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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Zwischen Theater und Kino

zurück zu den wirtschaftlichen Nachteilen, die dem Theater aus der Konkurrenz
der Lichtbildbühne erwachsen. Mit Recht machte Ludwig Fulda in einem Auf¬
satze der Woche*) darauf aufmerksam, daß das Kinematographentheater, dessen
Vorführungen von den Verwaltungsbehörden nicht als "theatralische Vor¬
stellungen" angesehen werden, dadurch von vornherein im Konkurrenzkampfe
viel freier und günstiger gestellt sei als das Theater. Das Aufwuchern der
Lichtbildinstitute ist mit dem Umstände zuzuschreiben, daß für sie weder der
Konzessionszwang, noch die strengen baupolizeilichen Vorschriften, noch die
geregelte Präventivzensur gelten, die für das bühnenmäßige Theater in strenger
Beachtung stehen.

Durch die Ausdehnung aller dieser Vorschriften und Beschränkungen auch
auf die Kinematographentheater wird man nicht nur dem bühnenmäßigen Theater
im Kampfe gegen den gefährlichen Konkurrenten die gerechte Grundlage liefern
und ihm einen gewissen Erfolg ermöglichen, sondern man wird durch sie auch
auf den kulturellen Tiefstand bessernd einwirken können, der sich im Kine¬
matographenwesen in so bedauerlicher Weise eingestellt hat. Man wird bei der
Konzessionserteilung für die Errichtung kinematographischer Theater nach be¬
stimmten Grundsätzen verfahren müssen, die dem kulturellen Gesichtspunkte
genügend Rechnung tragen. Man wird darauf ausgehen müssen, diejenigen
Stätten möglichst zu beschränken, an denen die sensationelle Schunddramatik eine
bevorzugte Pflege findet, und man wird dafür die Gründung solcher kinemato-
graphischer Institute erleichtern müssen, auf deren Leitung Vereine und Körper"
schaften einen Einfluß haben, deren Ruf für die Integrität der Darbietungen
bürgt. In Hamburg hat die Lehreroereinigung zur Pflege künstlerischer Bildung
Fühlung mit der Leitung eines Kinematographentheaters gesucht, in Hannover
beabsichtigt man. wenn die Zeitungen richtig melden, ein städtisches Kinotheater
Su gründen.

Auch diese Theater sollten aber sowohl einer allgemeinen Kinosteuer als
auch einer Prüventivzensur unterworfen werden. Die Zensur hätte dabei ihr
besonderes Augenmerk auf die Filmdramatik zu richten. Und man kann hoffen,
daß durch ein zielbewußtes Einschreiten gegen sensationell zugestutzte Stoffe und
auch gegen die sensationsbedürftige Reklame für diese Stoffe Platz geschafft
werden wird für das Gute, das hoffentlich aus der Tätigkeit und Wirksamkeit
jener kinematographischen Musterbühnen entspringen wird, auf die wir oben
hinwiesen und die hoffentlich bald an recht vielen Orten entstehen werden.
Denn nur durch positive Mitarbeit, durch die zielbewußte Verwendung und
Pflege aller der Werte, die der Kinematograph ja in der Tat in Fülle bietet,
kann das Gute an die Stelle des Schlechten gesetzt werden, kann eine erziehliche
Wirkung auf das Publikum und dadurch auf die Industrie ausgeübt werden.

Wir sind deshalb nicht einverstanden mit dem Kampfmittel, das auf An-
regung des Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller der Deutsche Bühnenverem
^



*)^THMerund Kinematograph". Woche 1912, Heft 16.
Grenzboten II 1912
Zwischen Theater und Kino

zurück zu den wirtschaftlichen Nachteilen, die dem Theater aus der Konkurrenz
der Lichtbildbühne erwachsen. Mit Recht machte Ludwig Fulda in einem Auf¬
satze der Woche*) darauf aufmerksam, daß das Kinematographentheater, dessen
Vorführungen von den Verwaltungsbehörden nicht als „theatralische Vor¬
stellungen" angesehen werden, dadurch von vornherein im Konkurrenzkampfe
viel freier und günstiger gestellt sei als das Theater. Das Aufwuchern der
Lichtbildinstitute ist mit dem Umstände zuzuschreiben, daß für sie weder der
Konzessionszwang, noch die strengen baupolizeilichen Vorschriften, noch die
geregelte Präventivzensur gelten, die für das bühnenmäßige Theater in strenger
Beachtung stehen.

Durch die Ausdehnung aller dieser Vorschriften und Beschränkungen auch
auf die Kinematographentheater wird man nicht nur dem bühnenmäßigen Theater
im Kampfe gegen den gefährlichen Konkurrenten die gerechte Grundlage liefern
und ihm einen gewissen Erfolg ermöglichen, sondern man wird durch sie auch
auf den kulturellen Tiefstand bessernd einwirken können, der sich im Kine¬
matographenwesen in so bedauerlicher Weise eingestellt hat. Man wird bei der
Konzessionserteilung für die Errichtung kinematographischer Theater nach be¬
stimmten Grundsätzen verfahren müssen, die dem kulturellen Gesichtspunkte
genügend Rechnung tragen. Man wird darauf ausgehen müssen, diejenigen
Stätten möglichst zu beschränken, an denen die sensationelle Schunddramatik eine
bevorzugte Pflege findet, und man wird dafür die Gründung solcher kinemato-
graphischer Institute erleichtern müssen, auf deren Leitung Vereine und Körper«
schaften einen Einfluß haben, deren Ruf für die Integrität der Darbietungen
bürgt. In Hamburg hat die Lehreroereinigung zur Pflege künstlerischer Bildung
Fühlung mit der Leitung eines Kinematographentheaters gesucht, in Hannover
beabsichtigt man. wenn die Zeitungen richtig melden, ein städtisches Kinotheater
Su gründen.

Auch diese Theater sollten aber sowohl einer allgemeinen Kinosteuer als
auch einer Prüventivzensur unterworfen werden. Die Zensur hätte dabei ihr
besonderes Augenmerk auf die Filmdramatik zu richten. Und man kann hoffen,
daß durch ein zielbewußtes Einschreiten gegen sensationell zugestutzte Stoffe und
auch gegen die sensationsbedürftige Reklame für diese Stoffe Platz geschafft
werden wird für das Gute, das hoffentlich aus der Tätigkeit und Wirksamkeit
jener kinematographischen Musterbühnen entspringen wird, auf die wir oben
hinwiesen und die hoffentlich bald an recht vielen Orten entstehen werden.
Denn nur durch positive Mitarbeit, durch die zielbewußte Verwendung und
Pflege aller der Werte, die der Kinematograph ja in der Tat in Fülle bietet,
kann das Gute an die Stelle des Schlechten gesetzt werden, kann eine erziehliche
Wirkung auf das Publikum und dadurch auf die Industrie ausgeübt werden.

Wir sind deshalb nicht einverstanden mit dem Kampfmittel, das auf An-
regung des Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller der Deutsche Bühnenverem
^



*)^THMerund Kinematograph". Woche 1912, Heft 16.
Grenzboten II 1912
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[0497] Zwischen Theater und Kino zurück zu den wirtschaftlichen Nachteilen, die dem Theater aus der Konkurrenz der Lichtbildbühne erwachsen. Mit Recht machte Ludwig Fulda in einem Auf¬ satze der Woche*) darauf aufmerksam, daß das Kinematographentheater, dessen Vorführungen von den Verwaltungsbehörden nicht als „theatralische Vor¬ stellungen" angesehen werden, dadurch von vornherein im Konkurrenzkampfe viel freier und günstiger gestellt sei als das Theater. Das Aufwuchern der Lichtbildinstitute ist mit dem Umstände zuzuschreiben, daß für sie weder der Konzessionszwang, noch die strengen baupolizeilichen Vorschriften, noch die geregelte Präventivzensur gelten, die für das bühnenmäßige Theater in strenger Beachtung stehen. Durch die Ausdehnung aller dieser Vorschriften und Beschränkungen auch auf die Kinematographentheater wird man nicht nur dem bühnenmäßigen Theater im Kampfe gegen den gefährlichen Konkurrenten die gerechte Grundlage liefern und ihm einen gewissen Erfolg ermöglichen, sondern man wird durch sie auch auf den kulturellen Tiefstand bessernd einwirken können, der sich im Kine¬ matographenwesen in so bedauerlicher Weise eingestellt hat. Man wird bei der Konzessionserteilung für die Errichtung kinematographischer Theater nach be¬ stimmten Grundsätzen verfahren müssen, die dem kulturellen Gesichtspunkte genügend Rechnung tragen. Man wird darauf ausgehen müssen, diejenigen Stätten möglichst zu beschränken, an denen die sensationelle Schunddramatik eine bevorzugte Pflege findet, und man wird dafür die Gründung solcher kinemato- graphischer Institute erleichtern müssen, auf deren Leitung Vereine und Körper« schaften einen Einfluß haben, deren Ruf für die Integrität der Darbietungen bürgt. In Hamburg hat die Lehreroereinigung zur Pflege künstlerischer Bildung Fühlung mit der Leitung eines Kinematographentheaters gesucht, in Hannover beabsichtigt man. wenn die Zeitungen richtig melden, ein städtisches Kinotheater Su gründen. Auch diese Theater sollten aber sowohl einer allgemeinen Kinosteuer als auch einer Prüventivzensur unterworfen werden. Die Zensur hätte dabei ihr besonderes Augenmerk auf die Filmdramatik zu richten. Und man kann hoffen, daß durch ein zielbewußtes Einschreiten gegen sensationell zugestutzte Stoffe und auch gegen die sensationsbedürftige Reklame für diese Stoffe Platz geschafft werden wird für das Gute, das hoffentlich aus der Tätigkeit und Wirksamkeit jener kinematographischen Musterbühnen entspringen wird, auf die wir oben hinwiesen und die hoffentlich bald an recht vielen Orten entstehen werden. Denn nur durch positive Mitarbeit, durch die zielbewußte Verwendung und Pflege aller der Werte, die der Kinematograph ja in der Tat in Fülle bietet, kann das Gute an die Stelle des Schlechten gesetzt werden, kann eine erziehliche Wirkung auf das Publikum und dadurch auf die Industrie ausgeübt werden. Wir sind deshalb nicht einverstanden mit dem Kampfmittel, das auf An- regung des Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller der Deutsche Bühnenverem ^ *)^THMerund Kinematograph". Woche 1912, Heft 16. Grenzboten II 1912

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/497>, abgerufen am 23.07.2024.