dem Schlußwort des Schriftchens
erklären, welches lautet: "Wir schließen das Kapitel "Neuer Beruf" und damit
auch diese Arbeit, deren Zweck ist, den verabschiedeten Offizier über die ihn im




Reich5spiegel
Der verabschiedete Gffizier

So lange er sich im aktiven Dienste befindet, pflegt der Offizier, besonders
der jüngere, wenn er seine Gedanken in die Zukunft schweifen läßt, sich meist
nur mit der Frage nach der Gestaltung seiner weiteren Karriere im Sinne des
Erreichens höherer oder ihm erwünschter militärischer Stellungen zu beschäftigen,
an den Abschied aber nicht zu denken. Das ist auch ganz gut so. Aber es
hat zur Folge, daß die Verabschiedung recht Viele ganz unvorbereitet trifft und
sie sich nun plötzlich Verhältnissen gegenüber sehen, die ihnen völlig fremd sind.
Dazu kommt eine meist hochgradige seelische Depression; man hat sich bisher
— leider! — gewöhnt, die Herren, welche den bunten Rock ausziehen mußten,
als „erledigt" anzusehen — und nun gehört man selbst zu den „Erledigten".
Man fühlt sich verlassen und hilflos. Und wenn auch die im soldatischen Leben
großgezogene Energie ihr Recht verlangt mit einem kräftigen: „Nur nicht ver¬
zagen, sondern: Kopf oben!", so ist den meisten doch nicht klar, wie es nun
weiter werden soll. Hier ratend und helfend einzugreifen, ist die Aufgabe, die
sich eine kleine, in: Stallingschen Verlage zu Oldenburg erschienene Schrift gestellt
hat, betitelt: „Der verabschiedete Offizier". Der im Interesse des Offizierkorps
unermüdlich tätige Verlag hat sich mit Herausgabe dieser Schrift ein neues
Verdienst erworben.

Sie enthält, kurz zusammengefaßt, alle die Bestimmungen, welche für
den verabschiedeten Offizier in den verschiedensten Lebenslagen maßgebend sind
und im letzten Abschnitt Hinweise darauf, welche Möglichkeiten sich für ihn
bieten, sein Leben neu zu gestalten. Dieser Abschnitt ist unstreitig der wichtigste
der ganzen Schrift, denn die Frage des neuen Berufs ist die wesentlichste
für den aus seinem alten hinausgeworfenen Mann. Stellt er sich dieser
Hauptfrage passiv gegenüber, d. h. sucht er nicht energisch nach neuer Wirk¬
samkeit, neuen, sein Leben ausfüllender» Zielen, sondern lebt nur in den Er¬
innerungen an die Vergangenheit, dann allerdings ist er „erledigt".

Voll einverstanden kann man sich daher mit dem Schlußwort des Schriftchens
erklären, welches lautet: „Wir schließen das Kapitel „Neuer Beruf" und damit
auch diese Arbeit, deren Zweck ist, den verabschiedeten Offizier über die ihn im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/55>, abgerufen am 03.07.2024.