Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.Kann die Sozialdemokratie den sittlichen Linfluß der Religion ersetzen? Die folgende Untersuchung soll, das sei ausdrücklich betont, keineswegs Es muß zu diesem Zwecke das Wachstum der sozialdemokratischen Stimmen¬ Die erste Tabelle soll zunächst die auf sozialdemokratische Kandidaten Prozente der sozialdemokratischen Stimmen bei der Hauptwahl 1384 1903 19071883/87 1903/07Allgemeine Straffälligkeit Deutschland9,7 31,7 29,01001 1195 Preußen7.5 28,7 26,41023 1215 Ostpreußen3.6 20,0 13,51655 1523 Westpreußen1,0 8,1 7,01538 1437 Kann die Sozialdemokratie den sittlichen Linfluß der Religion ersetzen? Die folgende Untersuchung soll, das sei ausdrücklich betont, keineswegs Es muß zu diesem Zwecke das Wachstum der sozialdemokratischen Stimmen¬ Die erste Tabelle soll zunächst die auf sozialdemokratische Kandidaten Prozente der sozialdemokratischen Stimmen bei der Hauptwahl 1384 1903 19071883/87 1903/07Allgemeine Straffälligkeit Deutschland9,7 31,7 29,01001 1195 Preußen7.5 28,7 26,41023 1215 Ostpreußen3.6 20,0 13,51655 1523 Westpreußen1,0 8,1 7,01538 1437 <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322065"/> <fw type="header" place="top"> Kann die Sozialdemokratie den sittlichen Linfluß der Religion ersetzen?</fw><lb/> <p xml:id="ID_1301"> Die folgende Untersuchung soll, das sei ausdrücklich betont, keineswegs<lb/> allseitig die Frage erörtern, ob und inwieweit die Sozialdemokratie etwa durch<lb/> die Ideale, die sie aufstellt und für die sie Begeisterung und Opferwilligkeit<lb/> weckt, durch die Disziplin, die sie erzwingt, einen sittlich hebenden Einfluß aus¬<lb/> übt oder ob sie umgekehrt durch Bekämpfung der christlichen Religion und<lb/> Sittlichkeit, durch Untergrabung aller Autorität, durch verhetzende und erbitternde<lb/> Kampfesweise das sittliche Niveau erniedrigt; ob überhaupt ihre Ideale berechtigt<lb/> oder Zerrbilder von wahren Idealen sind. Es sollen auch nicht die sittlichen<lb/> Grundsätze, die sie als maßgebend ansieht, gegenüber den christlichen auf ihren<lb/> Wert oder Minderwert geprüft werden. Sondern es handelt sich hier lediglich<lb/> um eine Untersuchung der Frage, ob auf dem Gebiete nicht der Moralstatistik<lb/> überhaupt, sondern nur der Kriminalstatistik sich ein günstiger Einfluß der Sozial¬<lb/> demokratie behaupten oder beweisen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1302"> Es muß zu diesem Zwecke das Wachstum der sozialdemokratischen Stimmen¬<lb/> zahl bei den Reichstagswählen mit dem Wachsen und Sinken der Straffülligkeit<lb/> in den einzelnen Teilen des Reiches verglichen werden. Dabei können wir<lb/> nicht über den Zeitpunkt zurückgehen, von dem ab es eine einheitliche deutsche<lb/> Kriminalstatistik gibt, und zum Vergleiche nicht die Ergebnisse einzelner Jahre<lb/> heranziehen, die gerade in deu wichtigen kleinen Bezirken naturgemäß sehr<lb/> schwanken, sondern die Durchschnittszahlen von Jahrfünften. Von vornherein<lb/> sei dabei bemerkt, daß die kleinen Bezirke deshalb besonders wichtig sind, weil<lb/> sie einheitlichere Verhältnisse darbieten als größere Länder und Provinzen, für<lb/> deren sehr verschiedene Teile sowohl in bezug auf die Ausbreitung der Sozial¬<lb/> demokratie wie in kriminalstatistischer Hinsicht, eine gesonderte Statistik aufzustellen<lb/> kaum möglich erscheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1303"> Die erste Tabelle soll zunächst die auf sozialdemokratische Kandidaten<lb/> abgegebenen Stimmen bei den Reichstagshauptwahlen der Jahre 1884, 1903<lb/> und 1907 in Prozenten aller abgegebenen gültigen Stimmen aufzeigen und<lb/> daneben die allgemeine Straffälligkeit, berechnet auf 100000 der strafmündigen<lb/> Zivilbevölkerung, der entsprechenden Länder und Provinzen in den Jahr¬<lb/> fünften 1383 bis 1887 und 1903 bis 1907. Die Wahlergebnisse vom Jahre<lb/> 1903 sind deswegen mit aufgeführt, weil 1907 prozentmäßig ein Rückgang<lb/> stattfand; die Ergebnisse von 1912 sind zwar offiziell veröffentlicht, würden<lb/> aber, da die entsprechenden Zahlen der Kriminalstatistik noch fehlen, nicht ma߬<lb/> gebend sein. Die angeführten kriminalstatistischen Zahlen sind die ersten und<lb/> letzten, für die die Berechnung nach Jahrfünften durchgeführt ist.</p><lb/> <list> <item> Prozente der sozialdemokratischen<lb/> Stimmen bei der Hauptwahl<lb/> 1384 1903 19071883/87 1903/07Allgemeine Straffälligkeit</item> <item> Deutschland9,7 31,7 29,01001 1195</item> <item> Preußen7.5 28,7 26,41023 1215</item> <item> Ostpreußen3.6 20,0 13,51655 1523</item> <item> Westpreußen1,0 8,1 7,01538 1437</item> </list><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Kann die Sozialdemokratie den sittlichen Linfluß der Religion ersetzen?
Die folgende Untersuchung soll, das sei ausdrücklich betont, keineswegs
allseitig die Frage erörtern, ob und inwieweit die Sozialdemokratie etwa durch
die Ideale, die sie aufstellt und für die sie Begeisterung und Opferwilligkeit
weckt, durch die Disziplin, die sie erzwingt, einen sittlich hebenden Einfluß aus¬
übt oder ob sie umgekehrt durch Bekämpfung der christlichen Religion und
Sittlichkeit, durch Untergrabung aller Autorität, durch verhetzende und erbitternde
Kampfesweise das sittliche Niveau erniedrigt; ob überhaupt ihre Ideale berechtigt
oder Zerrbilder von wahren Idealen sind. Es sollen auch nicht die sittlichen
Grundsätze, die sie als maßgebend ansieht, gegenüber den christlichen auf ihren
Wert oder Minderwert geprüft werden. Sondern es handelt sich hier lediglich
um eine Untersuchung der Frage, ob auf dem Gebiete nicht der Moralstatistik
überhaupt, sondern nur der Kriminalstatistik sich ein günstiger Einfluß der Sozial¬
demokratie behaupten oder beweisen läßt.
Es muß zu diesem Zwecke das Wachstum der sozialdemokratischen Stimmen¬
zahl bei den Reichstagswählen mit dem Wachsen und Sinken der Straffülligkeit
in den einzelnen Teilen des Reiches verglichen werden. Dabei können wir
nicht über den Zeitpunkt zurückgehen, von dem ab es eine einheitliche deutsche
Kriminalstatistik gibt, und zum Vergleiche nicht die Ergebnisse einzelner Jahre
heranziehen, die gerade in deu wichtigen kleinen Bezirken naturgemäß sehr
schwanken, sondern die Durchschnittszahlen von Jahrfünften. Von vornherein
sei dabei bemerkt, daß die kleinen Bezirke deshalb besonders wichtig sind, weil
sie einheitlichere Verhältnisse darbieten als größere Länder und Provinzen, für
deren sehr verschiedene Teile sowohl in bezug auf die Ausbreitung der Sozial¬
demokratie wie in kriminalstatistischer Hinsicht, eine gesonderte Statistik aufzustellen
kaum möglich erscheint.
Die erste Tabelle soll zunächst die auf sozialdemokratische Kandidaten
abgegebenen Stimmen bei den Reichstagshauptwahlen der Jahre 1884, 1903
und 1907 in Prozenten aller abgegebenen gültigen Stimmen aufzeigen und
daneben die allgemeine Straffälligkeit, berechnet auf 100000 der strafmündigen
Zivilbevölkerung, der entsprechenden Länder und Provinzen in den Jahr¬
fünften 1383 bis 1887 und 1903 bis 1907. Die Wahlergebnisse vom Jahre
1903 sind deswegen mit aufgeführt, weil 1907 prozentmäßig ein Rückgang
stattfand; die Ergebnisse von 1912 sind zwar offiziell veröffentlicht, würden
aber, da die entsprechenden Zahlen der Kriminalstatistik noch fehlen, nicht ma߬
gebend sein. Die angeführten kriminalstatistischen Zahlen sind die ersten und
letzten, für die die Berechnung nach Jahrfünften durchgeführt ist.
Prozente der sozialdemokratischen
Stimmen bei der Hauptwahl
1384 1903 19071883/87 1903/07Allgemeine Straffälligkeit
Deutschland9,7 31,7 29,01001 1195
Preußen7.5 28,7 26,41023 1215
Ostpreußen3.6 20,0 13,51655 1523
Westpreußen1,0 8,1 7,01538 1437
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