Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Aus der deutschen Bergarbeitcrbcwcgung werden kann. Auch die übrigen Streitpunkte sind, soweit sie eine Neuregelung Warum dann aber der Kampf? Es handelte sich, um aus dem Kleinkram Aus der deutschen Bergarbeitcrbcwcgung werden kann. Auch die übrigen Streitpunkte sind, soweit sie eine Neuregelung Warum dann aber der Kampf? Es handelte sich, um aus dem Kleinkram <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321147"/> <fw type="header" place="top"> Aus der deutschen Bergarbeitcrbcwcgung</fw><lb/> <p xml:id="ID_175" prev="#ID_174"> werden kann. Auch die übrigen Streitpunkte sind, soweit sie eine Neuregelung<lb/> zulassen, so geartet, daß sie in Frieden und Verständigung erledigt werden konnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_176" next="#ID_177"> Warum dann aber der Kampf? Es handelte sich, um aus dem Kleinkram<lb/> das Wichtigste herauszuschälen, einmal um die Abgrenzung der Interessen der<lb/> Bergarbeiterorganisationen, um das Vordringen der Sozialdemokcatie zur höchsten<lb/> Machtspitze, ferner um die Frage der Anerkennung jener Organisationen und<lb/> schließlich um die Erzielung von Kollektivverträgen, um die Anerkennung der<lb/> Parlamentsherrschaft auch im Bergbau. Der Alte Verband, die stärkste Orga¬<lb/> nisation, ist in den Händen der Sozialdemokratie und umfaßt etwa 125000<lb/> Bergleute, davon 80000 im Ruhrgebiet. Der zweitgrößte Verband, der Christ¬<lb/> liche Gewerkverein, zählt rund 80000 Mitglieder, davon 60000 im Nuhrrevier.<lb/> Erst in zweiter Linie kommen in Betracht die polnische Berufsoereinigung und<lb/> der Hirsch-Dunckersche Gewerkverein mit insgesamt etwa 20000 Organisierten<lb/> im Oberbergamt Dortmund. Charakteristisch ist, daß dort annähernd 200000<lb/> Bergarbeiter außerhalb jeder Organisation stehen, und um einen Teil dieser<lb/> Nichtorganisierten wird namentlich von den Christlichen und von den Sozial¬<lb/> demokraten eine unablässige und tiefbohrende Werbearbeit verrichtet. Letzthin<lb/> hatten die Christlichen etwas abgenommen und die Sozialdemokraten sich ein<lb/> wenig verstärkt. Das regte den Alten Verband zu besonderer Kraftleistung an,<lb/> der christliche Verband sollte vollends übertrumpft und womöglich gesprengt<lb/> werden. Hinter diesem christlichen Verbände steht nun in der Hauptsache die<lb/> Zentrumspartei, und in manchen stark mit Industrie und Arbeiterschaft durch¬<lb/> setzten Reichstagswahlkreisen hat bereits ein scharfes Ringen von Zentrum und<lb/> Sozialdemokratie um die politische Macht und um die Mandate eingesetzt; das<lb/> hat das Kampfbild verschoben, es geht nicht mehr vereint gegen Liberale und<lb/> Hüttenpartei, sondern die christlichen Gewerkschaften sind durch die Schärfe der<lb/> sozialistischen Propaganda genötigt worden, sich auch in den Lohnkämpfen von<lb/> den sozialistischen Gewerkschaften abzutrennen und ihre Wirtschafts- und Sozial¬<lb/> politik für sich zu betreiben. Bei dem Ruhrbergarbeiterstreik wurde z. B. von<lb/> dem christlichen Generalsekretär A. Stegerwald in der Kölnischen Volkszeitung<lb/> vom 14. März d. I. der grundsätzliche Unterschied in der Stellung zum Streik<lb/> zwischen christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaften so ausgelegt, daß<lb/> die ersteren den Streik ausschließlich als wirtschaftliches und letztes Kampfmittel<lb/> ansehen, während er für die sozialdemokratischen nicht nur wirtschaftliches, solidem<lb/> auch politisches Kampfmittel sei und daneben noch als internationales Demon¬<lb/> strationsobjekt benutzt werde. Stegerwald weist auch auf die unterschiedliche<lb/> Stellung zum Streik in den Verkehrsgewerben hin, für die die christlichen<lb/> Gewerkschaften den Streik unbedingt ablehnen. Alles in allem sind die Christ¬<lb/> lichen in der Gegenwart mehr auf Verständigung mit den Unternehmern zur<lb/> Verbesserung des Loses der Arbeiter als auf Streik zum agitatorischen Zweck<lb/> gestimmt. Sie hoffen, wohl nicht mit Unrecht, für die Bergarbeiter genügend<lb/> herauszuschlagen, so daß die Arbeiter bei ihren Fahnen bleiben. Sie wollen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
Aus der deutschen Bergarbeitcrbcwcgung
werden kann. Auch die übrigen Streitpunkte sind, soweit sie eine Neuregelung
zulassen, so geartet, daß sie in Frieden und Verständigung erledigt werden konnten.
Warum dann aber der Kampf? Es handelte sich, um aus dem Kleinkram
das Wichtigste herauszuschälen, einmal um die Abgrenzung der Interessen der
Bergarbeiterorganisationen, um das Vordringen der Sozialdemokcatie zur höchsten
Machtspitze, ferner um die Frage der Anerkennung jener Organisationen und
schließlich um die Erzielung von Kollektivverträgen, um die Anerkennung der
Parlamentsherrschaft auch im Bergbau. Der Alte Verband, die stärkste Orga¬
nisation, ist in den Händen der Sozialdemokratie und umfaßt etwa 125000
Bergleute, davon 80000 im Ruhrgebiet. Der zweitgrößte Verband, der Christ¬
liche Gewerkverein, zählt rund 80000 Mitglieder, davon 60000 im Nuhrrevier.
Erst in zweiter Linie kommen in Betracht die polnische Berufsoereinigung und
der Hirsch-Dunckersche Gewerkverein mit insgesamt etwa 20000 Organisierten
im Oberbergamt Dortmund. Charakteristisch ist, daß dort annähernd 200000
Bergarbeiter außerhalb jeder Organisation stehen, und um einen Teil dieser
Nichtorganisierten wird namentlich von den Christlichen und von den Sozial¬
demokraten eine unablässige und tiefbohrende Werbearbeit verrichtet. Letzthin
hatten die Christlichen etwas abgenommen und die Sozialdemokraten sich ein
wenig verstärkt. Das regte den Alten Verband zu besonderer Kraftleistung an,
der christliche Verband sollte vollends übertrumpft und womöglich gesprengt
werden. Hinter diesem christlichen Verbände steht nun in der Hauptsache die
Zentrumspartei, und in manchen stark mit Industrie und Arbeiterschaft durch¬
setzten Reichstagswahlkreisen hat bereits ein scharfes Ringen von Zentrum und
Sozialdemokratie um die politische Macht und um die Mandate eingesetzt; das
hat das Kampfbild verschoben, es geht nicht mehr vereint gegen Liberale und
Hüttenpartei, sondern die christlichen Gewerkschaften sind durch die Schärfe der
sozialistischen Propaganda genötigt worden, sich auch in den Lohnkämpfen von
den sozialistischen Gewerkschaften abzutrennen und ihre Wirtschafts- und Sozial¬
politik für sich zu betreiben. Bei dem Ruhrbergarbeiterstreik wurde z. B. von
dem christlichen Generalsekretär A. Stegerwald in der Kölnischen Volkszeitung
vom 14. März d. I. der grundsätzliche Unterschied in der Stellung zum Streik
zwischen christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaften so ausgelegt, daß
die ersteren den Streik ausschließlich als wirtschaftliches und letztes Kampfmittel
ansehen, während er für die sozialdemokratischen nicht nur wirtschaftliches, solidem
auch politisches Kampfmittel sei und daneben noch als internationales Demon¬
strationsobjekt benutzt werde. Stegerwald weist auch auf die unterschiedliche
Stellung zum Streik in den Verkehrsgewerben hin, für die die christlichen
Gewerkschaften den Streik unbedingt ablehnen. Alles in allem sind die Christ¬
lichen in der Gegenwart mehr auf Verständigung mit den Unternehmern zur
Verbesserung des Loses der Arbeiter als auf Streik zum agitatorischen Zweck
gestimmt. Sie hoffen, wohl nicht mit Unrecht, für die Bergarbeiter genügend
herauszuschlagen, so daß die Arbeiter bei ihren Fahnen bleiben. Sie wollen
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