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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

In diesem Zusammenhange wird auch Dr. Ludwig Wihl genannt, von dem
Campe Heine gegenüber behauptete, er schreibe keine Zeile, die Gutzkow nicht
revidiert habe. Wihl hatte schon in Frankfurt a. M. zu den Mitarbeitern des
Gutzkowschen "Phönix" gehört und war Gutzkow als dessen "journalistischer
Adjutant" nach Hamburg gefolgt, wo er ihn gelegentlich in der Redaktion des
"Telegraphen" vertrat.*) Bevor Wihl nach Hamburg ging, war er in Paris
bei Heine gewesen und hatte sich dann bei Campe als dessen Intimus vorgestellt,
obwohl Heine ihm "aus ängstlicher Vorsorge"**) keine Zeile nach Hamburg
mitgegeben hatte. Auch bei der Mutter des Dichters hatte sich Wihl eingefunden
und durch "Entstellung und klatschsüchtige Verleumdungen" der Verhältnisse, in
denen ihr Sohn lebte, "viel Böses" gestiftet. Er schrieb ferner ohne Vorwissen
Heines einen Aussatz über ihn, in dem er den berühmten Dichter als "Piedestal
seiner Eitelkeit" benutzte. Die Arbeit, die in Gutzkows "Telegraphen" erschien,
enthielt überdies eine Fülle von Taktlosigkeiten und setzte Heine seiner Familie
gegenüber in eine peinliche Lage.

Diesem Schriftsteller, der später in einer Besprechung des "Schwaben¬
spiegels" Wolfgang Menzel und die schwäbischen Poeten gegen Heine in Schutz
nahm, hatte Campe, ohne durch den Verfasser dazu ermächtigt zu sein, und
obwohl er die literarische Unzuverlässigkeit Wihls kannte, das Manuskript des
"Schwabenspiegels" für mehrere Wochen anvertraut. Diese Handlungsweise des
Verlegers deckte Heine in seinem offenen Schreiben auf und beleuchtete sie grell
durch rücksichtslose Mitteilung eines Campeschen Briefes, der vernichtende Urteile
über Wihl enthielt.

In einem Privatbriefe vom 12. April***) erklärt Heine seinem Verleger in
naiver Aufrichtigkeit und Unverfrorenheit, er habe ihn nicht aus Gutmütigkeit
mit "so viel Mäßigung" behandelt, sondern nur in der Erkenntnis, daß ein
öffentlich derbes Wort seinerseits es diesem unmöglich gemacht hätte, künftig
etwas von ihm zu verlegen. Zugleich stellte er für einen weiteren geschäftlichen
Verkehr Campe Bedingungen, die dieser, geschäftsklug genug, annahm.

Der folgende Brief Campes an Immermann vom 31. Juli 1839 gibt
einen neuen Beitrag zu dem unerquicklichen Kapitel:

"Er fDutzkow^ räumte das Feld hier, ehe ich von Leipzig zurück kehrte
u. ließ mir einen Menschen, den I)r. Wihl, mit dem ich nichts, als Ebbe u.
Fluth, Tag u. Nacht, Regen oder Sonnenschein -- gemeinschaftlich haben
will -- als Stellvertreter zurück, womit er dem Blatt, sich, mir u. dem Publikum
einen schlechten Dienst erwiesen hat.

Unter den Umständen kann ich diesem Mann nichts übergeben; mit ihm
nicht verkehren, weil das Berührungen veranlassen müßte, die ich meide.





") H. H. Houben, Gutzkow-Funde. Berlin 1901. S. 253.
Daffis II, S, 130.
Dafsts II, S. 129.
Heinrich Heine

In diesem Zusammenhange wird auch Dr. Ludwig Wihl genannt, von dem
Campe Heine gegenüber behauptete, er schreibe keine Zeile, die Gutzkow nicht
revidiert habe. Wihl hatte schon in Frankfurt a. M. zu den Mitarbeitern des
Gutzkowschen „Phönix" gehört und war Gutzkow als dessen „journalistischer
Adjutant" nach Hamburg gefolgt, wo er ihn gelegentlich in der Redaktion des
„Telegraphen" vertrat.*) Bevor Wihl nach Hamburg ging, war er in Paris
bei Heine gewesen und hatte sich dann bei Campe als dessen Intimus vorgestellt,
obwohl Heine ihm „aus ängstlicher Vorsorge"**) keine Zeile nach Hamburg
mitgegeben hatte. Auch bei der Mutter des Dichters hatte sich Wihl eingefunden
und durch „Entstellung und klatschsüchtige Verleumdungen" der Verhältnisse, in
denen ihr Sohn lebte, „viel Böses" gestiftet. Er schrieb ferner ohne Vorwissen
Heines einen Aussatz über ihn, in dem er den berühmten Dichter als „Piedestal
seiner Eitelkeit" benutzte. Die Arbeit, die in Gutzkows „Telegraphen" erschien,
enthielt überdies eine Fülle von Taktlosigkeiten und setzte Heine seiner Familie
gegenüber in eine peinliche Lage.

Diesem Schriftsteller, der später in einer Besprechung des „Schwaben¬
spiegels" Wolfgang Menzel und die schwäbischen Poeten gegen Heine in Schutz
nahm, hatte Campe, ohne durch den Verfasser dazu ermächtigt zu sein, und
obwohl er die literarische Unzuverlässigkeit Wihls kannte, das Manuskript des
„Schwabenspiegels" für mehrere Wochen anvertraut. Diese Handlungsweise des
Verlegers deckte Heine in seinem offenen Schreiben auf und beleuchtete sie grell
durch rücksichtslose Mitteilung eines Campeschen Briefes, der vernichtende Urteile
über Wihl enthielt.

In einem Privatbriefe vom 12. April***) erklärt Heine seinem Verleger in
naiver Aufrichtigkeit und Unverfrorenheit, er habe ihn nicht aus Gutmütigkeit
mit „so viel Mäßigung" behandelt, sondern nur in der Erkenntnis, daß ein
öffentlich derbes Wort seinerseits es diesem unmöglich gemacht hätte, künftig
etwas von ihm zu verlegen. Zugleich stellte er für einen weiteren geschäftlichen
Verkehr Campe Bedingungen, die dieser, geschäftsklug genug, annahm.

Der folgende Brief Campes an Immermann vom 31. Juli 1839 gibt
einen neuen Beitrag zu dem unerquicklichen Kapitel:

„Er fDutzkow^ räumte das Feld hier, ehe ich von Leipzig zurück kehrte
u. ließ mir einen Menschen, den I)r. Wihl, mit dem ich nichts, als Ebbe u.
Fluth, Tag u. Nacht, Regen oder Sonnenschein — gemeinschaftlich haben
will — als Stellvertreter zurück, womit er dem Blatt, sich, mir u. dem Publikum
einen schlechten Dienst erwiesen hat.

Unter den Umständen kann ich diesem Mann nichts übergeben; mit ihm
nicht verkehren, weil das Berührungen veranlassen müßte, die ich meide.





") H. H. Houben, Gutzkow-Funde. Berlin 1901. S. 253.
Daffis II, S, 130.
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[0447] Heinrich Heine In diesem Zusammenhange wird auch Dr. Ludwig Wihl genannt, von dem Campe Heine gegenüber behauptete, er schreibe keine Zeile, die Gutzkow nicht revidiert habe. Wihl hatte schon in Frankfurt a. M. zu den Mitarbeitern des Gutzkowschen „Phönix" gehört und war Gutzkow als dessen „journalistischer Adjutant" nach Hamburg gefolgt, wo er ihn gelegentlich in der Redaktion des „Telegraphen" vertrat.*) Bevor Wihl nach Hamburg ging, war er in Paris bei Heine gewesen und hatte sich dann bei Campe als dessen Intimus vorgestellt, obwohl Heine ihm „aus ängstlicher Vorsorge"**) keine Zeile nach Hamburg mitgegeben hatte. Auch bei der Mutter des Dichters hatte sich Wihl eingefunden und durch „Entstellung und klatschsüchtige Verleumdungen" der Verhältnisse, in denen ihr Sohn lebte, „viel Böses" gestiftet. Er schrieb ferner ohne Vorwissen Heines einen Aussatz über ihn, in dem er den berühmten Dichter als „Piedestal seiner Eitelkeit" benutzte. Die Arbeit, die in Gutzkows „Telegraphen" erschien, enthielt überdies eine Fülle von Taktlosigkeiten und setzte Heine seiner Familie gegenüber in eine peinliche Lage. Diesem Schriftsteller, der später in einer Besprechung des „Schwaben¬ spiegels" Wolfgang Menzel und die schwäbischen Poeten gegen Heine in Schutz nahm, hatte Campe, ohne durch den Verfasser dazu ermächtigt zu sein, und obwohl er die literarische Unzuverlässigkeit Wihls kannte, das Manuskript des „Schwabenspiegels" für mehrere Wochen anvertraut. Diese Handlungsweise des Verlegers deckte Heine in seinem offenen Schreiben auf und beleuchtete sie grell durch rücksichtslose Mitteilung eines Campeschen Briefes, der vernichtende Urteile über Wihl enthielt. In einem Privatbriefe vom 12. April***) erklärt Heine seinem Verleger in naiver Aufrichtigkeit und Unverfrorenheit, er habe ihn nicht aus Gutmütigkeit mit „so viel Mäßigung" behandelt, sondern nur in der Erkenntnis, daß ein öffentlich derbes Wort seinerseits es diesem unmöglich gemacht hätte, künftig etwas von ihm zu verlegen. Zugleich stellte er für einen weiteren geschäftlichen Verkehr Campe Bedingungen, die dieser, geschäftsklug genug, annahm. Der folgende Brief Campes an Immermann vom 31. Juli 1839 gibt einen neuen Beitrag zu dem unerquicklichen Kapitel: „Er fDutzkow^ räumte das Feld hier, ehe ich von Leipzig zurück kehrte u. ließ mir einen Menschen, den I)r. Wihl, mit dem ich nichts, als Ebbe u. Fluth, Tag u. Nacht, Regen oder Sonnenschein — gemeinschaftlich haben will — als Stellvertreter zurück, womit er dem Blatt, sich, mir u. dem Publikum einen schlechten Dienst erwiesen hat. Unter den Umständen kann ich diesem Mann nichts übergeben; mit ihm nicht verkehren, weil das Berührungen veranlassen müßte, die ich meide. ") H. H. Houben, Gutzkow-Funde. Berlin 1901. S. 253. Daffis II, S, 130. Dafsts II, S. 129.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/447>, abgerufen am 23.07.2024.