Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Tier Maiorescu

anderer Staaten geschehen, von der Berufung bewährter ausländischer Kräfte
absehen; man nahm seine Zuflucht zu jungen Rumänen, die auswärtige
Universitäten besucht, und räumte ihnen nach einer Prüfung den Lehrstuhl ein --
der gute Wille und ein recht gehobenes Nationalitätsgefühl mußten vielfach die
fehlenden Kenntnisse ersetzen. Auch an dem erforderlichen Unterrichtsmaterial
mangelte es anfänglich fast völlig; selbst die Professoren der auf Beobachtung
und Experimente gegründeten Wissenschaften waren genötigt, sich auf rein
theoretische Vorlesungen zu beschränken.

Man kann sich denken, wie bitter Titu Maiorescu, der erfüllt war von den
Vorzügen und Erfolgen der strengen preußischen Schulung, alles das empfand,
und mit welchem leidenschaftlichem Eifer er eine Umwandlung zum Besseren herbei¬
führen wollte. Um ihn scharten sich gleich ihm Denkende und Empfindende:
der Dichter B. Alexandri, Jakob Negruzzi, der als Romanschriftsteller Geltung
erlangt hat, der Geschichtsforscher A. D. Xenopol, der literatur- und sprachen--
kundige Scheletti und andere, die einen Verein: "^unimea" ("Die Jugend")
bildeten und sich 1867 in den von Negruzzi geleiteten, noch heut bestehenden
"Lonvorbiri litorars" ("Literarische Unterhaltungen") eine wirksame, viel-
gelesene Zeitschrift schufen. Die "Junimisten", wie sie bald genannt wurden und
deren Haupt Maiorescu war, strebten die geistige Hebung und Veredlung ihres
Volkes an. Sie suchten dies durch Herausgabe guter Schulbücher und Ver¬
öffentlichung trefflicher Übersetzungen ausländischer Klassiker, durch Hinweis auf
die Schätze der rumänischen Volkspoesie und den Wert der heimischen Sprache, die
sie von fremden Beimischungen zu säubern trachteten, herbeizuführen. Daneben
stritten sie mit frohen, Eifer gegen die falschen Götter, die sich in Literatur und
Wissenschaft einzuschmuggeln trachteten, warnten vor nationaler Überhebung
und einem zu hochgespannter Ehrgeiz, der mehr schaden wie nutzen konnte,
gleichzeitig aber auch vor der Bevorzugung des Fremden, besonders der
Französelei. Als wirksames Gegengewicht der letzteren -- französische Einflüsse
jeder Art waren von früh an sehr stark und ausschlaggebend in Rumänien
gewesen -- traten sie energisch für eine unifassende Berücksichtigung der deutschen
Bildung und Kultur ein, um die man sich an der Donau bisher herzlich wenig
gekümmert hatte, die nun aber einen stets tiefergehenden Einfluß gewannen.

Das Streben und Trachten der Junimisten wurde unterstützt durch die all¬
mähliche politische wie wirtschaftliche Gesundung des schwergeprüften Staates unter
der Regierung des Fürsten Karl, der langsam, unter denkbar ungünstigsten Ver¬
hältnissen, Ordnung zu schaffen wußte. Dem Unterrichtswesen, dessen beklagens¬
werten Tiefstand er sogleich erkannte -- "es leidet an starrem Formelwesen,
mehr äußerlichen Auswendiglernen als innerlichem Beherrschen des Lehrstoffs",
lautet eine Tagebuchnotiz des Fürsten vom 13. Juli 1866 --, wandte er sein
spezielles Interesse zu; häufig wohnte er den Prüfungen bei, gab Anregung zur
Befolgung neuer Lehrmethoden und ließ auf seine Kosten, im Betrage von
300000 Franken, in Paris einen Atlas herstellen, den ersten, der in rumänischer


Tier Maiorescu

anderer Staaten geschehen, von der Berufung bewährter ausländischer Kräfte
absehen; man nahm seine Zuflucht zu jungen Rumänen, die auswärtige
Universitäten besucht, und räumte ihnen nach einer Prüfung den Lehrstuhl ein —
der gute Wille und ein recht gehobenes Nationalitätsgefühl mußten vielfach die
fehlenden Kenntnisse ersetzen. Auch an dem erforderlichen Unterrichtsmaterial
mangelte es anfänglich fast völlig; selbst die Professoren der auf Beobachtung
und Experimente gegründeten Wissenschaften waren genötigt, sich auf rein
theoretische Vorlesungen zu beschränken.

Man kann sich denken, wie bitter Titu Maiorescu, der erfüllt war von den
Vorzügen und Erfolgen der strengen preußischen Schulung, alles das empfand,
und mit welchem leidenschaftlichem Eifer er eine Umwandlung zum Besseren herbei¬
führen wollte. Um ihn scharten sich gleich ihm Denkende und Empfindende:
der Dichter B. Alexandri, Jakob Negruzzi, der als Romanschriftsteller Geltung
erlangt hat, der Geschichtsforscher A. D. Xenopol, der literatur- und sprachen--
kundige Scheletti und andere, die einen Verein: „^unimea" („Die Jugend")
bildeten und sich 1867 in den von Negruzzi geleiteten, noch heut bestehenden
„Lonvorbiri litorars" („Literarische Unterhaltungen") eine wirksame, viel-
gelesene Zeitschrift schufen. Die „Junimisten", wie sie bald genannt wurden und
deren Haupt Maiorescu war, strebten die geistige Hebung und Veredlung ihres
Volkes an. Sie suchten dies durch Herausgabe guter Schulbücher und Ver¬
öffentlichung trefflicher Übersetzungen ausländischer Klassiker, durch Hinweis auf
die Schätze der rumänischen Volkspoesie und den Wert der heimischen Sprache, die
sie von fremden Beimischungen zu säubern trachteten, herbeizuführen. Daneben
stritten sie mit frohen, Eifer gegen die falschen Götter, die sich in Literatur und
Wissenschaft einzuschmuggeln trachteten, warnten vor nationaler Überhebung
und einem zu hochgespannter Ehrgeiz, der mehr schaden wie nutzen konnte,
gleichzeitig aber auch vor der Bevorzugung des Fremden, besonders der
Französelei. Als wirksames Gegengewicht der letzteren — französische Einflüsse
jeder Art waren von früh an sehr stark und ausschlaggebend in Rumänien
gewesen — traten sie energisch für eine unifassende Berücksichtigung der deutschen
Bildung und Kultur ein, um die man sich an der Donau bisher herzlich wenig
gekümmert hatte, die nun aber einen stets tiefergehenden Einfluß gewannen.

Das Streben und Trachten der Junimisten wurde unterstützt durch die all¬
mähliche politische wie wirtschaftliche Gesundung des schwergeprüften Staates unter
der Regierung des Fürsten Karl, der langsam, unter denkbar ungünstigsten Ver¬
hältnissen, Ordnung zu schaffen wußte. Dem Unterrichtswesen, dessen beklagens¬
werten Tiefstand er sogleich erkannte — „es leidet an starrem Formelwesen,
mehr äußerlichen Auswendiglernen als innerlichem Beherrschen des Lehrstoffs",
lautet eine Tagebuchnotiz des Fürsten vom 13. Juli 1866 —, wandte er sein
spezielles Interesse zu; häufig wohnte er den Prüfungen bei, gab Anregung zur
Befolgung neuer Lehrmethoden und ließ auf seine Kosten, im Betrage von
300000 Franken, in Paris einen Atlas herstellen, den ersten, der in rumänischer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321663"/>
          <fw type="header" place="top"> Tier Maiorescu</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2408" prev="#ID_2407"> anderer Staaten geschehen, von der Berufung bewährter ausländischer Kräfte<lb/>
absehen; man nahm seine Zuflucht zu jungen Rumänen, die auswärtige<lb/>
Universitäten besucht, und räumte ihnen nach einer Prüfung den Lehrstuhl ein &#x2014;<lb/>
der gute Wille und ein recht gehobenes Nationalitätsgefühl mußten vielfach die<lb/>
fehlenden Kenntnisse ersetzen. Auch an dem erforderlichen Unterrichtsmaterial<lb/>
mangelte es anfänglich fast völlig; selbst die Professoren der auf Beobachtung<lb/>
und Experimente gegründeten Wissenschaften waren genötigt, sich auf rein<lb/>
theoretische Vorlesungen zu beschränken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2409"> Man kann sich denken, wie bitter Titu Maiorescu, der erfüllt war von den<lb/>
Vorzügen und Erfolgen der strengen preußischen Schulung, alles das empfand,<lb/>
und mit welchem leidenschaftlichem Eifer er eine Umwandlung zum Besseren herbei¬<lb/>
führen wollte. Um ihn scharten sich gleich ihm Denkende und Empfindende:<lb/>
der Dichter B. Alexandri, Jakob Negruzzi, der als Romanschriftsteller Geltung<lb/>
erlangt hat, der Geschichtsforscher A. D. Xenopol, der literatur- und sprachen--<lb/>
kundige Scheletti und andere, die einen Verein: &#x201E;^unimea" (&#x201E;Die Jugend")<lb/>
bildeten und sich 1867 in den von Negruzzi geleiteten, noch heut bestehenden<lb/>
&#x201E;Lonvorbiri litorars" (&#x201E;Literarische Unterhaltungen") eine wirksame, viel-<lb/>
gelesene Zeitschrift schufen. Die &#x201E;Junimisten", wie sie bald genannt wurden und<lb/>
deren Haupt Maiorescu war, strebten die geistige Hebung und Veredlung ihres<lb/>
Volkes an. Sie suchten dies durch Herausgabe guter Schulbücher und Ver¬<lb/>
öffentlichung trefflicher Übersetzungen ausländischer Klassiker, durch Hinweis auf<lb/>
die Schätze der rumänischen Volkspoesie und den Wert der heimischen Sprache, die<lb/>
sie von fremden Beimischungen zu säubern trachteten, herbeizuführen. Daneben<lb/>
stritten sie mit frohen, Eifer gegen die falschen Götter, die sich in Literatur und<lb/>
Wissenschaft einzuschmuggeln trachteten, warnten vor nationaler Überhebung<lb/>
und einem zu hochgespannter Ehrgeiz, der mehr schaden wie nutzen konnte,<lb/>
gleichzeitig aber auch vor der Bevorzugung des Fremden, besonders der<lb/>
Französelei. Als wirksames Gegengewicht der letzteren &#x2014; französische Einflüsse<lb/>
jeder Art waren von früh an sehr stark und ausschlaggebend in Rumänien<lb/>
gewesen &#x2014; traten sie energisch für eine unifassende Berücksichtigung der deutschen<lb/>
Bildung und Kultur ein, um die man sich an der Donau bisher herzlich wenig<lb/>
gekümmert hatte, die nun aber einen stets tiefergehenden Einfluß gewannen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2410" next="#ID_2411"> Das Streben und Trachten der Junimisten wurde unterstützt durch die all¬<lb/>
mähliche politische wie wirtschaftliche Gesundung des schwergeprüften Staates unter<lb/>
der Regierung des Fürsten Karl, der langsam, unter denkbar ungünstigsten Ver¬<lb/>
hältnissen, Ordnung zu schaffen wußte. Dem Unterrichtswesen, dessen beklagens¬<lb/>
werten Tiefstand er sogleich erkannte &#x2014; &#x201E;es leidet an starrem Formelwesen,<lb/>
mehr äußerlichen Auswendiglernen als innerlichem Beherrschen des Lehrstoffs",<lb/>
lautet eine Tagebuchnotiz des Fürsten vom 13. Juli 1866 &#x2014;, wandte er sein<lb/>
spezielles Interesse zu; häufig wohnte er den Prüfungen bei, gab Anregung zur<lb/>
Befolgung neuer Lehrmethoden und ließ auf seine Kosten, im Betrage von<lb/>
300000 Franken, in Paris einen Atlas herstellen, den ersten, der in rumänischer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0578] Tier Maiorescu anderer Staaten geschehen, von der Berufung bewährter ausländischer Kräfte absehen; man nahm seine Zuflucht zu jungen Rumänen, die auswärtige Universitäten besucht, und räumte ihnen nach einer Prüfung den Lehrstuhl ein — der gute Wille und ein recht gehobenes Nationalitätsgefühl mußten vielfach die fehlenden Kenntnisse ersetzen. Auch an dem erforderlichen Unterrichtsmaterial mangelte es anfänglich fast völlig; selbst die Professoren der auf Beobachtung und Experimente gegründeten Wissenschaften waren genötigt, sich auf rein theoretische Vorlesungen zu beschränken. Man kann sich denken, wie bitter Titu Maiorescu, der erfüllt war von den Vorzügen und Erfolgen der strengen preußischen Schulung, alles das empfand, und mit welchem leidenschaftlichem Eifer er eine Umwandlung zum Besseren herbei¬ führen wollte. Um ihn scharten sich gleich ihm Denkende und Empfindende: der Dichter B. Alexandri, Jakob Negruzzi, der als Romanschriftsteller Geltung erlangt hat, der Geschichtsforscher A. D. Xenopol, der literatur- und sprachen-- kundige Scheletti und andere, die einen Verein: „^unimea" („Die Jugend") bildeten und sich 1867 in den von Negruzzi geleiteten, noch heut bestehenden „Lonvorbiri litorars" („Literarische Unterhaltungen") eine wirksame, viel- gelesene Zeitschrift schufen. Die „Junimisten", wie sie bald genannt wurden und deren Haupt Maiorescu war, strebten die geistige Hebung und Veredlung ihres Volkes an. Sie suchten dies durch Herausgabe guter Schulbücher und Ver¬ öffentlichung trefflicher Übersetzungen ausländischer Klassiker, durch Hinweis auf die Schätze der rumänischen Volkspoesie und den Wert der heimischen Sprache, die sie von fremden Beimischungen zu säubern trachteten, herbeizuführen. Daneben stritten sie mit frohen, Eifer gegen die falschen Götter, die sich in Literatur und Wissenschaft einzuschmuggeln trachteten, warnten vor nationaler Überhebung und einem zu hochgespannter Ehrgeiz, der mehr schaden wie nutzen konnte, gleichzeitig aber auch vor der Bevorzugung des Fremden, besonders der Französelei. Als wirksames Gegengewicht der letzteren — französische Einflüsse jeder Art waren von früh an sehr stark und ausschlaggebend in Rumänien gewesen — traten sie energisch für eine unifassende Berücksichtigung der deutschen Bildung und Kultur ein, um die man sich an der Donau bisher herzlich wenig gekümmert hatte, die nun aber einen stets tiefergehenden Einfluß gewannen. Das Streben und Trachten der Junimisten wurde unterstützt durch die all¬ mähliche politische wie wirtschaftliche Gesundung des schwergeprüften Staates unter der Regierung des Fürsten Karl, der langsam, unter denkbar ungünstigsten Ver¬ hältnissen, Ordnung zu schaffen wußte. Dem Unterrichtswesen, dessen beklagens¬ werten Tiefstand er sogleich erkannte — „es leidet an starrem Formelwesen, mehr äußerlichen Auswendiglernen als innerlichem Beherrschen des Lehrstoffs", lautet eine Tagebuchnotiz des Fürsten vom 13. Juli 1866 —, wandte er sein spezielles Interesse zu; häufig wohnte er den Prüfungen bei, gab Anregung zur Befolgung neuer Lehrmethoden und ließ auf seine Kosten, im Betrage von 300000 Franken, in Paris einen Atlas herstellen, den ersten, der in rumänischer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/578
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/578>, abgerufen am 23.07.2024.