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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Blumen des Florentin Kiep

zöllnerische Maßnahmen, und die Bürgerschaft beharrte dementsprechend längere
Zeit in diesen Geleisen.

Neben dem Handel ist in Stettin in neuerer Zeit immer mehr die Industrie
emporgewachsen. Außer der weltbekannten Firma "Vulkan" sind mehrere andere
namhafte Schiffswerften in Betrieb. Neben der Zuckersiederei hat immer mehr
die schon lange blühende Seifenfabrikation einen Aufschwung genommen, des¬
gleichen die Verfertigung chemischer Produkte, vor allem aber die Zement¬
herstellung, die von einer Reihe bedeutender Firmen betrieben wird. Eine
großartige Gründung stellt das seit 1897 in Betrieb genommene Eisenwerk
Kraft des Fürsten Henckel von Donnersmarck dar.

Die Entwicklung der Stadt spiegelt sich deutlich in dem Anwachsen der
Einwohnerzahl. Um 1560, zur Zeit der Blüte der Loitze, zählte sie vielleicht
6000 Seelen, im Januar 1809 ohne das Militär 18375. Dann beginnt ein riesiges
Wachstum. 1843 zählte man bereits 41573, 1871: 76280, 1910: 236145
Einwohner. Zuletzt ist diese Steigerung durch Eingemeindungen wesentlich
beschleunigt worden. Aber auch ohnedem muß man sie ganz außerordentlich
nennen. Die zu erwartende Eröffnung des Großschiffahrtsweges wird voraus¬
sichtlich des weiteren zur Hebung der Stadt wesentlich beitragen. Dann wird
das Wort des Kaisers, das in den Mauern Stettins am 23. September 1898
fiel: "Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser!" noch tieferen Sinn für Stettin
gewinnen und dieses seinem Berufe, das Hamburg der Ostsee zu sein, noch
leichter nachleben können. Dann wird auch das stattliche Museum auf der
schönen Hakenterrafse fertig und eingerichtet und vielleicht auch die bisher etwas
stiefmütterlich behandelte Stadtbibliothek kräftiger gefördert werden. Dann finden
vielleicht auch die Musen eine behaglichere Stätte in der alten Oderstadt. In
diesem Sinne stimmen wir mit ihrem Historiker ein in den alten Ruf:

Horsa Stettin!




Die Blumen des Aorentin Rley
Margarete Vindthorst Novelle vonIII.

Wieschen saß ihm schräg gegenüber, und er besah sie mit seinen glimmenden
Augen. Sie hatte in dem heißen Kleide einen heißen Rückweg im Mittag
gehabt, zwei rote Fleckchen waren auf ihren Backen heiter geworden und lagen
auf der feinen Haut wie Streurosen auf einer weißen Decke. Er sah sie gern
mit roten Backen. Er spülte seine Suppe zum Erkalten über den Rand seines


Die Blumen des Florentin Kiep

zöllnerische Maßnahmen, und die Bürgerschaft beharrte dementsprechend längere
Zeit in diesen Geleisen.

Neben dem Handel ist in Stettin in neuerer Zeit immer mehr die Industrie
emporgewachsen. Außer der weltbekannten Firma „Vulkan" sind mehrere andere
namhafte Schiffswerften in Betrieb. Neben der Zuckersiederei hat immer mehr
die schon lange blühende Seifenfabrikation einen Aufschwung genommen, des¬
gleichen die Verfertigung chemischer Produkte, vor allem aber die Zement¬
herstellung, die von einer Reihe bedeutender Firmen betrieben wird. Eine
großartige Gründung stellt das seit 1897 in Betrieb genommene Eisenwerk
Kraft des Fürsten Henckel von Donnersmarck dar.

Die Entwicklung der Stadt spiegelt sich deutlich in dem Anwachsen der
Einwohnerzahl. Um 1560, zur Zeit der Blüte der Loitze, zählte sie vielleicht
6000 Seelen, im Januar 1809 ohne das Militär 18375. Dann beginnt ein riesiges
Wachstum. 1843 zählte man bereits 41573, 1871: 76280, 1910: 236145
Einwohner. Zuletzt ist diese Steigerung durch Eingemeindungen wesentlich
beschleunigt worden. Aber auch ohnedem muß man sie ganz außerordentlich
nennen. Die zu erwartende Eröffnung des Großschiffahrtsweges wird voraus¬
sichtlich des weiteren zur Hebung der Stadt wesentlich beitragen. Dann wird
das Wort des Kaisers, das in den Mauern Stettins am 23. September 1898
fiel: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser!" noch tieferen Sinn für Stettin
gewinnen und dieses seinem Berufe, das Hamburg der Ostsee zu sein, noch
leichter nachleben können. Dann wird auch das stattliche Museum auf der
schönen Hakenterrafse fertig und eingerichtet und vielleicht auch die bisher etwas
stiefmütterlich behandelte Stadtbibliothek kräftiger gefördert werden. Dann finden
vielleicht auch die Musen eine behaglichere Stätte in der alten Oderstadt. In
diesem Sinne stimmen wir mit ihrem Historiker ein in den alten Ruf:

Horsa Stettin!




Die Blumen des Aorentin Rley
Margarete Vindthorst Novelle vonIII.

Wieschen saß ihm schräg gegenüber, und er besah sie mit seinen glimmenden
Augen. Sie hatte in dem heißen Kleide einen heißen Rückweg im Mittag
gehabt, zwei rote Fleckchen waren auf ihren Backen heiter geworden und lagen
auf der feinen Haut wie Streurosen auf einer weißen Decke. Er sah sie gern
mit roten Backen. Er spülte seine Suppe zum Erkalten über den Rand seines


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[0135] Die Blumen des Florentin Kiep zöllnerische Maßnahmen, und die Bürgerschaft beharrte dementsprechend längere Zeit in diesen Geleisen. Neben dem Handel ist in Stettin in neuerer Zeit immer mehr die Industrie emporgewachsen. Außer der weltbekannten Firma „Vulkan" sind mehrere andere namhafte Schiffswerften in Betrieb. Neben der Zuckersiederei hat immer mehr die schon lange blühende Seifenfabrikation einen Aufschwung genommen, des¬ gleichen die Verfertigung chemischer Produkte, vor allem aber die Zement¬ herstellung, die von einer Reihe bedeutender Firmen betrieben wird. Eine großartige Gründung stellt das seit 1897 in Betrieb genommene Eisenwerk Kraft des Fürsten Henckel von Donnersmarck dar. Die Entwicklung der Stadt spiegelt sich deutlich in dem Anwachsen der Einwohnerzahl. Um 1560, zur Zeit der Blüte der Loitze, zählte sie vielleicht 6000 Seelen, im Januar 1809 ohne das Militär 18375. Dann beginnt ein riesiges Wachstum. 1843 zählte man bereits 41573, 1871: 76280, 1910: 236145 Einwohner. Zuletzt ist diese Steigerung durch Eingemeindungen wesentlich beschleunigt worden. Aber auch ohnedem muß man sie ganz außerordentlich nennen. Die zu erwartende Eröffnung des Großschiffahrtsweges wird voraus¬ sichtlich des weiteren zur Hebung der Stadt wesentlich beitragen. Dann wird das Wort des Kaisers, das in den Mauern Stettins am 23. September 1898 fiel: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser!" noch tieferen Sinn für Stettin gewinnen und dieses seinem Berufe, das Hamburg der Ostsee zu sein, noch leichter nachleben können. Dann wird auch das stattliche Museum auf der schönen Hakenterrafse fertig und eingerichtet und vielleicht auch die bisher etwas stiefmütterlich behandelte Stadtbibliothek kräftiger gefördert werden. Dann finden vielleicht auch die Musen eine behaglichere Stätte in der alten Oderstadt. In diesem Sinne stimmen wir mit ihrem Historiker ein in den alten Ruf: Horsa Stettin! Die Blumen des Aorentin Rley Margarete Vindthorst Novelle vonIII. Wieschen saß ihm schräg gegenüber, und er besah sie mit seinen glimmenden Augen. Sie hatte in dem heißen Kleide einen heißen Rückweg im Mittag gehabt, zwei rote Fleckchen waren auf ihren Backen heiter geworden und lagen auf der feinen Haut wie Streurosen auf einer weißen Decke. Er sah sie gern mit roten Backen. Er spülte seine Suppe zum Erkalten über den Rand seines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/135>, abgerufen am 03.07.2024.