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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Lhina, Rußland und Europa

Viehzuchterträgen zurück. Es handelt sich vor allem um Wolle, Haare,
Häute, Felle, Talg, Därme usw., die zurzeit in einer Wertsumme von 5 bis
10 Millionen Rubel jährlich nach und über Semipalatinsk hinaus gelangen
mögen, und die alle zu den Erzeugnissen gehören, die auf dem Weltmarkt zu
steigenden Preisen immer mehr gesucht werden.

Nach Inbetriebsetzung der Bahn würde dazu sicher ein ähnlicher Schlacht¬
betrieb treten, wie er jetzt an der sibirischen Bahn stattfindet, wo von Petropawlowsk
und Kurgan aus die Märkte Moskaus und Petersburgs mit Fleisch versorgt
werden. An der sibirischen Bahn werden jährlich rund hunderttausend Stück
Rindvieh aus der Kirgisensteppe geschlachtet und die Rumpfe beim ersten Frost
nach Rußland verfrachtet. Überdies ist die Kirgisensteppe imstande, jährlich
Hunderttausende von Schafen abzugeben.

Als steigerungsfähig wird sich auch der Butterversand und die Ausfuhr
von Geflügel und Eiern erweisen --, die schon jetzt, gestützt auf die Jrtisch-
schiffahrt in Semipalatinsk, Ast-Kamenogorsk und Saissansk Bedeutung gewonnen
haben. Günstig liegen auch stellenweise die Verhältnisse für die Bienenzucht.
Ausdehnungsfähig ist ferner die Fischerei.

Ein weiterer Reichtum des Gebietes besteht in Mineralschätzen. Die Berge
zwischen Ast-Kamenogorsk und Kokpektinsk sowie die nördlichen Randgebirge des
Saissansees sind schon jetzt als reich an Edelmetallen bekannt, obwohl die
geologische Erforschung nur eine oberflächliche ist. Goldfundstellen allein sind
an vierhundert erschlossen. Der Goldgehalt der Erze scheint an 20 Gramm
auf die Tonne heranzureichen. Vermutlich hätte der Erzgoldabbau schon jetzt
bedeutendere Fortschritte gemacht, wenn nicht die Betätigung von Ausländern
in diesen Gebieten an eine jedesmalige besondere Erlaubnis der höchsten Instanzen
gebunden wäre. Neben Gold verdienen Kupfervorkommen Beachtung.

Die Bahn würde die Abbauwürdigkeit mancher bisher ungenutzter Fundstellen
sichern. Ob die Eisenerze des Gebietes hochwertig genug sind, um eine Ausfuhr auf
weite Entfernungen zu lohnen, ist die Frage; eine Verhüllung an Ort und Stelle
hat mit Mangel an geeigneten Kohlen zu kämpfen. Kohlen sind in der Kirgisen¬
steppe, am Jrtisch und am Saissansee bisher nur in minderwertigen, zur Ver¬
kokung nicht geeigneten Qualitäten gefunden worden. Silber, Blei, Maganerz,
Graphit, Halbedelsteine sind weitere in dem Einflußbereich der Bahn vor¬
kommende Bodenschätze. An Arbeitskräften fehlt es nicht; Tausende und Aber¬
tausende von verarmten Kirgisen stehen als willige, wenn auch nicht besonders
leistungsfähige Arbeiter bei niedrigen Löhnen zur Verfügung.

Es ergibt sich also, daß das Gebiet, das zwischen Semipalatinsk und der
chinesischen Grenze von der geplanten Bahn durchlaufen werden würde, an sich
schon eine Oase von bemerkenswerten wirtschaftlichen Möglichkeiten darstellt
gegenüber den Steppen und Wüsten, die westlich und östlich die Bahntrace
begleiten. Dazu kommt aber noch die günstige Verkehrslage des Bezirks:


Lhina, Rußland und Europa

Viehzuchterträgen zurück. Es handelt sich vor allem um Wolle, Haare,
Häute, Felle, Talg, Därme usw., die zurzeit in einer Wertsumme von 5 bis
10 Millionen Rubel jährlich nach und über Semipalatinsk hinaus gelangen
mögen, und die alle zu den Erzeugnissen gehören, die auf dem Weltmarkt zu
steigenden Preisen immer mehr gesucht werden.

Nach Inbetriebsetzung der Bahn würde dazu sicher ein ähnlicher Schlacht¬
betrieb treten, wie er jetzt an der sibirischen Bahn stattfindet, wo von Petropawlowsk
und Kurgan aus die Märkte Moskaus und Petersburgs mit Fleisch versorgt
werden. An der sibirischen Bahn werden jährlich rund hunderttausend Stück
Rindvieh aus der Kirgisensteppe geschlachtet und die Rumpfe beim ersten Frost
nach Rußland verfrachtet. Überdies ist die Kirgisensteppe imstande, jährlich
Hunderttausende von Schafen abzugeben.

Als steigerungsfähig wird sich auch der Butterversand und die Ausfuhr
von Geflügel und Eiern erweisen —, die schon jetzt, gestützt auf die Jrtisch-
schiffahrt in Semipalatinsk, Ast-Kamenogorsk und Saissansk Bedeutung gewonnen
haben. Günstig liegen auch stellenweise die Verhältnisse für die Bienenzucht.
Ausdehnungsfähig ist ferner die Fischerei.

Ein weiterer Reichtum des Gebietes besteht in Mineralschätzen. Die Berge
zwischen Ast-Kamenogorsk und Kokpektinsk sowie die nördlichen Randgebirge des
Saissansees sind schon jetzt als reich an Edelmetallen bekannt, obwohl die
geologische Erforschung nur eine oberflächliche ist. Goldfundstellen allein sind
an vierhundert erschlossen. Der Goldgehalt der Erze scheint an 20 Gramm
auf die Tonne heranzureichen. Vermutlich hätte der Erzgoldabbau schon jetzt
bedeutendere Fortschritte gemacht, wenn nicht die Betätigung von Ausländern
in diesen Gebieten an eine jedesmalige besondere Erlaubnis der höchsten Instanzen
gebunden wäre. Neben Gold verdienen Kupfervorkommen Beachtung.

Die Bahn würde die Abbauwürdigkeit mancher bisher ungenutzter Fundstellen
sichern. Ob die Eisenerze des Gebietes hochwertig genug sind, um eine Ausfuhr auf
weite Entfernungen zu lohnen, ist die Frage; eine Verhüllung an Ort und Stelle
hat mit Mangel an geeigneten Kohlen zu kämpfen. Kohlen sind in der Kirgisen¬
steppe, am Jrtisch und am Saissansee bisher nur in minderwertigen, zur Ver¬
kokung nicht geeigneten Qualitäten gefunden worden. Silber, Blei, Maganerz,
Graphit, Halbedelsteine sind weitere in dem Einflußbereich der Bahn vor¬
kommende Bodenschätze. An Arbeitskräften fehlt es nicht; Tausende und Aber¬
tausende von verarmten Kirgisen stehen als willige, wenn auch nicht besonders
leistungsfähige Arbeiter bei niedrigen Löhnen zur Verfügung.

Es ergibt sich also, daß das Gebiet, das zwischen Semipalatinsk und der
chinesischen Grenze von der geplanten Bahn durchlaufen werden würde, an sich
schon eine Oase von bemerkenswerten wirtschaftlichen Möglichkeiten darstellt
gegenüber den Steppen und Wüsten, die westlich und östlich die Bahntrace
begleiten. Dazu kommt aber noch die günstige Verkehrslage des Bezirks:


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[0470] Lhina, Rußland und Europa Viehzuchterträgen zurück. Es handelt sich vor allem um Wolle, Haare, Häute, Felle, Talg, Därme usw., die zurzeit in einer Wertsumme von 5 bis 10 Millionen Rubel jährlich nach und über Semipalatinsk hinaus gelangen mögen, und die alle zu den Erzeugnissen gehören, die auf dem Weltmarkt zu steigenden Preisen immer mehr gesucht werden. Nach Inbetriebsetzung der Bahn würde dazu sicher ein ähnlicher Schlacht¬ betrieb treten, wie er jetzt an der sibirischen Bahn stattfindet, wo von Petropawlowsk und Kurgan aus die Märkte Moskaus und Petersburgs mit Fleisch versorgt werden. An der sibirischen Bahn werden jährlich rund hunderttausend Stück Rindvieh aus der Kirgisensteppe geschlachtet und die Rumpfe beim ersten Frost nach Rußland verfrachtet. Überdies ist die Kirgisensteppe imstande, jährlich Hunderttausende von Schafen abzugeben. Als steigerungsfähig wird sich auch der Butterversand und die Ausfuhr von Geflügel und Eiern erweisen —, die schon jetzt, gestützt auf die Jrtisch- schiffahrt in Semipalatinsk, Ast-Kamenogorsk und Saissansk Bedeutung gewonnen haben. Günstig liegen auch stellenweise die Verhältnisse für die Bienenzucht. Ausdehnungsfähig ist ferner die Fischerei. Ein weiterer Reichtum des Gebietes besteht in Mineralschätzen. Die Berge zwischen Ast-Kamenogorsk und Kokpektinsk sowie die nördlichen Randgebirge des Saissansees sind schon jetzt als reich an Edelmetallen bekannt, obwohl die geologische Erforschung nur eine oberflächliche ist. Goldfundstellen allein sind an vierhundert erschlossen. Der Goldgehalt der Erze scheint an 20 Gramm auf die Tonne heranzureichen. Vermutlich hätte der Erzgoldabbau schon jetzt bedeutendere Fortschritte gemacht, wenn nicht die Betätigung von Ausländern in diesen Gebieten an eine jedesmalige besondere Erlaubnis der höchsten Instanzen gebunden wäre. Neben Gold verdienen Kupfervorkommen Beachtung. Die Bahn würde die Abbauwürdigkeit mancher bisher ungenutzter Fundstellen sichern. Ob die Eisenerze des Gebietes hochwertig genug sind, um eine Ausfuhr auf weite Entfernungen zu lohnen, ist die Frage; eine Verhüllung an Ort und Stelle hat mit Mangel an geeigneten Kohlen zu kämpfen. Kohlen sind in der Kirgisen¬ steppe, am Jrtisch und am Saissansee bisher nur in minderwertigen, zur Ver¬ kokung nicht geeigneten Qualitäten gefunden worden. Silber, Blei, Maganerz, Graphit, Halbedelsteine sind weitere in dem Einflußbereich der Bahn vor¬ kommende Bodenschätze. An Arbeitskräften fehlt es nicht; Tausende und Aber¬ tausende von verarmten Kirgisen stehen als willige, wenn auch nicht besonders leistungsfähige Arbeiter bei niedrigen Löhnen zur Verfügung. Es ergibt sich also, daß das Gebiet, das zwischen Semipalatinsk und der chinesischen Grenze von der geplanten Bahn durchlaufen werden würde, an sich schon eine Oase von bemerkenswerten wirtschaftlichen Möglichkeiten darstellt gegenüber den Steppen und Wüsten, die westlich und östlich die Bahntrace begleiten. Dazu kommt aber noch die günstige Verkehrslage des Bezirks:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/470>, abgerufen am 23.07.2024.