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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Deutschlands Handelsschisfahrt in Ariegszeitcn

Man kann also ohne weiteres annehmen, daß die überseeische Schiffahrt von
deutschen Häfen aus gänzlich zur Unmöglichkeit werden würde.

Es soll damit nicht gesagt sein, daß nicht einige kühne Blockadebrecher dem
Feinde ein Schnippchen schlagen könnten. Im Gegenteil. Blockadebrüche sind
in allen Seekriegen und zu allen Zeiten an der Tagesordnung gewesen und sie
werden sich auch heutzutage bewerkstelligen lassen, wo eine so enge Blockade,
wie sie beispielsweise in den englischen Kriegen gegen die erste französische
Republik und das Kaisertum möglich war, wegen der Entwicklung der Torpedo¬
waffe nicht mehr durchführbar ist. Was machen aber, sagen wir, täglich zwei
durchbrechende Dampfer aus, gegenüber den Gütermengen, die im Frieden von
unseren Hafenstädten aus zu befördern sind!

Die Schiffahrt von unseren eigenen Häfen aus muß also als gänzlich
undurchführbar betrachtet werden.

Man trifft nun häufig ans die Anschauung, daß diese Behinderung des
Güteraustausches auf dem Wege über deutsche Seehäfen zwar bedauerlich und
verlustbringend sei, daß aber dieser selbst dadurch nicht abgesperrt werden, sondern
auch mit Leichtigkeit über fremde Häfen geleitet werden könne. Es werden dann
holländische, belgische, österreichische und russische Plätze hierfür namhaft
gemacht.

Dieser Gedanke ist gut, doch stehen seiner Durchführung große Schwierig¬
keiten entgegen. Die gewinnbringende Verwendbarkeit ausländischer Rohstoffe
für unsere heimische Industrie und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Waren
auf dem Weltmarkt steht und fällt mit der Billigkeit ihrer Verfrachtung. Es
ist aber anzunehmen, daß der Transport sich ohne weiteres verteuert, wenn er
neue Wege über fremde Häfen einschlägt. Ferner ist fraglich, ob er sich über¬
haupt bewerkstellige" ließe. Die Verfrachtung nach belgischen oder holländischen
Häfen würde wohl auf große Hindernisse stoßen, da voraussichtlich die Bahnen
nach unserer Westgrenze durch Armeetransporte ohnehin bis zur äußersten Höhe
ihrer Leistungsfähigkeit belastet wären. Die seinerzeit vorgeschlagene Durch¬
führung des preußischen Mittellandkanals hätte in seiner ursprünglichen Aus¬
dehnung hierfür ein günstiges Auskunftsmittel gegeben. Ferner ist fraglich, ob
für die Verladung der endlich in jenen neutralen Plätzen angelangten Waren¬
mengen die Hafeneinrichtungen genügen würden. Auch scheint es nicht sicher zu
sein, ob nach Ausfall der gesamten deutschen Handelsflotte die Schiffahrt neu-
iraler Nationen den ihr so zufallenden Güterverkehr bewältigen könnte. Wahr¬
scheinlich ist, daß beides nicht im entferntesten dem Warenandrang entsprechen
würde. Schließlich ist eine wichtige Frage, ob die uns zunächst liegenden Häfen
fremder Staaten überhaupt neutral sein würden. Sollten diese Staaten tat¬
sächlich nicht von Anfang an in den Krieg mit hineingezogen werden, so ist
doch wahrscheinlich, daß England sich nicht scheuen würde, auch neutralen
Staaten gegenüber zu jedem Mittel zu greifen, um dem deutschen Handel auch
diese Wege zu sperren.


Deutschlands Handelsschisfahrt in Ariegszeitcn

Man kann also ohne weiteres annehmen, daß die überseeische Schiffahrt von
deutschen Häfen aus gänzlich zur Unmöglichkeit werden würde.

Es soll damit nicht gesagt sein, daß nicht einige kühne Blockadebrecher dem
Feinde ein Schnippchen schlagen könnten. Im Gegenteil. Blockadebrüche sind
in allen Seekriegen und zu allen Zeiten an der Tagesordnung gewesen und sie
werden sich auch heutzutage bewerkstelligen lassen, wo eine so enge Blockade,
wie sie beispielsweise in den englischen Kriegen gegen die erste französische
Republik und das Kaisertum möglich war, wegen der Entwicklung der Torpedo¬
waffe nicht mehr durchführbar ist. Was machen aber, sagen wir, täglich zwei
durchbrechende Dampfer aus, gegenüber den Gütermengen, die im Frieden von
unseren Hafenstädten aus zu befördern sind!

Die Schiffahrt von unseren eigenen Häfen aus muß also als gänzlich
undurchführbar betrachtet werden.

Man trifft nun häufig ans die Anschauung, daß diese Behinderung des
Güteraustausches auf dem Wege über deutsche Seehäfen zwar bedauerlich und
verlustbringend sei, daß aber dieser selbst dadurch nicht abgesperrt werden, sondern
auch mit Leichtigkeit über fremde Häfen geleitet werden könne. Es werden dann
holländische, belgische, österreichische und russische Plätze hierfür namhaft
gemacht.

Dieser Gedanke ist gut, doch stehen seiner Durchführung große Schwierig¬
keiten entgegen. Die gewinnbringende Verwendbarkeit ausländischer Rohstoffe
für unsere heimische Industrie und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Waren
auf dem Weltmarkt steht und fällt mit der Billigkeit ihrer Verfrachtung. Es
ist aber anzunehmen, daß der Transport sich ohne weiteres verteuert, wenn er
neue Wege über fremde Häfen einschlägt. Ferner ist fraglich, ob er sich über¬
haupt bewerkstellige» ließe. Die Verfrachtung nach belgischen oder holländischen
Häfen würde wohl auf große Hindernisse stoßen, da voraussichtlich die Bahnen
nach unserer Westgrenze durch Armeetransporte ohnehin bis zur äußersten Höhe
ihrer Leistungsfähigkeit belastet wären. Die seinerzeit vorgeschlagene Durch¬
führung des preußischen Mittellandkanals hätte in seiner ursprünglichen Aus¬
dehnung hierfür ein günstiges Auskunftsmittel gegeben. Ferner ist fraglich, ob
für die Verladung der endlich in jenen neutralen Plätzen angelangten Waren¬
mengen die Hafeneinrichtungen genügen würden. Auch scheint es nicht sicher zu
sein, ob nach Ausfall der gesamten deutschen Handelsflotte die Schiffahrt neu-
iraler Nationen den ihr so zufallenden Güterverkehr bewältigen könnte. Wahr¬
scheinlich ist, daß beides nicht im entferntesten dem Warenandrang entsprechen
würde. Schließlich ist eine wichtige Frage, ob die uns zunächst liegenden Häfen
fremder Staaten überhaupt neutral sein würden. Sollten diese Staaten tat¬
sächlich nicht von Anfang an in den Krieg mit hineingezogen werden, so ist
doch wahrscheinlich, daß England sich nicht scheuen würde, auch neutralen
Staaten gegenüber zu jedem Mittel zu greifen, um dem deutschen Handel auch
diese Wege zu sperren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/372>, abgerufen am 22.07.2024.