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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Heinrich Heine

sangreichen Aufsatz über die deutsche Malerei des neunzehnten Jahrhunderts
schrieb*), in dem er die "kühnen und sinnreichen Worte unseres genialen
Heine" über Peter Cornelius aus den "Reisebildern" zitierte.

In den folgenden Jahren scheint der Briefwechsel zwischen den beiden
Dichtern versiegt zu sein; Immermann zog sich zurück, weil ihm viele Empfin¬
dungen Heines nur als "willkürliche Aneignung" erschienen und dessen schillerndes
Wesen seiner Geradheit auf die Dauer nicht zusagte. Mit seinem Verleger
aber stand Heine in steter Korrespondenz, da er sich im Gegensatz zu Immermann.
der nach "Tulifäntchen" jahrelang nichts mehr bei Campe verlegte,**) ge¬
schäftlich nicht von ihm trennte.

Am 11. Februar 1839 schreibt der Hamburger Buchhändler wieder einmal,
an Immermann, nachdem dieser im Oktober des vergangenen Jahres von neuem
mit ihm angeknüpft hatte, und erzählt auch von Heine und dessen Werken:

"Heine's Buch der Lieder, 2'° Aufl., ward im Octbr. 1837, Auflage
1500 Expl., ausgegeben, heute ist diese bis auf 30 Expl. abgesetzt. O.M.***)
erscheint die 3"° Aufl. u. ein Nachtrag dazu, als 2"" Theil. Dieses Resultat
hat mich um so mehr überrascht, als ich an der ersten Aufl. volle 9 Jahre
gehöckert habe u. für dessen Absatz ich mir unendliche Mühe gab. Heine freut
sich mit mir des Erfolges, der ihn vielleicht zu neuen Gaben veranlaßt, da er
gewiß erkennt, daß dieses mehr als einen augenblicklichen Beifall anzeigt. Es
ist offenbar, daß das Buch der Lieder tief eingreift; das Schicksal der Gedichte¬
sammlung ist entschieden gemacht. Ich werde durch Parthiepreise dafür sorgen,
daß der günstige Augenblick erfaßt wird u. eine größere Verbreitung stattfindet,
was durch Parthiepreise, wo man die Buchhändler mit ins Jntereße zieht,
zunächst erzielt werden mögte, so das die 4^° Aufl. vielleicht in 18 Monaten
folgen dürfte.

Je mehr ein Buch unter die Leute gebracht wird, je sicherer ist der Ver¬
brauch im Handel gesichert. Heines Lieder sind nicht so populair, wie Uhland
u. Rückert, die meistens zu Geschenken für Mädchen u. Frauen verwendet
werden --, seine fleischlichen Tendenzen treten hinderlich in den Weg, -- jene
sind ganz rein, dagegen ist er bei den Studenten förmlich ein Montierungsstück
geworden; jeder rechtschaffene Bursch muß seinen Heine haben.

Ich wage es nicht zu entscheiden, wer von den 3 Dichtern das beste
Publikum besitzt? Fast mögte ich für Heine entscheiden.

Haben Sie Heine's Shalspears Frauen u. Mädchen gelesen? ich meine
die Vorrede 12 u. 13); wenn nicht, thun Sie es, Sie finden ihn ganz
in seiner alten Weise."





") Erschienen in französischer Sprache 1833, I, 281 f. und 364 f.; II, 41 f. und 231 f.
Ein Konflikt zwischen Immermann und Campe scheint ini Anschluß an die geplante
Ausgabe der Jmmermannschen Schriften, die schließlich bei Schaub in Düsseldorf erschien,
entstanden zu sein, (Vgl. an Heine, S. Okt. 1830. -- Dtsch, Rundschau, Bd. 107, S. 436 f.)
Zur Ostermesse,
Heinrich Heine

sangreichen Aufsatz über die deutsche Malerei des neunzehnten Jahrhunderts
schrieb*), in dem er die „kühnen und sinnreichen Worte unseres genialen
Heine" über Peter Cornelius aus den „Reisebildern" zitierte.

In den folgenden Jahren scheint der Briefwechsel zwischen den beiden
Dichtern versiegt zu sein; Immermann zog sich zurück, weil ihm viele Empfin¬
dungen Heines nur als „willkürliche Aneignung" erschienen und dessen schillerndes
Wesen seiner Geradheit auf die Dauer nicht zusagte. Mit seinem Verleger
aber stand Heine in steter Korrespondenz, da er sich im Gegensatz zu Immermann.
der nach „Tulifäntchen" jahrelang nichts mehr bei Campe verlegte,**) ge¬
schäftlich nicht von ihm trennte.

Am 11. Februar 1839 schreibt der Hamburger Buchhändler wieder einmal,
an Immermann, nachdem dieser im Oktober des vergangenen Jahres von neuem
mit ihm angeknüpft hatte, und erzählt auch von Heine und dessen Werken:

„Heine's Buch der Lieder, 2'° Aufl., ward im Octbr. 1837, Auflage
1500 Expl., ausgegeben, heute ist diese bis auf 30 Expl. abgesetzt. O.M.***)
erscheint die 3»° Aufl. u. ein Nachtrag dazu, als 2»" Theil. Dieses Resultat
hat mich um so mehr überrascht, als ich an der ersten Aufl. volle 9 Jahre
gehöckert habe u. für dessen Absatz ich mir unendliche Mühe gab. Heine freut
sich mit mir des Erfolges, der ihn vielleicht zu neuen Gaben veranlaßt, da er
gewiß erkennt, daß dieses mehr als einen augenblicklichen Beifall anzeigt. Es
ist offenbar, daß das Buch der Lieder tief eingreift; das Schicksal der Gedichte¬
sammlung ist entschieden gemacht. Ich werde durch Parthiepreise dafür sorgen,
daß der günstige Augenblick erfaßt wird u. eine größere Verbreitung stattfindet,
was durch Parthiepreise, wo man die Buchhändler mit ins Jntereße zieht,
zunächst erzielt werden mögte, so das die 4^° Aufl. vielleicht in 18 Monaten
folgen dürfte.

Je mehr ein Buch unter die Leute gebracht wird, je sicherer ist der Ver¬
brauch im Handel gesichert. Heines Lieder sind nicht so populair, wie Uhland
u. Rückert, die meistens zu Geschenken für Mädchen u. Frauen verwendet
werden —, seine fleischlichen Tendenzen treten hinderlich in den Weg, — jene
sind ganz rein, dagegen ist er bei den Studenten förmlich ein Montierungsstück
geworden; jeder rechtschaffene Bursch muß seinen Heine haben.

Ich wage es nicht zu entscheiden, wer von den 3 Dichtern das beste
Publikum besitzt? Fast mögte ich für Heine entscheiden.

Haben Sie Heine's Shalspears Frauen u. Mädchen gelesen? ich meine
die Vorrede 12 u. 13); wenn nicht, thun Sie es, Sie finden ihn ganz
in seiner alten Weise."





") Erschienen in französischer Sprache 1833, I, 281 f. und 364 f.; II, 41 f. und 231 f.
Ein Konflikt zwischen Immermann und Campe scheint ini Anschluß an die geplante
Ausgabe der Jmmermannschen Schriften, die schließlich bei Schaub in Düsseldorf erschien,
entstanden zu sein, (Vgl. an Heine, S. Okt. 1830. — Dtsch, Rundschau, Bd. 107, S. 436 f.)
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[0444] Heinrich Heine sangreichen Aufsatz über die deutsche Malerei des neunzehnten Jahrhunderts schrieb*), in dem er die „kühnen und sinnreichen Worte unseres genialen Heine" über Peter Cornelius aus den „Reisebildern" zitierte. In den folgenden Jahren scheint der Briefwechsel zwischen den beiden Dichtern versiegt zu sein; Immermann zog sich zurück, weil ihm viele Empfin¬ dungen Heines nur als „willkürliche Aneignung" erschienen und dessen schillerndes Wesen seiner Geradheit auf die Dauer nicht zusagte. Mit seinem Verleger aber stand Heine in steter Korrespondenz, da er sich im Gegensatz zu Immermann. der nach „Tulifäntchen" jahrelang nichts mehr bei Campe verlegte,**) ge¬ schäftlich nicht von ihm trennte. Am 11. Februar 1839 schreibt der Hamburger Buchhändler wieder einmal, an Immermann, nachdem dieser im Oktober des vergangenen Jahres von neuem mit ihm angeknüpft hatte, und erzählt auch von Heine und dessen Werken: „Heine's Buch der Lieder, 2'° Aufl., ward im Octbr. 1837, Auflage 1500 Expl., ausgegeben, heute ist diese bis auf 30 Expl. abgesetzt. O.M.***) erscheint die 3»° Aufl. u. ein Nachtrag dazu, als 2»" Theil. Dieses Resultat hat mich um so mehr überrascht, als ich an der ersten Aufl. volle 9 Jahre gehöckert habe u. für dessen Absatz ich mir unendliche Mühe gab. Heine freut sich mit mir des Erfolges, der ihn vielleicht zu neuen Gaben veranlaßt, da er gewiß erkennt, daß dieses mehr als einen augenblicklichen Beifall anzeigt. Es ist offenbar, daß das Buch der Lieder tief eingreift; das Schicksal der Gedichte¬ sammlung ist entschieden gemacht. Ich werde durch Parthiepreise dafür sorgen, daß der günstige Augenblick erfaßt wird u. eine größere Verbreitung stattfindet, was durch Parthiepreise, wo man die Buchhändler mit ins Jntereße zieht, zunächst erzielt werden mögte, so das die 4^° Aufl. vielleicht in 18 Monaten folgen dürfte. Je mehr ein Buch unter die Leute gebracht wird, je sicherer ist der Ver¬ brauch im Handel gesichert. Heines Lieder sind nicht so populair, wie Uhland u. Rückert, die meistens zu Geschenken für Mädchen u. Frauen verwendet werden —, seine fleischlichen Tendenzen treten hinderlich in den Weg, — jene sind ganz rein, dagegen ist er bei den Studenten förmlich ein Montierungsstück geworden; jeder rechtschaffene Bursch muß seinen Heine haben. Ich wage es nicht zu entscheiden, wer von den 3 Dichtern das beste Publikum besitzt? Fast mögte ich für Heine entscheiden. Haben Sie Heine's Shalspears Frauen u. Mädchen gelesen? ich meine die Vorrede 12 u. 13); wenn nicht, thun Sie es, Sie finden ihn ganz in seiner alten Weise." ") Erschienen in französischer Sprache 1833, I, 281 f. und 364 f.; II, 41 f. und 231 f. Ein Konflikt zwischen Immermann und Campe scheint ini Anschluß an die geplante Ausgabe der Jmmermannschen Schriften, die schließlich bei Schaub in Düsseldorf erschien, entstanden zu sein, (Vgl. an Heine, S. Okt. 1830. — Dtsch, Rundschau, Bd. 107, S. 436 f.) Zur Ostermesse,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/444>, abgerufen am 23.07.2024.