Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.Linn Rosenow vom Qualm der gestrigen Kartoffelfeuer, wie ein Zurückdenken an köstlich Wieschen blickte noch einmal um und sah die Berge wie brennend in ihrer Die Herbstsonne, die in den Mittag rückte und der sie schräg entgegen¬ (Linn Rosenow Dr. Heinrich Sxicro Von se es wirklich ein Naturgesetz, daß der dramatische Genius sich Linn Rosenow vom Qualm der gestrigen Kartoffelfeuer, wie ein Zurückdenken an köstlich Wieschen blickte noch einmal um und sah die Berge wie brennend in ihrer Die Herbstsonne, die in den Mittag rückte und der sie schräg entgegen¬ (Linn Rosenow Dr. Heinrich Sxicro Von se es wirklich ein Naturgesetz, daß der dramatische Genius sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0382" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322129"/> <fw type="header" place="top"> Linn Rosenow</fw><lb/> <p xml:id="ID_1621" prev="#ID_1620"> vom Qualm der gestrigen Kartoffelfeuer, wie ein Zurückdenken an köstlich<lb/> gewesene Arbeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1622"> Wieschen blickte noch einmal um und sah die Berge wie brennend in ihrer<lb/> Herbstfärbung. Als sie wieder gerade hinaus in die Ebene blickte, meinte sie zu<lb/> wissen, die Berge hinter ihr seien zu Asche verbrannt. Das Dampfer der<lb/> Kartoffelfeuer und das Erntestngen war auch in den Feldern zwischen den Bergen<lb/> gewesen. So blieb das Mutterland dasselbe, nur die Menschen würden andere<lb/> sein. Wieviel Freunde können einem aus fremden Menschen werden! Wieschen<lb/> streckte die Finger, als wolle sie die neuen Freunde daran abzählen. Sie hätte<lb/> neben dem Wagen hergehen und wandern mögen, um mit starken, schallenden<lb/> Schritten allen Mut zu zeigen, der in ihr war. Als sie einmal, sich frei fühlend,<lb/> hoch aufatmete und nicht mehr, wie sonst schon, ins Husten kam, meinte sie<lb/> kräftig und gesund zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1623"> Die Herbstsonne, die in den Mittag rückte und der sie schräg entgegen¬<lb/> führen, spann feine Fäden durch des Mädchens jetzt im Schoß gefaltete Hände.<lb/> Matt wie ihre Wärme, zag und zart wie einer dieser leuchtenden hellen Sommer¬<lb/> fäden war auch das Leben des Wieschen. Aber ihre Hände waren stark und<lb/> gefaltet, als hielten sie die lockeren Fäden fest. Es schien, als könne keiner<lb/> entgleiten. So faßte sie ihr eigenes Leben an, mit solcher gleichen Stärke, so<lb/> arbeitete sie mit der Jnnenkraft ihrer Seele an dem Gesunden ihres Leibes.<lb/> Und so fuhr sie in die Ebene wie in ein neues Leben hinaus.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> (Linn Rosenow<lb/><note type="byline"> Dr. Heinrich Sxicro</note> Von</head><lb/> <p xml:id="ID_1624"> se es wirklich ein Naturgesetz, daß der dramatische Genius sich<lb/> rascher verzehrt als jeder andere? Von allen großen deutschen<lb/> Dramatikern ist nur Grillparzer ins hohe Alter gekommen, die<lb/> anderen sind alle auf der Höhe ihrer Bahn abgeschieden, und<lb/> mehr als ein verheißungsvoller Schöpfer hat kaum die ersten<lb/> Schritte auf dem Wege zum Siege zurückgelegt. Verzehrt das leidenschaftliche<lb/> Zusammenschauen der Dinge, das vor anderen Dichtern der Dramatiker braucht,<lb/> zu rasch die inneren Kräfte? Spannt die immer wieder plastisch arbeitende<lb/> Einbildungskraft die Seele bis zu so unerträglicher Dehnung, daß immer wieder<lb/> allzu früh der endgültige Riß aufklafft?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0382]
Linn Rosenow
vom Qualm der gestrigen Kartoffelfeuer, wie ein Zurückdenken an köstlich
gewesene Arbeit.
Wieschen blickte noch einmal um und sah die Berge wie brennend in ihrer
Herbstfärbung. Als sie wieder gerade hinaus in die Ebene blickte, meinte sie zu
wissen, die Berge hinter ihr seien zu Asche verbrannt. Das Dampfer der
Kartoffelfeuer und das Erntestngen war auch in den Feldern zwischen den Bergen
gewesen. So blieb das Mutterland dasselbe, nur die Menschen würden andere
sein. Wieviel Freunde können einem aus fremden Menschen werden! Wieschen
streckte die Finger, als wolle sie die neuen Freunde daran abzählen. Sie hätte
neben dem Wagen hergehen und wandern mögen, um mit starken, schallenden
Schritten allen Mut zu zeigen, der in ihr war. Als sie einmal, sich frei fühlend,
hoch aufatmete und nicht mehr, wie sonst schon, ins Husten kam, meinte sie
kräftig und gesund zu sein.
Die Herbstsonne, die in den Mittag rückte und der sie schräg entgegen¬
führen, spann feine Fäden durch des Mädchens jetzt im Schoß gefaltete Hände.
Matt wie ihre Wärme, zag und zart wie einer dieser leuchtenden hellen Sommer¬
fäden war auch das Leben des Wieschen. Aber ihre Hände waren stark und
gefaltet, als hielten sie die lockeren Fäden fest. Es schien, als könne keiner
entgleiten. So faßte sie ihr eigenes Leben an, mit solcher gleichen Stärke, so
arbeitete sie mit der Jnnenkraft ihrer Seele an dem Gesunden ihres Leibes.
Und so fuhr sie in die Ebene wie in ein neues Leben hinaus.
(Linn Rosenow
Dr. Heinrich Sxicro Von
se es wirklich ein Naturgesetz, daß der dramatische Genius sich
rascher verzehrt als jeder andere? Von allen großen deutschen
Dramatikern ist nur Grillparzer ins hohe Alter gekommen, die
anderen sind alle auf der Höhe ihrer Bahn abgeschieden, und
mehr als ein verheißungsvoller Schöpfer hat kaum die ersten
Schritte auf dem Wege zum Siege zurückgelegt. Verzehrt das leidenschaftliche
Zusammenschauen der Dinge, das vor anderen Dichtern der Dramatiker braucht,
zu rasch die inneren Kräfte? Spannt die immer wieder plastisch arbeitende
Einbildungskraft die Seele bis zu so unerträglicher Dehnung, daß immer wieder
allzu früh der endgültige Riß aufklafft?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |